Neutronenstern mit langem Atem
Die magnetischen Pole des Krebsnebel-Pulsars wandern Richtung Äquator und halten die Rotation länger aufrecht.
Pulsare sind schnell rotierende Neutronensterne mit starken Magnetfeldern. Das wohl bekannteste Beispiel ist der Pulsar im Krebsnebel, Überrest einer Supernova, die im Jahr 1054 am Himmel aufleuchtete. Er sendet dreißigmal pro Sekunde einen Strahlungspuls aus, der vom Radio- bis zum Röntgenbereich reicht. Zusätzlich zum Hauptpuls zeigt der Krebsnebel-Pulsar im Radiobereich einen Zwischenpuls, der 145 Grad nach dem Hauptpuls folgt.
Abb.: Pulsare sind schnell rotierende Neutronensterne, deren magnetische Achse nicht mit der Rotationsachse (im Bild senkrecht) übereinstimmt. An den magnetischen Polen senden sie einen Strahlungskegel aus, der wie bei einem Leuchtturm durchs All wandert. (Bild: NASA)
Die Form der Strahlungspulse von Neutronenstern hängt von der exakten Struktur des Magnetfelds ab. So zeigen theoretische Modelle, dass der Abstand zwischen Haupt- und Zwischenpuls von der Inklination zwischen der Rotationsachse und der Achse des magnetischen Dipols abhängt. Andrew Lyne von der University of Manchester und seine Kollegen haben nach Veränderungen des Pulsprofils beim Krebsnebel-Pulsar gesucht, um so Informationen über eine etwaige Evolution des Magnetfelds zu erhalten. Dazu haben die Forscher 22 Jahre lang mit dem 13-Meter-Radioteleskop des Jodrell Bank Observatory qualitativ hochwertige Beobachtungsdaten gesammelt.
Das Team wurde fündig: Der Abstand zwischen Haupt- und Nebenpuls vergrößert sich um 0,62 ± 0,03 Grad pro Jahrhundert. Da dieser Abstand von der Inklination des Magnetfelds abhängt, schließen Lyne und seine Kollegen daraus auf eine entsprechende Wanderung der magnetischen Pole in Richtung auf den Äquator des Neutronensterns. Insgesamt hat sich die Neigung des Magnetfelds in der bisherigen Lebenszeit des Pulsars um sechs Grad vergrößert.
Das Ergebnis könnte ein Problem lösen, das den Astronomen seit langem Kopfzerbrechen bereitet: Die Rotation des Neutronensterns nimmt nicht so schnell ab, wie es die Theorie vorhersagt. Der sogenannte Bremsindex beträgt nämlich 2,5 statt 3,0. Wie Lyne und seine Kollegen ausführen, lässt sich diese Diskrepanz mit einem Kippen des Magnetfelds um 0,6 Grad pro Jahrhundert erklären – und das ist in bemerkenswert guter Übereinstimmung mit dem Wert, den die Forscher aus der Änderung des Pulsprofils erhalten haben.
Rainer Kayser
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