10.06.2020 • EnergieKernphysik

Nicht deklarierter nuklearer Unfall hat zivilen Hintergrund

Mysteriöse Wolke aus radioaktivem Ruthenium-106 zog 2017 über Europa.

Im Herbst des Jahres 2017 zog eine radioaktive Wolke von radio­aktivem Ruthenium-106 über Europa. Die Konzen­tra­tionen waren zwar nicht gesundheits­schädigend, aber immerhin rund hundert­mal höher als jene in der Wolke, die nach Fukushima über Europa zog. Da bislang keine Regierung die Verantwortung über­nommen hat, konnte auch ein militä­rischer Hinter­grund nicht gänzlich ausge­schlossen werden. Doch wie Wissen­schaftler der Univer­sitäten Hannover und Münster konnten jetzt zeigen konnten, stammt die Wolke aus zivilen nuklearen Tätig­keiten und hatte keinen militä­rischen Hinter­grund.

Abb.: Mithilfe solcher Luftfilter führten die Wissenschaftler die...
Abb.: Mithilfe solcher Luftfilter führten die Wissenschaftler die Isotopenmessungen durch. (Bild: D. Zok, LUH)

Eine Unterscheidung von zivilen oder militä­rischen Quellen ist allein mit Radio­aktivitäts­messungen nicht möglich. Dem Forscherteam gelang es jedoch erstmals, die zusammen mit dem radio­aktiven Ruthenium frei­ge­setzten stabilen Ruthenium-Isotope in Luftfiltern zu quanti­fi­zieren und in die Gesamt­betrachtung einzu­binden.

„Normalerweise messen wir Ruthenium-Isotope, um die Entstehungs­geschichte der Erde zu erforschen", erläutert Thorsten Kleine von der Uni Münster. Doch die für die Planeto­logie entwickelten Methoden eigneten sich auch für dieses Rätsel. Die besondere Heraus­forderung lag darin, dass die Mengen an Ruthenium aus nuklearem Hinter­grund in sehr geringen Mengen und zudem verdünnt mit natürlich vorkommendem stabilem Ruthenium vorlagen.

Durch exakte chemische Abtrennung der Ruthenium­fraktion aus den Luft­filtern und anschließenden massen­spektro­metrischen Hoch­präzisions­messungen gelang es, den Anteil an stabilem Ruthenium aus der nuklearen Quelle fassbar zu machen. Die Verhältnisse der einzelnen Ruthenium-Isotope entsprechen dem Finger­abdruck einer zivilen Quelle, konkret der Signatur von abgebranntem Kern­brenn­stoff aus einem Kern­kraftwerk. Ein schlüssiges Szenario für die Geschehnisse des Herbstes 2017 wäre demnach die Freisetzung von Ruthenium aus einer Wieder­auf­bereitungs­anlage für Kern­brenn­stoff. Ein militä­rischer Hinter­grund – die Produktion von waffen­fähigem Plutonium – kann hingegen ausge­schlossen werden.

Die hohe Präzision der Messungen ermögliche sogar noch weitere Schluss­folge­rungen, so Georg Stein­hauser von der Uni Hannover: „Der im Luft­filter gefundene Isotopen-Finger­abdruck zeigt keine Ähnlich­keit mit dem Kern­brenn­stoff von gängigen west­lichen Druck- oder Siede­wasser­reaktoren, ist jedoch konsistent mit der Isotopen­signatur bestimmter russischer Druck­wasser­reaktoren des Typs WWER, von denen weltweit etwa zwanzig in Betrieb sind."

LUH / WWU Münster / RK

Weiter Infos

Anbieter des Monats

Dr. Eberl MBE-Komponenten GmbH

Dr. Eberl MBE-Komponenten GmbH

Das Unternehmen wurde 1989 von Dr. Karl Eberl als Spin-off des Walter-Schottky-Instituts der Technischen Universität München gegründet und hat seinen Sitz in Weil der Stadt bei Stuttgart.

Veranstaltung

Spektral vernetzt zur Quantum Photonics in Erfurt

Spektral vernetzt zur Quantum Photonics in Erfurt

Die neue Kongressmesse für Quanten- und Photonik-Technologien bringt vom 13. bis 14. Mai 2025 internationale Spitzenforschung, Industrieakteure und Entscheidungsträger in der Messe Erfurt zusammen

Meist gelesen

Themen