21.02.2017

Neuromorphe Schaltkreise aus Plastik

Nichtflüchtige Speicher- und Rechenmodule für neuronale Netze.

Memristoren bilden eine noch junge Klasse elektronischer Schalt­elemente, die gleich­zeitig Daten berechnen und speichern können. Vor zehn Jahren erst­mals entwickelt, sollen sie die Basis für neuro­nale Netze für komplexe Rechen­opera­tionen ähnlich wie im mensch­lichen Gehirn legen. Eine Alter­native zu den bisher konzi­pierten Memris­toren ent­wickelten nun Alberto Salleo und seine Kollegen von der Stan­ford Univer­sity in den USA. Aufge­baut aus günstigen, halb­lei­tenden Kunst­stoff­schichten zeigte ein erster Proto­typ ein spezi­fisches elektro­chemisches Verhalten, das Ähn­lich­keiten zur Funktion von natür­lichen Synapsen – den Schnitt­stellen zwischen Nerven­zellen – aufwies.

Abb.: Prototyp einer künstlichen Synapse aus flexiblen Schichten halb­lei­tender Kunst­stoffe. (Bild: A. Salleo et al., Stan­ford U.)

Für ihr erstes Modell einer künstlichen Synapse nutzten die Wissen­schaftler halb­lei­tende Kunst­stoffe aus der Klasse der Poly­thio­phene und Poly­ethyl­enimin. Über ein Spin-Coating-Verfahren depo­nierten sie diese Materi­alien in hauch­dünnen Schichten auf einer Unter­lage aus Glas, die sie zuvor mit einer fili­granen Struktur aus leit­fähigem Indium­zinn­oxid beschichtet hatten. Zwischen den Kunst­stoff­schichten diente eine Lage aus Salz­wasser als Elektrolyt.

Schwache, positive Schaltspannungen verursachten einen Fluss von positiv gela­denen Ionen. Dabei bildeten sich in den geschich­teten Kunst­stoff­lagen binnen einiger Milli­sekunden bis zu fünf­hundert verschie­dene Ladungs­zu­stände aus. In Folge kam es zu nicht­flüch­tigen Verän­derung der Leit­fähig­keit. Mit nega­tiven Spannungs­pulsen ließ sich dieser Prozess um­kehren. Dadurch ent­standen Areale mit unter­schied­licher Leit­fähig­keit, die jeweils für die nicht­flüchtige Spe­iche­rung digi­taler Basis­werte 0 und 1 geeignet waren.

Dieser reversible elektrochemische Prozess konnte ähnlich wie in einem Tran­sistor zum Schalten verschie­dener Zustände genutzt werden. Salleo und Kollegen sehen darin Paral­lelen zur natür­lichen Signal­leitung über elek­trische Synapsen im Gehirn. Diese ver­knüpfen die Ionen­kanäle von jeweils zwei Nerven­zellen, zwischen denen über einen Fluss von Ionen elek­trische Signale weiter­ge­geben werden. Analog verur­sachte die ange­legte Spannung in den künst­lichen Synapsen das Schalten zwischen den verschie­denen Ladungs­zu­ständen.

Abb.: Aufbau und Schaltprinzip der künstlichen Synapse aus hauch­dünnen Kunst­stoff­schichten. (Bild: A. Salleo et al., Stan­ford U.)

Herausragend war der geringe Energiebedarf für diese elektro­chemischen Schalt­prozesse. Mit Span­nungen von knapp einem Volt rangierten die nötigen Energien in der Größen­ordnung von einigen Piko­joule. Damit lagen sie etwa ein Zehntel unter dem Energie­bedarf von herkömm­lichen elektro­nischen Schalt­kreisen. Von der Effi­zienz des natür­lichen Vor­bilds – dem mensch­lichen Gehirn – sind die Forscher aber noch weit entfernt. Denn das Gehirn führt jede Sekunde etwa zehn Billi­onen Rechen­opera­tionen durch und ver­braucht dabei gerade einmal zwanzig Watt. Das ist nochmal gut 10.000 Mal weniger als im nun präsen­tierten Proto­typ einer künst­lichen Synapse.

So wird dieser grundlegend neue Ansatz für ein elektrochemisches Schalt­modul vorerst nicht zu einer neuen Klasse extrem effi­zienter neuro­naler Netze führen. Viel­mehr haben die Forscher neuro­nale Module im Blick, die mit intakten Nerven­bahnen verknüpft werden könnten. Andere Versuche haben bereits gezeigt, dass sich auf solchen Kunst­stoff­schichten lebende Nerven­zellen kulti­vieren lassen. In Zukunft halten es Salleo und Kollegen sogar für möglich, komplexe Netze künst­licher Synapsen aus drei­dimen­sional ange­ord­neten Kunst­stoff­schichten zu entwickeln. Diese könnten dann als Basis für viel­seitige Schnitt­stellen zwischen Computer und Gehirn oder neuro­morphe Rechner dienen.

Ob und wann damit die überragende Leistungsfähigkeit menschliche Gehirne nach­ge­stellt werden kann, lässt sich heute nicht absehen. Zudem haben Memris­toren aus nicht orga­nischen Sub­stanzen noch einen deut­lichen Vor­sprung. So konstru­ierten etwa Forscher von der Univer­sity of Cali­fornia in Santa Barbara bereits ein nur wenige Mikro­meter kleines Areal aus 24 sich kreuzenden Metall­elek­troden. An den Knoten­punkten berührten sich die Streifen aus Titan, Platin und Tantal nicht direkt, sondern wurden durch million­stel Milli­meter dünne Schichten aus Titan- und Alumi­nium­oxid von­ein­ander getrennt. Jeder Knoten bildete so jeweils einen Mem­ristor, der in Abhän­gig­keit von kleinen Span­nungs­pulsen seinen elek­trischen Wider­stand änderte. Mit diesem Aufbau konnten bereits einfache Rechen­prozesse durch­ge­führt werden.

Jan Oliver Löfken

RK

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