Langsam, aber stetig steigen die Energiedichten von Lithiumionen-Akkus. Auch die Ladezeiten lassen sich mit hohen Leistungen verringern, doch brauchen Elektroautos immer noch eine gute halbe Stunde, bis die Akkus wieder ausreichend aufgeladen sind. Sehr viel schneller könnten in Zukunft Stromspeicher gefüllt werden, die aus speziellen pseudokapazitativen Materialien bestehen. Nach ersten kurzlebigen Prototypen optimierten nun kalifornische Wissenschaftler ein mögliches Elektrodenmaterial: Molybdäntrioxid. Mit gezielt erzeugten Sauerstofflücken in der Kristallstruktur des Metalloxids konnten sie Kapazität und Lebensdauer der potenziellen Schnellladesysteme deutlich verlängern.
Abb.: Pseudokapazitatives Material für schnelle Stromspeicher: Orthorhombische Struktur von Molybdäntrioxid. (Bild: H.-S. Kim et. al.)
„Unsere Arbeitsgruppe versucht, die großen Energiedichten von Batterien mit den kurzen Ladezeiten und hohen Strömen von Kondensatoren in einem Stromspeicher zu vereinen“, sagt Bruce Dunn von der University of California in Los Angeles. Dieses Ziel im Blick, griff er zusammen mit seinen Kollegen zu dem Material Molybdäntrioxid, das als Elektrodenwerkstoff eine Energiedichte ermöglicht, die prinzipiell mit konventionellen Lithiumionenakkus vergleichbar ist. Trotz der relativ hohen Energiedichte lassen sich Speichersysteme mit Molybdäntrioxid binnen weniger Minuten aufladen.
Verantwortlich für die schnellen Ladeprozesse ist die Pseudokapazität. Dabei lagern sich im Unterschied zu klassischen Kondensatoren nicht nur einzelne Elektronen, sondern ladungstragende Ionen am Kathodenmaterial an. Gebunden über schwache Van-der-Waals-Bindungen findet darauf ein faradayscher Ladungstausch statt, bei dem vom über Adhäsionskräfte angedockten Ion ein Elektron auf die Kathode reversibel übertragen wird. Bei herkömmlichen Akkus dagegen gehen Ionen über eine elektrochemische Reaktion festere Bindungen mit dem Elektrodenmaterial ein. Diese ebenfalls reversiblen Prozesse laufen jedoch deutlich langsamer ab und sind für die relativ langen Ladezeiten verantwortlich.
So verlockend solche Pseudokapazitätsspeicher klingen, waren sie bisher wegen mangelnder Stabilität für einen Akku nicht geeignet. Denn beim Aufladen des Stromspeichers veränderte sich bisher der Aufbau der Molybdäntrioxid-Kristalle und erlaubte nur wenige Ladezyklen. Genau dieses Problem lösten Dunn und Kollegen nun mit einer Optimierung des Materials. In einer Mikrowelle auf 180 Grad aufgeheizt, entstanden Molybdänoxid-Kristalle, denen ein Sauerstoffatom in der Kristallstruktur fehlte. Diese Leerstelle erhöhte die elektrische Leitfähigkeit und bot über schwache Bindungen angedockten Lithiumionen zusätzlichen Platz. Wie erste Versuche zeigten, konnte der unerwünschte Phasenwechsel der Kristallstruktur vermieden werden.
Auch nach 50 Ladezyklen büßte der Prototyp nur fünf Prozent seiner Speicherkapazität von etwa 550 Coulomb pro Gramm ein. Bisher verloren solche Stromspeicher nach nur wenigen Ladezyklen bis zur Hälfte ihrer Speicherkapazität. Dunn und Kollegen reproduzierten diese Vergleichswerte mit zwei Molybdäntrioxid-Varianten. Komplett oxidierte Kristalle (MoO3) bestätigten die geringe Zyklenfestigkeit, orthorhombische Molybdäntrioxid-Kristalle mit einzelnen Sauerstofflücken (MoO3-x) zeigten dagegen eine signifikant erhöhte Stabilität. Über Röntgenbeugung analysierten die Forscher auch die Kristallstrukturen nach den Ladezyklen, die beim Molybdäntrioxid mit Sauerstofflücken erstaunlich stabil waren.
Mit diesen Ergebnissen konnten Dunn und Kollegen zeigen, dass der Effekt der Pseudokapazität für den Bau von leistungsfähigen und extrem schnell aufladbaren Stromspeichern prinzipiell geeignet ist. In weiteren Testreihen ließen sich neben Molybdäntrioxid auch weitere Metalloxid-Kristalle mit entrissenen Sauerstoffatomen auf ihre stromspeichernden Eigenschaften untersuchen. So bietet die Pseudokapazität einen verlockenden Ansatz für neuartige Schnelllade-Akkus. Vor einer möglichen Serienproduktion ist allerdings noch mit mehrjähriger Entwicklungsarbeit zu rechnen.
Jan Oliver Löfken
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