Neutronensterne am Limit
Einfache Formel beschreibt maximale Masse vor dem finalen Kollaps.
Neutronensterne gehören zu den kompaktesten Objekten im Universum. Ihr starkes Gravitationsfeld zieht unweigerlich immer mehr Masse an. Doch diesem Prozess sind Grenzen gesetzt. Ist eine kritische Masse erreicht, so kollabiert der Neutronenstern zu einem schwarzen Loch. Wie groß die Masse maximal werden darf, war eine seit Jahrzehnten offene Frage. Astrophysiker Uni Frankfurt haben jetzt eine einfache Formel dafür gefunden. Die Fliehkraft des rotierenden Neutronensterns kann eine Weile die zunehmende Gravitationskraft kompensieren. Dabei muss sich der Stern umso schneller drehen, je mehr Masse er anhäuft, bis er schließlich auseinander bricht. Somit ist die absolute Obergrenze für die Masse eines Neutronensterns durch die maximale Masse bei schnellstmöglicher Rotation gegeben.
Abb.: Simulation der Gravitationswellen von einem kollabierenden Neutronenstern. (Bild: L. Rezzolla, U. Frankfurt)
Diese Masse aus Grundprinzipien zu berechnen, ist jedoch nicht möglich, weil die Zustandsgleichung, die Auskunft über Temperatur- und Druckverhältnisse der Elemente im Stern gibt, unbekannt ist. Doch die Forscher fanden für dieses Problem eine elegante Lösung: Wie sie zeigen, lässt sich die maximale Masse eines schnell rotierenden Neutronensterns aus der maximalen Masse der entsprechenden nichtrotierenden Konfiguration ableiten.
„Es ist erstaunlich, dass sich ein komplexes System wie ein rotierender Neutronenstern durch eine so einfache Relation beschreiben lässt“, erklärt Luciano Rezzolla. „Wir wissen jetzt, dass der Neutronenstern durch schnellstmögliche Rotation höchstens zwanzig Prozent seiner maximalen nichtrotierenden Masse zulegen kann.“ Rezolla, Professor für Theoretische Astrophysik, und Masterstudentin Cosima Breu haben Zehntausende Modelle für Neutronensterne berechnet. Ausschlaggebend für ihre Entdeckung war, dass sie die Daten unter dem richtigen Blickwinkel betrachteten: Sie fanden eine Normierung, dank der sich die Neutronensterne unabhängig von ihrer Zustandsgleichung auf universelle Weise beschreiben lassen.
Das universelle Verhalten für die maximale Masse ist Teil einer größeren Klasse universeller Beziehungen, die kürzlich für Neutronensterne entdeckt wurden. In diesem Kontext haben die Forscher auch eine vereinfachte Form gefunden, das Trägheitsmoment eines rotierenden Neutronensterns in Abhängigkeit von seiner Kompaktheit auszudrücken. Sobald es gelingt, Trägheitsmomente experimentell an binären Pulsaren zu messen, wird es mithilfe dieser neuen Methode möglich sein, deren Radius mit einer Genauigkeit von zehn Prozent oder besser zu bestimmen.
Das einfache, aber grundlegende Ergebnis eröffnet die Möglichkeit, künftig mehr universelle Beziehungen in rotierenden Sternen aufzuspüren. „Wir hoffen, noch mehr ähnlich aufregende Ergebnisse zu finden, wenn wir das weitgehend unerforschte Gebiet der differentiell rotierenden Neutronensterne erkunden. Bei diesen Sternen rotiert die Masse im Zentrum schneller als die Oberfläche“, so Rezzolla.
GUF / RK