Neues Verfahren für doppelseitige Dünnschichtsolarzellen
Kühlere Produktion lässt Wirkungsgrade bifazialer CIGS-Solarzellen deutlich steigen.
Bifaziale Dünnschichtsolarzellen auf der Basis von Kupfer-Indium-Gallium-Diselenid (CIGS) fangen Sonnenenergie sowohl auf der Vorder- als auch auf der Rückseite ein – und erzeugen so potenziell mehr Solarstrom als herkömmlichen Solarzellen. Bislang hat ihre Herstellung jedoch nur relativ tiefe Wirkungsgrade bei der Energieumwandlung erlaubt. Ein Team der Empa in der Schweiz hat nun einen neuen Tieftemperatur-Produktionsprozess entwickelt, der Rekord-Wirkungsgrade von 19,8 Prozent für die Vorderseite und 10,9 Prozent für die Rückseite ermöglicht. Zudem haben sie die erste bifaziale Perowskit-CIGS-Tandemsolarzelle hergestellt, was weit höhere Energieerträge ermöglichen könnte.
Mögliche Anwendungen bifazialer Solarzellen sind zum Beispiel gebäudeintegrierte Photovoltaik, Agrivoltaik und vertikal installierte Solarmodule auf hochgelegenen Flächen, etwa im Gebirge. Laut „International Technology Roadmap of Photovoltaics“ könnten bifaziale Solarzellen bis 2030 einen Marktanteil von siebzig Prozent des gesamten Photovoltaikmarktes erobern. Obwohl bifaziale Solarzellen auf der Basis von Siliziumwafern bereits auf dem Markt sind, hinken Dünnschichtsolarzellen bisher hinterher. Dies ist zumindest teilweise auf den eher geringen Wirkungsgrad bifazialer CIGS-Dünnschichtsolarzellen zurückzuführen, der mit dem Aufbau der Solarzelle zusammenhängt: Damit eine bifaziale Solarzelle das reflektierte Sonnenlicht auf ihrer Rückseite aufnehmen und in Strom umwandeln kann, muss der rückseitige elektrische Kontakt optisch transparent sein. Dies wird durch die Verwendung eines transparenten leitfähigen Oxids erreicht, das den normalerweise lichtundurchlässigen Rückseitenkontakt in konventionellen Solarzellen aus Molybdän ersetzt.
Doch hocheffiziente CIGS-Solarzellen werden in der Regel in einem Hochtemperatur-Abscheideverfahren hergestellt, also bei Temperaturen über 550 Grad. Bei diesen Temperaturen kommt es jedoch zu einer chemischen Reaktion zwischen dem Gallium und dem Sauerstoff des transparenten Rückkontakts. Die daraus resultierende Galliumoxid-Grenzschicht blockiert den Fluss des Solarstroms und verringert somit die Energieumwandlungseffizienz der Zelle. Die höchsten bisher in einer einzelnen Zelle erreichten Werte liegen bei neun Prozent für die Vorderseite und 7.1 Prozent für die Rückseite. „Es ist wirklich schwierig, eine gute Energieumwandlungseffizienz für Solarzellen mit transparenten leitenden Kontakten sowohl auf der Vorder- wie auch auf der Rückseite zu erreichen“, sagt Ayodhya N. Tiwari, Leiter des Empa-Labors für Dünnschicht und Photovoltaik.
Deshalb hat der Doktorand Shih-Chi Yang in der Forschungsgruppe von Romain Carron in Tiwaris Labor einen neuen Niedertemperatur-Abscheidungsprozess entwickelt, bei dem deutlich weniger des unerwünschten Galliumoxids entstehen sollte – im Idealfall gar keines. Die Forscher fügten eine winzige Menge Silber hinzu, um den Schmelzpunkt der CIGS-Legierung zu senken und Lichtabsorberschichten mit guten elektronischen Eigenschaften bei gerade einmal 350 Grad Abscheidungstemperatur zu erhalten. Und tatsächlich: Als sie die Mehrschichtstruktur mit hochauflösender Transmissionselektronenmikroskopie analysierten, konnte das Team keinerlei Galliumoxid an der Grenzfläche detektieren. Dies schlug sich auch in der drastisch verbesserten Energieumwandlungseffizienz nieder, die vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme in Freiburg unabhängig bestätigt wurden.
Darüber hinaus gelang es dem Team erstmals, eine bifaziale CIGS-Solarzelle auf einem flexiblen Polymersubstrat herzustellen, die aufgrund ihres geringen Gewichts und ihrer Flexibilität das Spektrum möglicher Anwendungen erheblich erweitert. Und schließlich kombinierten die Forscher zwei Photovoltaik-Technologien – CIGS- und Perowskit-Solarzellen – zu einer bifazialen Tandemzelle. Laut Tiwari hat die bifaziale CIGS-Technologie das Potenzial, Wirkungsgrade von über 33 Prozent zu erzielen, was weitere Möglichkeiten für Dünnschichtsolarzellen in der Zukunft eröffnet. Tiwari gleist derzeit eine Zusammenarbeit mit wichtigen Labors und Unternehmen in ganz Europa auf, um die Entwicklung der Technologie und ihre industrielle Herstellbarkeit in größerem Maßstab voranzutreiben.
Empa / JOL
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
S.-C. Yang et al.: Efficiency boost of bifacial Cu(In,Ga)Se2 thin-film solar cells for flexible and tandem applications with silver-assisted low-temperature process, Nat. Energy, online 21. November 2022; DOI: 10.1038/s41560-022-01157-9 - Labor für Dünnschicht und Photovoltaik, Empa, Dübendorf, Schweiz