14.11.2022

Neutronen-Spin-Uhren auf der Spur von dunkler Materie

Präzisionsexperiment schränkt den Spielraum für die Existenz von dunkler Materie deutlich ein.

Die sichtbare Materie reicht bei weitem nicht aus, um die Entwicklung und Bewegungen der Galaxien zu erklären. Dies legt die Vermutung nahe, dass es dort eine andere, bisher unbekannte Form von Masse gibt. Bereits 1933 schloss deshalb der Schweizer Physiker und Astronom Fritz Zwicky auf die Existenz von dunkler Materie. Dunkle Materie ist eine postulierte Form von Materie, die nicht direkt sichtbar ist, aber über die Gravitation wechsel­wirkt und dabei etwa fünfmal mehr Masse umfasst als die uns bekannte Materie. Nun ist es einem inter­nationalen Forschungsteam dank eines am Albert Einstein Center for Fundamental Physics (AEC) der Universität Bern entwickelten Präzisions­experiments gelungen, den Spielraum für die Existenz von dunkler Materie deutlich einzu­schränken. 

Abb.: Doktorand Ivo Schulthess neben einem Teil des Experiment­aufbaus in...
Abb.: Doktorand Ivo Schulthess neben einem Teil des Experiment­aufbaus in Bern. (Bild: zvg)

„Woraus dunkle Materie besteht, ist noch völlig unklar“, erläutert Ivo Schulthess, Doktorand am AEC. Sicher sei aber, dass sie nicht aus denselben Teilchen aufgebaut ist, aus denen die Sterne, unsere Erde oder wir selbst bestehen. Weltweit wird mit immer sensitiveren Experimenten und Methoden nach möglichen dunklen Materie­teilchen gesucht – bis heute jedoch ohne Erfolg. Eine vielver­sprechende Kategorie von Kandidaten für dunkle Materieteilchen bilden bestimmte hypothetische Elementar­teilchen, die Axionen. Ein wichtiger Vorteil dieser extrem leichten Teilchen ist, dass sie gleichzeitig weitere wichtige, bisher unver­standene Phänomene der Teilchen­physik erklären könnten.

„Unserem Team ist es gelungen, dank lang­jähriger Expertise eine extrem empfindliche Mess­apparatur zu konzipieren und zu bauen – das Beam EDM Experiment“, erklärt Florian Piegsa vom AEC. Falls die schwer fassbaren Axionen tatsächlich existieren, so sollten sie eine charak­teristische Signatur in der Berner Mess­apparatur hinterlassen. „Mit unserem Experiment lässt sich die Drehfrequenz von Neutronen-Spins bestimmen, welche sich durch eine Überlagerung von elektrischen und magnetischen Feldern bewegen“, erklärt Schulthess. „Diese Drehfrequenz haben wir permanent genau gemessen und nach kleinsten periodischen Fluk­tuationen untersucht, welche durch die Wechsel­wirkung mit den Axionen hervorgerufen werden würden“, erklärt Piegsa. Die Ergebnisse des Experiments waren eindeutig: „Die Drehfrequenz der Neutronen blieb unverändert, was bedeutet, dass es in unserer Messung keinen Hinweis auf Axionen gibt“, so Piegsa.

Durch diese Messungen, welche zusammen mit Forschenden aus Frankreich an der Europäischen Forschungs­neutronenquelle des Instituts Laue-Langevin durchgeführt wurden, konnte ein bisher komplett unerforschter Parameter­bereich der Axionen experimentell ausgeschlossen werden. Dabei konnte nach hypothetischen Axionen gesucht werden, welche mehr als eintausendmal schwerer wären, als dies bislang mit anderen Experi­menten möglich war. „Obwohl die Existenz dieser Teilchen auch weiterhin mysteriös bleibt, konnten wir erfolgreich einen wichtigen Parameter­raum der dunklen Materie eingrenzen“, bilanziert Schulthess. Zukünftige Experimente können nun auf dieser Arbeit aufbauen. „Die endgültige Beantwortung der Frage nach der dunklen Materie würde uns einen bedeut­samen Einblick in die Grundlagen der Natur ermöglichen und uns einen großen Schritt näher an ein vollständiges Verständnis des Universums bringen“, so Piegsa.

U. Bern / JOL

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