Neues Mikroskop macht unsichtbares 2D-Material sichtbar
Nichtlineare Mikroskopie mit Infrarotlicht zeigt Bornitrid und kann sogar seine Kristallorientierung darstellen.
Forschende der Abteilungen für Physikalische Chemie und Theorie am Fritz-Haber-Institut haben eine neue Methode entwickelt, um Schichten aus Bornitrid abzubilden, die nur ein Atom dick sind. Dieses Material ist in optischen Mikroskopen normalerweise quasi unsichtbar, da es keine optischen Resonanzen aufweist. Nun verwendete das Team nichtlineare Mikroskopie mit Infrarotlicht, um das Material sichtbar zu machen und sogar seine Kristallorientierung darzustellen. Die Studie kann sich auf die aktuell florierende Entwicklung neuer (opto-)elektronischer Bauelemente aus gestapelten 2D-Materialien auswirken.


Die Materialwissenschaft kennt dünne Schichtmaterialien bereits seit über hundert Jahren, doch erst 2004 gelang es erstmals, gezielt 2D-Schichten – nämlich Graphen – im Labor herzustellen. Seitdem wurden immer mehr neue 2D-Materialien entwickelt und neuartige Anwendungen entstanden. Die dünnen Schichten sind in vielen Zukunftstechnologien gefragt, von Elektronik und optischen Komponenten bis hin zu Energiesystemen. Daher sind diese faszinierenden Materialien Gegenstand umfangreicher Forschung.
Bornitrid (BN) – auch bekannt als „weißes Graphen“ – ist ein Schichtmaterial, das in verschiedenen Formen vorkommen kann, darunter hexagonales Bornitrid (hBN). Ähnlich wie Graphen hat hBN eine sechseckige Gitterstruktur und seine 2D-Schichten werden in verschiedenen Anwendungen eingesetzt, beispielsweise in der Quantenoptik oder der Infrarot-Nanophotonik, oder einfach als Substrat oder Verkapselungsmaterial. Für solche Anwendungen ist eine genaue Charakterisierung der hBN-Schichten von entscheidender Bedeutung. Abgesehen von der ausgeprägten Resonanz im mittleren Infrarotbereich ist hBN als Einzelschicht jedoch über den gesamten nahen Infrarot- und sichtbaren Spektralbereich transparent. Daher kann es nicht mit herkömmlichen optischen Mikroskopen untersucht werden.
Diese Eigenschaft hat bislang die Verwendung von hBN bei der Entwicklung neuer Materialien stark eingeschränkt. Um zum Beispiel mögliche Verzerrungen und Materialgrenzen in 2D-Schichten zu identifizieren, müssen diese genau abgebildet werden. Darüber hinaus stapeln Forschende Einzelschichten aus 2D-Materialien übereinander, um van-der-Waals-Strukturen zu schaffen, die völlig neue und spannende Eigenschaften aufweisen können. Idealerweise möchten die Forschenden diese Schichtung live unter dem Mikroskop beobachten, auch um die Ausrichtung der einzelnen Schichten zu sehen. Die Entwicklung einer entsprechenden Technik für hBN ist daher sehr wünschenswert.
Das Forschungsteam am Fritz-Haber-Institut hat sich dieser Herausforderung gestellt und entwickelte ein Mikroskop, das einen Trick aus der nichtlinearen Optik nutzt, um das ansonsten unsichtbare hBN sichtbar zu machen. Bei ihrer Methode, der phasenaufgelösten Summenfrequenzmikroskopie (sum-frequency generation, SFG), werden zwei Laserstrahlen, einer im mittleren Infrarotbereich und einer im sichtbaren Bereich, gemischt, um ein Summenfrequenzsignal in der zu messenden Probe zu erzeugen. Durch resonante Anregung einer hBN-Gittervibration wird das gemessene Summenfrequenzsignal sehr intensiv, sodass nicht nur große Probenflächen von 100 × 100 μm2 in weniger als einer Sekunde abgebildet werden können, sondern sogar die Kristallorientierung sichtbar gemacht werden kann.
Dank ihres neuen Mikroskops konnten die Forschenden zeigen, dass die 2D-Schichten aus hBN, die in dreieckigen Domänen wachsen, Stickstoff-terminierte Zickzackkanten haben. Zudem unterstreicht die beobachtete hohe Nichtlinearität im Frequenzbereich der Schwingungsresonanz, dass einlagiges hBN ein vielversprechendes Material für die Frequenzaufwärtskonversion – vom Infraroten ins sichtbare Licht – in neuen optoelektronischen Bauelementen ist.
Diese Studie hat Fachwissen mehrerer Forschungsgruppen aus Abteilungen des Fritz-Haber-Instituts sowie internationaler Partner bündelt. Die hBN-Einzelschichten wurden an der Vanderbilt University synthetisiert und anschließend am Fachbereich Physikalische Chemie des Fritz-Haber-Instituts mittels Summenfrequenzmikroskopie analysiert. Zur Unterstützung der Probencharakterisierung wurden von Kooperationspartnern am Fachbereich Physik der Freien Universität Berlin Bilder mit Rasterkraftmikroskopie (AFM) aufgenommen. Schließlich konnten dank der Einbeziehung des Fachbereichs Theorie des FHI die kristallographischen Details extrahiert werden.
Das neu entwickelte Mikroskop bietet klare Vorteile gegenüber anderen bestehenden Methoden. In erster Linie kann es optisch transparente Materialien durch optische Mikroskopie sichtbar machen. Die Mikroskopbilder haben einen viel höheren Kontrast auf als herkömmliche AFM-Bilder, und die Signalverstärkung durch die Schwingungsresonanz ermöglicht eine „Live-Bildgebung“ von hBN, einschließlich Online-Informationen über dessen Kristallorientierung. Das neue Mikroskop ermöglicht somit die kontrollierte Herstellung von Van-der-Waals-Strukturen. Die Autoren erwarten, dass das neue Mikroskop Verwendung finden wird zur nicht-invasiven und markierungsfreien Untersuchung einer Vielzahl von gestapelten 2D-Materialien sowie deren Kombinationen mit anisotropen molekularen Anordnungen. [FHI / dre]
Weitere Informationen
- Originalpublikation
N. S. Mueller, A. P. Fellows, B. John, et al., Full Crystallographic Imaging of Hexagonal Boron Nitride Monolayers with Phonon-Enhanced Sum-Frequency Microscopy, Adv. Mater., e10124, online 20. November 2025; DOI: 10.1002/adma.202510124 - Nonlinear Interfacial Spectroscopy (Research Group Martin Thämer), Department of Physical Chemistry, Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft, Berlin
- Lattice Dynamics (Research Group Alexander Paarmann), Department of Physical Chemistry, Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft, Berlin
Anbieter
Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-GesellschaftFaradayweg 4–6
14195 Berlin
Deutschland
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