07.04.2016

Optische Flüstergalerie mit Handbremse

Verlangsamtes Licht erreicht Rekord­speicher­zeiten in dotierten Glas­kügelchen.

Wellen lassen sich in einem Medium geeigneter Geo­metrie mit geringen Verlusten über­tragen. Besonders effi­zient und da­durch auch für photo­nische Techno­logien inte­res­sant sind hier­für optische Flüster­galerien. Wer schon einmal in der Kuppel des Peters­doms oder einer ähnlichen kreis­förmigen Galerie gewesen ist, kennt den Effekt, der für diese Bezeich­nung ver­ant­wort­lich ist: Auch leise gespro­chene Worte lassen sich über­all ent­lang des Rundes gut ver­stehen, so­lange Sender und Em­pfänger nur nahe genug an der Wand stehen.

Abb.: Die Flüstergalerie ist mit spitz zu­lau­fen­den Glas­fasern an die Pump­laser an­ge­schlossen. (Bild: Y. Dumeige, U. Rennes)

Auch Lichtwellen lassen sich auf diese Weise sehr gut über­tragen und speichern. Optische Flüster­galerien haben in einigen Milli­meter großen Ein­kristall-Reso­na­toren bei Infra­rot­licht der Wellen­länge 1550 Nano­meter bereits Photon-Speicher­zeiten von etwa hundert Mikro­sekunden erreicht. Das ent­spricht einem Güte­faktor von 1011. Solch hohe Güte­faktoren stellen aller­dings höchste An­sprüche an die Rein­heit und Ober­flächen­glätte des Materials. Denn schon kleinste Un­rein­heiten führen zu ver­stärkter Streuung und Ab­sorp­tion und ver­mindern so die Speicher­zeit der Photonen. In glas­basierten Mikro­reso­na­toren liegt der der­zeitige Rekord-Güte­faktor etwas nied­riger bei etwa 1010. Die begren­zenden Effekte sind einer­seits durch die niemals ganz perfekte Kreis­form der Reso­na­toren bedingt und anderer­seits durch die Ab­sorption der Photonen im Material.

Ein Team französischer Forscher hat nun einen anderen Weg gewählt, um die Lebens­dauer von ge­spei­cherten Photonen zu ver­längern. Anstatt die Güte des Materials und seine Bear­beitung zu erhöhen, ver­lang­samten sie das Licht, indem sie ein hoch­gradig dis­persives Medium in den Reso­nator ein­brachten. „Wir redu­zieren die Gruppen­ge­schwin­dig­keit in der Mikro­kavität, um die effek­tive Strecke der Photonen zu ver­längern, was wiederum die Speicher­zeit deutlich erhöht”, sagt Yannick Dumeige von der Uni­versität Rennes.

Theoretische Arbeiten aus den letzten Jahren ließen er­warten, dass vor allem mit sel­tenen Erden dotierte Flüster­galerien sehr hohe Güte­faktoren er­mög­lichen sollten. Denn wenn es gelingt, die Gruppen­ge­schwin­dig­keit von Licht deut­lich zu ver­ringern, redu­ziert dies dem­ent­sprechend die Streu- und Ab­sorptions­ver­luste in den Reso­natoren. Die Wissen­schaftler der Uni Rennes und von zwei weiteren franzö­sischen Forschungs­instituten nutzten für ihre Expe­ri­mente kugel­förmige Mikro­reso­na­toren aus Glas, die mit Erbium-Ionen dotiert waren. Als Wellen­länge für ihre Versuche wählten die Forscher 1530 Nano­meter, weil hier die Erbium-Ionen ihre maxi­male Ab­sorption zeigen. Das Erbium erhöht dank Quanten­effekten den Gruppen­index des ein­ge­strahlten Infra­rot­lichtes enorm um das Millionen­fache – und folg­lich auch die Speicher­zeit für die Photonen. Die 95 Mikro­meter durch­messenden Glas­kügelchen fabri­zierten die Wissen­schaftler, indem sie Glas­pulver in einem Mikro­wellen-Plasma zusammen­backen ließen.

Die Glaskügelchen schlossen die Forscher dann über zwei Glas­fasern an den Pump­laser und die Aus­lese-Elek­tronik an. Wie ihre Versuche er­gaben, könnten sie dank des ge­bremsten Lichts Speicher­zeiten von bis zu 2,5 Milli­sekunden er­reichen. Den bis­herigen Rekord für die Speicher­dauer von Photonen in Flüster­galerie-Reso­na­toren von hundert Mikro­sekunden haben die franzö­sischen Wissen­schaftler damit gleich um den Faktor 25 über­troffen.Die Speicher­dauer ent­spricht einem Güte­faktor von 3 × 1012 und liegt rund zwei Größen­ordnungen über ver­gleich­baren Flüster­galerien, die ohne gebremste Photonen funk­tio­nieren.

Interessant an diesem Effekt ist nicht nur, dass er bei Raum­temperatur funktio­niert. Er erlaubt auch Fort­schritte, die mit her­kömmlichen Methoden immer schwie­riger werden. So müsste man, um ver­gleich­bare Güte­faktoren zu er­zielen, bei hoch­reinen, milli­meter­großen Ein­kristall-Reso­na­toren eine Ober­flächen-Rauheit von unter einem Viertel Nano­meter er­reichen. Solche hoch­präzisen Polier­techniken liegen zwar noch im Bereich des heute technisch Möglichen. Bei nur hundert Mikro­meter großen Reso­na­toren dürfte sie aber sogar nur unter einem Zwanzig­stel Nano­meter liegen.

Damit bieten sich solche Flüster­galerien mit gebremsten Licht für verschie­denste inte­grierte optische Schaltungen an: als Ver­zögerungs­schleife, optische Speicher oder hoch­selektive Filter für optische oder Mikro­wellen-Photonen. Die der­zeitige Arbeit ist aber noch Grund­lagen­forschung und vor allem ein Beweis für die Mach­bar­keit solcher Konzepte. Ins­besondere die Trennung von Pump­laser und Aus­lesung des Signals müsste noch ver­bessert werden, bevor solche Mikro­kavitäten in die Nähe der Ein­satz­reife ge­langen könnten. Hier gibt es jedoch Spiel­raum, denn die Trennung könnte räum­lich, zeit­lich oder auch spektral er­folgen. Dann aber könnten Flüster­galerien mit ge­bremstem Licht den Bau­kasten der Photonik be­reichern.

Dirk Eidemüller

RK

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