Optisch erzeugte Femtosekunden-Magnetpulse
Hohe Magnetfeldstärken dank geschickter Kombination von zwei Laserpulsen.
Starke Magnetfelder sind wichtige Werkzeuge – nicht nur in der Physik und in der Materialforschung, sondern zunehmend auch in anderen Zweigen der Wissenschaft und in der Medizin. In speziellen Magnetfeld-Laboren lassen sich heute sehr hohe Feldstärken erzielen. Allerdings reagieren die herkömmlichen, drahtumwickelten Solenoide zu langsam, um damit extrem schnelle magnetische Phänomene verfolgen zu können. Gerade in der Atom-, Molekül und Festkörperphysik und bei zahlreichen Anwendungen neuer Materialien ist dagegen ein Verständnis sehr schneller magnetischer Prozesse auch bei hohen Feldstärken vonnöten.
Konventionelle Solenoide erreichen zwar hohe Feldstärken, allerdings ist die Geschwindigkeit begrenzt, mit der sich ihre Magnetfelder hochfahren lassen. Man erreicht zwar Schaltraten im Bereich von Mikrosekunden. Dies ist aber weit vom Femtosekundenregime entfernt, in dem viele interessante elektronische Prozesse stattfinden. Ein Team kanadischer Wissenschaftler um Paul Corkum von der Universität Ottawa hat nun ein neues Konzept zur blitzschnellen Erzeugung starker Magnetfelder vorgeschlagen, das auf Laserpulsen basiert und wesentlich schnellere Änderungsraten des Magnetfeldes ermöglicht.
Die Idee hinter dem neuen Vorschlag basiert darauf, die Elektronen nicht in einem Draht kreisen zu lassen, sondern in einem Plasma. Frühere Studien, die auf dieser Idee beruhten, verlangten allerdings extreme Laserfeldstärken, die nur in den wenigen Hochleistungs-Laserzentren weltweit möglich sind. Der Vorschlag von Corkum und Kollegen hingegen erfordert nur mäßige Laserleistungen mit Pulsenergien im Bereich einiger Mikrojoule, wie sie auch in Universitätslaboren gebräuchlich sind. Frühere Konzepte gingen von einem Vortex-Laserstrahl aus, bei dem jedes einzelne Photon einen Drehimpuls in sich trägt, den er auf die Elektronen des Target-Materials überträgt. Das neue Konzept sieht hingegen einen azimuthalen Laserstrahl vor, bei dem die elektrischen Feldlinien einen Kreis um die Strahlachse bilden. Dabei ist die Feldstärke in einem ringförmigen Bereich um diese Achse am stärksten.
Wenn nun ein Elektron durch einen solchen Puls aus seinem Atom herausgeschlagen wird, würde es vom oszillierenden Feld hin und her beschleunigt. Um stattdessen eine Kreisbahn zu erzwingen, muss noch ein zweites Laserfeld doppelter Frequenz überlagert werden, das mit einer passenden Phasenverschiebung versehen ist. Die erzwungene Kreisbewegung der Elektronen führt dann zu einem Magnetfeld in Richtung des Laserstrahls. Nach den Berechnungen sollten Feldstärken bis hin zu 8,4 Tesla möglich sein, die innerhalb einer extrem kurzen Zeitspanne von nur fünfzig Femtosekunden erreicht werden. Dabei sind nicht einmal übermäßig scharfe Fokussierungsbedingungen notwendig, und für den Aufbau sollte ein Laser im mittleren Infrarot und atomarer Wasserstoff oder Helium als Target ausreichen. Die Simulationsverfahren, die die Wissenschaftler hierzu einsetzten, sind gut erprobt. Solche Methoden werden etwa bei Computersimulationen eingesetzt, mit denen man die Erzeugung von Terahertzstrahlen nachbildet.
Mit rein optischen Mitteln sollten sich also räumlich isolierte Magnetfelder erzeugen lassen, deren Feldstärke den Möglichkeiten in typischen Magnetfeld-Laboren entspricht. Bei diesen Feldstärken und entsprechend energiereichen Laserpulsen könnte eine Probe zerstört werden, die sich direkt am Strahlgang befindet. Wie die Forscher berichten, kann man eine Probe aber auch in sicherer Entfernung unterbringen und dennoch von den schnellen Magnetfeldern profitieren.
Die neue Methode zur Magnetfelderzeugung bietet sich zum Studium sehr unterschiedlicher Probleme an. Sie klingt einerseits interessant für die Entwicklung neuer magnetischer Datenträger. Andererseits könnte das Verfahren auch für schnell schaltbare magnetische Schalter für die Optoelektronik von Nutzen sein. Das magnetische Antwortverhalten solcher Materialien im Bereich von Femtosekunden zu verstehen, ist ein wichtiger Baustein bei der Entwicklung neuer elektronischer und optoelektronischer Komponenten. Die Forscher gehen davon aus, dass sich solche Magnetfelder auch für die Manipulation von Plasmastrahlen oder sogar für die Trägheits-Kernfusion eignen. Außerdem ließen sich damit magneto-optische Pump-Probe-Analysen bei Frequenzen im Terahertzbereich durchführen.
Damit ist die Liste möglicher Anwendungen aber noch lange nicht erschöpft. Insbesondere für spektroskopische Zwecke könnten sich solche schnellen Magnetfelder als praktisch erweisen. Spinpolarisierte Attosekunden-Elektronenbeugung oder magnetische Zirkulardichroismus-Spektroskopie mit hohen Harmonischen könnten eine zeitaufgelöste Abbildung magnetfeldinduzierter Dynamiken liefern. Es bleibt abzuwarten, wie schnell sich das neue Konzept praktisch umsetzen lässt. Da die technologischen Anforderungen aber keine unüberwindlichen Hürden darstellen, darf man auf die experimentelle Realisierung gespannt sein.
Dirk Eidemüller
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
S. Sederberg et al.: Tesla-Scale Terahertz Magnetic Impulses, Phys. Rev. X 10, 011063 (2020); DOI: 10.1103/PhysRevX.10.011063 - Attosecond Science (P. Corkum), University of Ottawa, Kanada
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