19.03.2020

Optisch erzeugte Femtosekunden-Magnetpulse

Hohe Magnetfeldstärken dank geschickter Kombination von zwei Laserpulsen.

Starke Magnetfelder sind wichtige Werkzeuge – nicht nur in der Physik und in der Material­forschung, sondern zunehmend auch in anderen Zweigen der Wissenschaft und in der Medizin. In speziellen Magnetfeld-Laboren lassen sich heute sehr hohe Feldstärken erzielen. Allerdings reagieren die herkömmlichen, draht­umwickelten Solenoide zu langsam, um damit extrem schnelle magne­tische Phänomene verfolgen zu können. Gerade in der Atom-, Molekül und Festkörper­physik und bei zahlreichen Anwendungen neuer Materialien ist dagegen ein Verständnis sehr schneller magnetischer Prozesse auch bei hohen Feldstärken vonnöten.

Abb.: Trans­versales Profil des simu­lierten Laser­feldes. (Bild: S....
Abb.: Trans­versales Profil des simu­lierten Laser­feldes. (Bild: S. Sederberg et al.)

Konventionelle Solenoide erreichen zwar hohe Feldstärken, allerdings ist die Geschwin­digkeit begrenzt, mit der sich ihre Magnet­felder hochfahren lassen. Man erreicht zwar Schaltraten im Bereich von Mikrosekunden. Dies ist aber weit vom Femto­sekundenregime entfernt, in dem viele interessante elek­tronische Prozesse stattfinden. Ein Team kanadischer Wissenschaftler um Paul Corkum von der Universität Ottawa hat nun ein neues Konzept zur blitz­schnellen Erzeugung starker Magnetfelder vorgeschlagen, das auf Laserpulsen basiert und wesentlich schnellere Änderungsraten des Magnetfeldes ermöglicht. 

Die Idee hinter dem neuen Vorschlag basiert darauf, die Elektronen nicht in einem Draht kreisen zu lassen, sondern in einem Plasma. Frühere Studien, die auf dieser Idee beruhten, verlangten allerdings extreme Laser­feldstärken, die nur in den wenigen Hoch­leistungs-Laserzentren weltweit möglich sind. Der Vorschlag von Corkum und Kollegen hingegen erfordert nur mäßige Laserleistungen mit Pulsenergien im Bereich einiger Mikrojoule, wie sie auch in Universitäts­laboren gebräuchlich sind. Frühere Konzepte gingen von einem Vortex-Laserstrahl aus, bei dem jedes einzelne Photon einen Drehimpuls in sich trägt, den er auf die Elektronen des Target-Materials überträgt. Das neue Konzept sieht hingegen einen azi­muthalen Laserstrahl vor, bei dem die elektrischen Feldlinien einen Kreis um die Strahlachse bilden. Dabei ist die Feldstärke in einem ringförmigen Bereich um diese Achse am stärksten. 

Wenn nun ein Elektron durch einen solchen Puls aus seinem Atom heraus­geschlagen wird, würde es vom oszillierenden Feld hin und her beschleunigt. Um stattdessen eine Kreisbahn zu erzwingen, muss noch ein zweites Laserfeld doppelter Frequenz überlagert werden, das mit einer passenden Phasen­verschiebung versehen ist. Die erzwungene Kreis­bewegung der Elektronen führt dann zu einem Magnetfeld in Richtung des Laserstrahls. Nach den Berechnungen sollten Feldstärken bis hin zu 8,4 Tesla möglich sein, die innerhalb einer extrem kurzen Zeitspanne von nur fünfzig Femtosekunden erreicht werden. Dabei sind nicht einmal übermäßig scharfe Fokussierungs­bedingungen notwendig, und für den Aufbau sollte ein Laser im mittleren Infrarot und atomarer Wasserstoff oder Helium als Target ausreichen. Die Simulations­verfahren, die die Wissenschaftler hierzu einsetzten, sind gut erprobt. Solche Methoden werden etwa bei Computer­simulationen eingesetzt, mit denen man die Erzeugung von Terahertz­strahlen nachbildet. 

Mit rein optischen Mitteln sollten sich also räumlich isolierte Magnet­felder erzeugen lassen, deren Feldstärke den Möglichkeiten in typischen Magnetfeld-Laboren entspricht. Bei diesen Feldstärken und entsprechend energie­reichen Laser­pulsen könnte eine Probe zerstört werden, die sich direkt am Strahlgang befindet. Wie die Forscher berichten, kann man eine Probe aber auch in sicherer Entfernung unterbringen und dennoch von den schnellen Magnetfeldern profitieren.

Die neue Methode zur Magnetfeld­erzeugung bietet sich zum Studium sehr unterschiedlicher Probleme an. Sie klingt einerseits interessant für die Entwicklung neuer magnetischer Datenträger. Andererseits könnte das Verfahren auch für schnell schaltbare magnetische Schalter für die Optoelektronik von Nutzen sein. Das magnetische Antwortverhalten solcher Materialien im Bereich von Femtosekunden zu verstehen, ist ein wichtiger Baustein bei der Entwicklung neuer elek­tronischer und optoelek­tronischer Komponenten. Die Forscher gehen davon aus, dass sich solche Magnetfelder auch für die Manipulation von Plasmastrahlen oder sogar für die Trägheits-Kernfusion eignen. Außerdem ließen sich damit magneto-optische Pump-Probe-Analysen bei Frequenzen im Terahertz­bereich durchführen.

Damit ist die Liste möglicher Anwendungen aber noch lange nicht erschöpft. Insbesondere für spektro­skopische Zwecke könnten sich solche schnellen Magnetfelder als praktisch erweisen. Spin­polarisierte Attosekunden-Elektronen­beugung oder magnetische Zirkular­dichroismus-Spektro­skopie mit hohen Harmonischen könnten eine zeitauf­gelöste Abbildung magnetfeld­induzierter Dynamiken liefern. Es bleibt abzuwarten, wie schnell sich das neue Konzept praktisch umsetzen lässt. Da die techno­logischen Anforderungen aber keine unüber­windlichen Hürden darstellen, darf man auf die experi­mentelle Realisierung gespannt sein.

Dirk Eidemüller

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