Galektine binden sich über die Kohlenhydrate auf ihren Oberflächen an zuckerbindende Proteine. Dadurch haben sie Auswirkungen auf eine Reihe von Zellprozessen im Zusammenhang mit verschiedenen Krankheiten, darunter Herzerkrankungen und Brustkrebs. Das Verständnis, wie Galektine verschiedene Zucker voneinander unterscheiden und sich an sie binden, kann das Design neuer Moleküle unterstützen, die als Inhibitoren agieren. Forscher beginnen jedoch erst, sich ein vollständiges Bild der daran beteiligten Bindungsmuster zu verschaffen. Die Einzelheiten der Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Zuckermolekülen und dem Protein sind bisher noch nicht ausreichend aufgeklärt. Detaillierte Kenntnisse der Wasserstoffbindungs-Netzwerke in den Protein-Zucker-Komplexen sind der Schlüssel für die Entwicklung neuer und effektiver Galektin-Inhibitoren. In einem Gemeinschaftsprojekt arbeiten Experten in der Neutronen- und Röntgenkristallographie aus Europa und den USA zusammen, um die Wasserstoffbindungs-Netzwerke für die C-terminale Kohlenhydrat-Erkennungsdomäne von Galektin-3 detailliert zu bestimmen.
Abb.: Wasserstoffbindungen zu Laktose in der C-terminalen Kohlenhydrat-Erkennungsdomäne von Galectin-3, bestimmt mit Neutronen-Kristallographie. Die Bindungen sind hier durch hellblaue gestrichelte Linien dargestellt. (Bild: ILL)
Bisher basierte ein großer Teil unseres Verständnisses dieser Bindungsprozesse auf Mutmaßungen, da es aufgrund der schwachen Streuung an Wasserstoffatomen sehr schwierig ist, die Positionen von Wasserstoffatomen mittels Röntgenbeugung zu bestimmen. Selbst in extrem hochauflösenden Röntgenkristallographie-Experimenten kann nur etwa die Hälfte der am meisten geordneten Wasserstoffatome beobachtet werden. Im Gegensatz dazu ist Neutronenkristallographie eine ideale Methode, um die Positionen von Wasserstoffatomen und damit auch die Geometrie von Wasserstoffbindungen festzustellen, da Wasserstoffatome Neutronen in etwa der gleichen Größenordnung streuen wie die anderen Elemente eines Proteins, also Kohlenstoff, Stickstoff, Sauerstoff und Schwefel. Daher werden die Positionen von Wasserstoffatomen über Neutronenbeugung direkt bestimmt und sie müssen nicht wie bei der Röntgenkristallographie aus den Positionen schwererer Atome abgeleitet werden.
Die Arbeit des Teams zeigt, dass Neutronenkristallographie die Positionen der Wasserstoffatome und der Wasserstoffbindungs-Netzwerke aufdecken kann, was selbst bei mittleren Auflösungen zu einem besseren Verständnis der Bindungsinteraktionen führt. Zusätzlich konnten durch Bestimmung der Neutronenstruktur der zuckerfreien Form von Galektin-3C die Positionen und Orientierungen der Wassermoleküle an der Bindungsstelle vor der Bindung ermittelt werden. Durch einen Vergleich der zuckerfreien und der zuckergebundenen Strukturen konnten die Forscher daher beobachten, wie die Wechselwirkungen sich durch die Bindung ändern, und ein besseres Verständnis der Rolle von Wasser im Bildungsprozess erlangen.
„Neutronenkristallographie ist eine leistungsfähige Technik ergänzend zur Röntgenkristallographie, da sie Einzelheiten zur Position von Wasserstoffatomen aufdeckt, die in der Regel mit Röntgenstrahlen allein nicht erkannt werden können“, sagt Matthew Blakeley vom Institut Laue-Langevin. „Die Kombination der Informationen aus beiden Methoden liefert uns daher das detaillierteste Bild, das heute möglich ist.“ Und sein Kollege Derek Logan, von der Universität Lund ergänzt: „Dieses Experiment hat bestätigt, dass es richtig war, sich bei der Entwicklung von Galektin-Inhibitoren auf aus Zucker abgeleitete Moleküle zu konzentrieren, da die Wechselwirkungen, die wir sehen, mit anderen molekularen Formen nur schwer zu imitieren wären. Mit dieser Bestätigung sind wir jetzt in einer wesentlich besseren Position, um die wichtigen Bindungsinteraktionen vorherzusagen und auf diese Weise unsere Kollegen in der Pharmazeutik bei der Entwicklung neuer Medikamente zu unterstützen.“
ILL / RK