29.12.2025 • Mikroskopie

Neues Mikroskop macht unsichtbares 2D-Material sichtbar

Nichtlineare Mikroskopie mit Infrarotlicht zeigt Bornitrid und kann sogar seine Kristallorientierung darstellen.

Forschende der Abteilungen für Physikalische Chemie und Theorie am Fritz-Haber-Institut haben eine neue Methode entwickelt, um Schichten aus Bornitrid abzubilden, die nur ein Atom dick sind. Dieses Material ist in optischen Mikroskopen normalerweise quasi unsichtbar, da es keine optischen Resonanzen aufweist. Nun verwendete das Team nichtlineare Mikroskopie mit Infrarotlicht, um das Material sichtbar zu machen und sogar seine Kristallorientierung darzustellen. Die Studie kann sich auf die aktuell florierende Entwicklung neuer (opto-)elektronischer Bauelemente aus gestapelten 2D-Materialien auswirken.

Die Materialwissenschaft kennt dünne Schicht­materialien bereits seit über hundert Jahren, doch erst 2004 gelang es erstmals, gezielt 2D-Schichten – nämlich Graphen – im Labor herzu­stellen. Seitdem wurden immer mehr neue 2D-Materialien entwickelt und neuartige Anwen­dungen entstanden. Die dünnen Schichten sind in vielen Zukunfts­techno­logien gefragt, von Elek­tronik und optischen Kompo­nenten bis hin zu Energie­systemen. Daher sind diese faszinie­renden Materialien Gegen­stand umfang­reicher Forschung.

Bornitrid (BN) – auch bekannt als „weißes Graphen“ – ist ein Schichtmaterial, das in verschiedenen Formen vorkommen kann, darunter hexago­nales Bornitrid (hBN). Ähnlich wie Graphen hat hBN eine sechs­eckige Gitter­struktur und seine 2D-Schichten werden in verschie­denen Anwen­dungen einge­setzt, beispiels­weise in der Quanten­optik oder der Infrarot-Nano­photo­nik, oder einfach als Substrat oder Verkap­selungs­material. Für solche Anwen­dungen ist eine genaue Charakte­ri­sierung der hBN-Schichten von entschei­dender Bedeu­tung. Abge­sehen von der ausge­prägten Reso­nanz im mitt­leren Infrarot­bereich ist hBN als Einzel­schicht jedoch über den gesamten nahen Infrarot- und sicht­baren Spektral­bereich trans­pa­rent. Daher kann es nicht mit herkömm­lichen opti­schen Mikro­skopen unter­sucht werden.

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Andreas Tittl und Stefan A. Maier • 6/2023 • Seite 23

Sensorik mit Nanofokus

Diese Eigenschaft hat bislang die Verwen­dung von hBN bei der Entwick­lung neuer Materi­alien stark einge­schränkt. Um zum Beispiel mögliche Verzer­rungen und Material­grenzen in 2D-Schichten zu identi­fizieren, müssen diese genau abgebildet werden. Darüber hinaus stapeln For­schende Einzel­schichten aus 2D-Materialien über­einander, um van-der-Waals-Struk­turen zu schaffen, die völlig neue und spannende Eigen­schaften aufweisen können. Idealer­weise möchten die Forschenden diese Schichtung live unter dem Mikroskop beobachten, auch um die Ausrich­tung der einzelnen Schichten zu sehen. Die Entwick­lung einer entspre­chenden Technik für hBN ist daher sehr wün­schens­wert.

Das Forschungsteam am Fritz-Haber-Institut hat sich dieser Heraus­forderung gestellt und ent­wickelte ein Mikro­skop, das einen Trick aus der nicht­linearen Optik nutzt, um das ansonsten unsicht­bare hBN sicht­bar zu machen. Bei ihrer Methode, der phasen­aufge­lösten Summen­frequenz­mikro­skopie (sum-frequency gene­ration, SFG), werden zwei Laser­strahlen, einer im mitt­leren Infrarot­bereich und einer im sicht­baren Bereich, gemischt, um ein Summen­frequenz­signal in der zu messenden Probe zu erzeugen. Durch reso­nante Anre­gung einer hBN-Gitter­vibra­tion wird das gemessene Summen­frequenz­signal sehr inten­siv, sodass nicht nur große Proben­flächen von 100 × 100 μm2 in weniger als einer Sekunde abge­bildet werden können, sondern sogar die Kristall­orien­tierung sichtbar gemacht werden kann.

Dank ihres neuen Mikroskops konnten die Forschenden zeigen, dass die 2D-Schichten aus hBN, die in drei­eckigen Domänen wachsen, Stickstoff-terminierte Zick­zack­kanten haben. Zudem unter­streicht die beob­ach­tete hohe Nicht­linea­rität im Frequenz­bereich der Schwingungs­resonanz, dass ein­lagiges hBN ein vielver­sprechendes Material für die Frequenz­aufwärts­konver­sion – vom Infra­roten ins sichtbare Licht – in neuen opto­elektro­nischen Bau­elementen ist.

Diese Studie hat Fachwissen mehrerer Forschungsgruppen aus Abteilungen des Fritz-Haber-Instituts sowie internationaler Partner bündelt. Die hBN-Einzel­schichten wurden an der Vander­bilt Univer­sity synthe­ti­siert und anschließend am Fach­bereich Physika­lische Chemie des Fritz-Haber-Instituts mittels Summen­frequenz­mikro­skopie analy­siert. Zur Unter­stützung der Proben­charakteri­sierung  wurden von Kooperations­partnern am Fach­bereich Physik der Freien Univer­sität Berlin Bilder mit  Raster­kraft­mikro­skopie (AFM) aufge­nommen. Schließ­lich konnten dank der Einbe­ziehung des Fach­bereichs Theorie des FHI die kristallo­graphischen Details extra­hiert werden.

Das neu entwickelte Mikroskop bietet klare Vorteile gegenüber anderen beste­henden Methoden. In erster Linie kann es optisch trans­parente Materialien durch optische Mikro­skopie sichtbar machen. Die Mikroskop­bilder haben einen viel höheren Kontrast auf als herkömmliche AFM-Bilder, und die Signal­verstärkung durch die Schwingungs­resonanz ermöglicht eine „Live-Bild­gebung“ von hBN, ein­schließ­lich Online-Informa­tionen über dessen Kristall­orien­tierung. Das neue Mikroskop ermöglicht somit die kontrol­lierte Herstellung von Van-der-Waals-Strukturen. Die Autoren erwarten, dass das neue Mikroskop Verwen­dung finden wird zur nicht-invasiven und markierungs­freien Unter­suchung einer Viel­zahl von gesta­pelten 2D-Materi­alien sowie deren Kombina­tionen mit an­iso­tropen moleku­laren Anordnungen. [FHI / dre]

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Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft

Faradayweg 4–6
14195 Berlin
Deutschland

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