06.12.2016

Neues Akku-Konzept nutzt Pseudokapazität

Stromspeicher lassen sich schneller aufladen und bieten dennoch hohe Energiedichte.

Langsam, aber stetig steigen die Energie­dichten von Lithium­ionen-Akkus. Auch die Ladezeiten lassen sich mit hohen Leistungen verringern, doch brauchen Elektro­autos immer noch eine gute halbe Stunde, bis die Akkus wieder ausreichend aufgeladen sind. Sehr viel schneller könnten in Zukunft Strom­speicher gefüllt werden, die aus speziellen pseudo­kapazitativen Materialien bestehen. Nach ersten kurz­lebigen Proto­typen optimierten nun kalifornische Wissenschaftler ein mögliches Elektroden­material: Molybdän­trioxid. Mit gezielt erzeugten Sauerstoff­lücken in der Kristall­struktur des Metall­oxids konnten sie Kapazität und Lebensdauer der potenziellen Schnell­lade­systeme deutlich verlängern.

Abb.: Pseudokapazitatives Material für schnelle Stromspeicher: Orthorhombische Struktur von Molybdäntrioxid. (Bild: H.-S. Kim et. al.)

„Unsere Arbeitsgruppe versucht, die großen Energie­dichten von Batterien mit den kurzen Lade­zeiten und hohen Strömen von Kondensatoren in einem Strom­speicher zu vereinen“, sagt Bruce Dunn von der University of California in Los Angeles. Dieses Ziel im Blick, griff er zusammen mit seinen Kollegen zu dem Material Molybdän­trioxid, das als Elektroden­werkstoff eine Energie­dichte ermöglicht, die prinzipiell mit konventionellen Lithium­ionenakkus vergleichbar ist. Trotz der relativ hohen Energie­dichte lassen sich Speicher­systeme mit Molybdän­trioxid binnen weniger Minuten aufladen.

Verantwortlich für die schnellen Ladeprozesse ist die Pseudo­kapazität. Dabei lagern sich im Unterschied zu klassischen Kondensatoren nicht nur einzelne Elektronen, sondern ladungs­tragende Ionen am Kathoden­material an. Gebunden über schwache Van-der-Waals-Bindungen findet darauf ein faradayscher Ladungs­tausch statt, bei dem vom über Adhäsions­kräfte angedockten Ion ein Elektron auf die Kathode reversibel übertragen wird. Bei herkömmlichen Akkus dagegen gehen Ionen über eine elektro­chemische Reaktion festere Bindungen mit dem Elektroden­material ein. Diese ebenfalls reversiblen Prozesse laufen jedoch deutlich langsamer ab und sind für die relativ langen Ladezeiten verantwortlich.

So verlockend solche Pseudokapazitätsspeicher klingen, waren sie bisher wegen mangelnder Stabilität für einen Akku nicht geeignet. Denn beim Aufladen des Strom­speichers veränderte sich bisher der Aufbau der Molybdän­trioxid-Kristalle und erlaubte nur wenige Ladezyklen. Genau dieses Problem lösten Dunn und Kollegen nun mit einer Optimierung des Materials. In einer Mikro­welle auf 180 Grad aufgeheizt, entstanden Molybdänoxid-Kristalle, denen ein Sauerstoff­atom in der Kristall­struktur fehlte. Diese Leerstelle erhöhte die elektrische Leitfähigkeit und bot über schwache Bindungen angedockten Lithium­ionen zusätzlichen Platz. Wie erste Versuche zeigten, konnte der unerwünschte Phasen­wechsel der Kristall­struktur vermieden werden.

Auch nach 50 Ladezyklen büßte der Prototyp nur fünf Prozent seiner Speicher­kapazität von etwa 550 Coulomb pro Gramm ein. Bisher verloren solche Strom­speicher nach nur wenigen Ladezyklen bis zur Hälfte ihrer Speicher­kapazität. Dunn und Kollegen reproduzierten diese Vergleichs­werte mit zwei Molybdän­trioxid-Varianten. Komplett oxidierte Kristalle (MoO3) bestätigten die geringe Zyklen­festigkeit, orthorhombische Molybdän­trioxid-Kristalle mit einzelnen Sauerstoff­lücken (MoO3-x) zeigten dagegen eine signifikant erhöhte Stabilität. Über Röntgen­beugung analysierten die Forscher auch die Kristall­strukturen nach den Ladezyklen, die beim Molybdän­trioxid mit Sauerstoff­lücken erstaunlich stabil waren.

Mit diesen Ergebnissen konnten Dunn und Kollegen zeigen, dass der Effekt der Pseudokapazität für den Bau von leistungsfähigen und extrem schnell aufladbaren Stromspeichern prinzipiell geeignet ist. In weiteren Testreihen ließen sich neben Molybdän­trioxid auch weitere Metalloxid-Kristalle mit entrissenen Sauerstoff­atomen auf ihre strom­speichernden Eigenschaften untersuchen. So bietet die Pseudo­kapazität einen verlockenden Ansatz für neuartige Schnelllade-Akkus. Vor einer möglichen Serienproduktion ist allerdings noch mit mehrjähriger Entwicklungs­arbeit zu rechnen.

Jan Oliver Löfken

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