07.04.2017

Neutrino-Experiment ohne Untergrund

GERDA-Experiment im Gran Sasso Massiv sucht den neutrino­losen doppelten Beta­zerfall.

Warum gibt es im Univer­sum mehr Materie als Anti­materie? Die Ursache dafür vermuten Physiker in den Eigen­schaften des Neutrinos: Die Elementar­teilchen könnten ihre eigenen Anti­teilchen sein und dann sollte ein extrem seltener radio­aktiver Zerfall existieren: der neutrinolose doppelte Beta­zerfall (0νββ). Bei der Suche nach diesem sehr speziellen Kernzerfall hat das GERDA Experiment einen sehr wichtigen Fortschritt erzielt: Die GERDA-Wissen­schaftler konnten die Anzahl an Stör­signalen so weit reduzieren, dass GERDA jetzt das erste Experiment auf diesem Gebiet ohne Stör­signale ist.

Abb.: Blick von unten in das GERDA-Experiment: Zu erkennen sind die Faserhülle des Flüssigargon-Vetos und der Kupferkopf, an dem die Aufhängung mit Germanium-Detektoren befestigt wird. (Bild: V. Wagner, GERDA)

Neutrinos sind sehr schwer nachzu­weisende Teilchen. Sie spielen eine wichtige Rolle in Prozessen in der Sonne, bei Supernova-Explo­sionen und der Entstehung der ersten Elemente im Universum. Die Erforschung ihrer Eigen­schaften hat unser Verständnis dieser Elementar­teilchen deutlich erweitert wie etwa die vier Nobel­preise für Neutrino-Forschung belegen. Eine grund­legende Frage ist allerdings noch offen: Sind Neutrinos Majorana-Teilchen, also ihre eigenen Anti­teilchen? In diesem Fall würde der 0νββ-Zerfall existieren. Die theo­retische Physik liefert dafür starke Argumente, und auch das Fehlen von Anti­materie im Universum ließe sich auf die Majorana-Natur des Neutrinos zurück­zuführen.

Der normale doppelte Beta­zerfall ist ein seltenes Ereignis. Dabei zerfallen zwei Neutronen gleichzeitig in zwei Protonen, zwei Elektronen und zwei Anti­neutrinos. Er wurde bei einigen Kernen wie Germanium-76 nachgewiesen, bei denen kein einfacher Beta-Zerfall möglich ist. Die Elektronen und Anti­neutrinos verlassen den Kern, wobei sich nur die Elektronen nachweisen lassen. Dagegen verlassen beim 0νββ-Zerfall keine Neutrinos den Kern und die Summe der Energien der Elektronen entspricht einem gut bekannten Wert. Dessen Messung ist der ent­scheidende Nachweis des 0νββ-Zerfalls.

Aufgrund der weit­reichenden Konse­quenzen für unser Verständnis der Elementar­teilchen und der Kosmo­logie gibt es weltweit rund ein Dutzend Experimente die mit unter­schiedlichen Techniken und Isotopen nach dem 0νββ-Zerfall suchen. Das GERDA-Experiment ist eines der führenden Experimente auf diesem Gebiet und wird von einem euro­päischen Forschungs­verbund durchgeführt. Es befindet sich im Untergrund­labor Laboratori Nazio­nali del Gran Sasso der ita­lienischen Forschungs­einrichtung INFN. GERDA arbeitet mit hoch­reinen Germanium­detektoren, die mit dem Isotop Germanium-76 angereichert sind. Germanium ist gleich­zeitig das Material für die Quelle des Zerfalls und für den Detektor zum Nachweis. Außerdem werden nur wenige zusätz­liche Materia­lien benötigt; das führt zu einem geringen Untergrund und einer hohen Nachweis­effizienz. Die ausge­zeichnete Energie­auflösung der Detektoren und die neuar­tigen experimen­tellen Techniken haben zu einer bisher uner­reichten Unter­drückung von Störer­eignissen geführt. Da die Halbwerts­zeit für den 0νββ-Zerfall um viele Größen­ordnungen größer ist als das Alter des Universums, ist die Reduzierung von Untergrund­ereignissen ent­scheidend für die Nachweis­empfindlich­keit des Experiments.

Die Germanium­detektoren werden in einem 64 Kubikmeter großen Behälter betrieben, der mit flüssigem Argon mit einer Temperatur von -186 Grad Celsius gefüllt ist. Dieser befindet sich in einem 590 Kubikmeter großen Tank mit hoch­reinem Wasser. Dieser Aufbau wird vom Bergmassiv des Gran Sasso vor kosmischer Strahlung abgeschirmt. Das verwendete Argon und Wasser eignen sich gut zur Abschirmung der natür­lichen Radio­aktivität der Umgebung. Aufgrund ihrer Reinheit tragen sie selbst nur gering­fügig zum Untergrund bei. Die Instrumen­tierung mit lichtempfind­lichen Detektoren in beiden Flüssig­keiten bietet weitere Möglich­keiten für die Identifizierung von Untergrund.

Mittels dieser Innova­tionen konnten Untergrund­ereignisse so weit reduziert werden, dass GERDA nun das erste Untergrund-freie Experiment auf diesem Gebiet ist. In den ersten fünf Monaten der Messlauf­zeit wurde kein 0νββ-Zerfall regis­triert, woraus sich eine neue untere Grenze für die Halbwerts­zeit des Zerfalls von 5×1025 Jahre ableiten lässt. Bis zum Ende der Messungen im Jahr 2019 sollte sich im entschei­denden Energie­bereich kein Untergrund­signal zeigen und sich die Messempfind­lichkeit auf 1026 Jahre erhöhen. GERDA ist somit bestens gerüstet, das Signal eines 0νββ-Zerfalls zu messen, das sich durch eine geringe Anzahl von Ereig­nissen im erwarteten Energie­bereich zeigen würde.

GERDA / JOL

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