Neuromorphe Schaltkreise aus Plastik
Nichtflüchtige Speicher- und Rechenmodule für neuronale Netze.
Memristoren bilden eine noch junge Klasse elektronischer Schaltelemente, die gleichzeitig Daten berechnen und speichern können. Vor zehn Jahren erstmals entwickelt, sollen sie die Basis für neuronale Netze für komplexe Rechenoperationen ähnlich wie im menschlichen Gehirn legen. Eine Alternative zu den bisher konzipierten Memristoren entwickelten nun Alberto Salleo und seine Kollegen von der Stanford University in den USA. Aufgebaut aus günstigen, halbleitenden Kunststoffschichten zeigte ein erster Prototyp ein spezifisches elektrochemisches Verhalten, das Ähnlichkeiten zur Funktion von natürlichen Synapsen – den Schnittstellen zwischen Nervenzellen – aufwies.
Abb.: Prototyp einer künstlichen Synapse aus flexiblen Schichten halbleitender Kunststoffe. (Bild: A. Salleo et al., Stanford U.)
Für ihr erstes Modell einer künstlichen Synapse nutzten die Wissenschaftler halbleitende Kunststoffe aus der Klasse der Polythiophene und Polyethylenimin. Über ein Spin-
Schwache, positive Schaltspannungen verursachten einen Fluss von positiv geladenen Ionen. Dabei bildeten sich in den geschichteten Kunststofflagen binnen einiger Millisekunden bis zu fünfhundert verschiedene Ladungszustände aus. In Folge kam es zu nichtflüchtigen Veränderung der Leitfähigkeit. Mit negativen Spannungspulsen ließ sich dieser Prozess umkehren. Dadurch entstanden Areale mit unterschiedlicher Leitfähigkeit, die jeweils für die nichtflüchtige Speicherung digitaler Basiswerte 0 und 1 geeignet waren.
Dieser reversible elektrochemische Prozess konnte ähnlich wie in einem Transistor zum Schalten verschiedener Zustände genutzt werden. Salleo und Kollegen sehen darin Parallelen zur natürlichen Signalleitung über elektrische Synapsen im Gehirn. Diese verknüpfen die Ionenkanäle von jeweils zwei Nervenzellen, zwischen denen über einen Fluss von Ionen elektrische Signale weitergegeben werden. Analog verursachte die angelegte Spannung in den künstlichen Synapsen das Schalten zwischen den verschiedenen Ladungszuständen.
Abb.: Aufbau und Schaltprinzip der künstlichen Synapse aus hauchdünnen Kunststoffschichten. (Bild: A. Salleo et al., Stanford U.)
Herausragend war der geringe Energiebedarf für diese elektrochemischen Schaltprozesse. Mit Spannungen von knapp einem Volt rangierten die nötigen Energien in der Größenordnung von einigen Pikojoule. Damit lagen sie etwa ein Zehntel unter dem Energiebedarf von herkömmlichen elektronischen Schaltkreisen. Von der Effizienz des natürlichen Vorbilds – dem menschlichen Gehirn – sind die Forscher aber noch weit entfernt. Denn das Gehirn führt jede Sekunde etwa zehn Billionen Rechenoperationen durch und verbraucht dabei gerade einmal zwanzig Watt. Das ist nochmal gut 10.000 Mal weniger als im nun präsentierten Prototyp einer künstlichen Synapse.
So wird dieser grundlegend neue Ansatz für ein elektrochemisches Schaltmodul vorerst nicht zu einer neuen Klasse extrem effizienter neuronaler Netze führen. Vielmehr haben die Forscher neuronale Module im Blick, die mit intakten Nervenbahnen verknüpft werden könnten. Andere Versuche haben bereits gezeigt, dass sich auf solchen Kunststoffschichten lebende Nervenzellen kultivieren lassen. In Zukunft halten es Salleo und Kollegen sogar für möglich, komplexe Netze künstlicher Synapsen aus dreidimensional angeordneten Kunststoffschichten zu entwickeln. Diese könnten dann als Basis für vielseitige Schnittstellen zwischen Computer und Gehirn oder neuromorphe Rechner dienen.
Ob und wann damit die überragende Leistungsfähigkeit menschliche Gehirne nachgestellt werden kann, lässt sich heute nicht absehen. Zudem haben Memristoren aus nicht organischen Substanzen noch einen deutlichen Vorsprung. So konstruierten etwa Forscher von der University of California in Santa Barbara bereits ein nur wenige Mikrometer kleines Areal aus 24 sich kreuzenden Metallelektroden. An den Knotenpunkten berührten sich die Streifen aus Titan, Platin und Tantal nicht direkt, sondern wurden durch millionstel Millimeter dünne Schichten aus Titan- und Aluminiumoxid voneinander getrennt. Jeder Knoten bildete so jeweils einen Memristor, der in Abhängigkeit von kleinen Spannungspulsen seinen elektrischen Widerstand änderte. Mit diesem Aufbau konnten bereits einfache Rechenprozesse durchgeführt werden.
Jan Oliver Löfken
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RK