25.01.2017

Optische Pinzette enthüllt Geheimnis der Muskelkraft

Zwei Proteine sind für die Stabilität der Muskeln verant­wort­lich.

Der menschliche Körper ist eine Dauerbaustelle: Ständig werden Proteine abgebaut und durch neue ersetzt. Doch dieser stete Umbau beein­träch­tigt nicht die Funktion. Das Herz schlägt weiter, die Atmung bleibt nicht stehen, auf unsere Augen und Ohren können wir uns jeder­zeit ver­lassen. Wie es dem Körper gelingt, die Protein­stränge im Muskel zusammen­zu­halten, selbst wenn einzelne Bau­steine ersetzt werden, beschäf­tigt Matthias Rief von der TU München seit Jahren: „Es muss Kräfte geben, die die einzel­nen Ketten, die Fila­mente, stabi­li­sieren, sonst würde der Muskel aus­ein­ander­fallen. Doch ist es bisher nicht gelungen, die Ursache dieser Kräfte auf­zu­spüren.“ Zusammen mit seinem Team hat er jetzt das Geheim­nis des Zusam­men­halts der Muskeln mit­hilfe einer optischen Pinzette ent­schlüsselt.

Abb.: Optische Pinzette: Zwei Laser­strahlen halten winzige Glas­kügel­chen fest. Auf deren Ober­fläche ist der Protein­komplex fixiert. (Bild: M. Grison , TU München)

Zwei Proteine sind demnach verantwortlich dafür, dass sich Muskeln dehnen lassen ohne aus­ein­ander zu fallen. Eines davon ist das Titin, das längste Eiweiß des mensch­lichen Körpers, das andere ist α-Actinin, das über die Fähig­keit verfügt, das Titin im Muskel­gewebe zu ver­ankern. Das Wechsel­spiel zwischen diesen Proteinen konnten die Forscher mit Hilfe eines eigens dafür ent­wickelten Apparats studieren. Die optische Pinzette füllt einen zwanzig Quadrat­meter großen Raum – da gibt es Laser­quellen, Optiken, Kameras, Bild­schirme. Kern­stück der Anlage ist eine mit Flüssig­keit gefüllte Mess­kammer mit kleinen Glas­kügel­chen, an deren Ober­flächen die Proteine Tinin und α-Actinin haften. Zwei Laser­strahlen, welche die Mess­zelle durch­dringen, fangen jeweils ein Kügel­chen ein und halten es fest.

„Mit Hilfe der Laserstrahlen, können wir die Kügelchen zunächst soweit zusammen­bringen, dass sich die beiden Proteine ver­netzten“, erklärt Marco Grison, der in seiner Promo­tions­arbeit die Bindung zwischen den Muskel­bau­steinen erforscht. „Im zweiten Schritt vergrö­ßern wir den Abstand zwischen den Laser­strahlen und damit auch der Kügel­chen, bis die maximale Dehnung der Proteine erreicht ist. Aus diesem Abstand lässt sich dann die Bin­dungs­kraft zwischen dem Titin und dem α-Actinin errechnen.“

Fünf Piconewton hält die Proteinverbindung aus – das entspricht der Gewichts­kraft einer Billion­stel Tafel Schoko­lade. „Dieses Ergeb­nis hat uns sehr über­rascht“, so Rief. „Derart geringe Kräfte können einen Muskel eigent­lich nicht dauer­haft zusam­men­halten.“ Und doch ist die Protein-Verbin­dung der Schlüssel zum Ver­ständ­nis: Im Muskel wird jeder Titin-Strang von bis zu sieben α-Actinin-Proteinen gehalten. Das haben Struktur­bio­logen der Uni Wien, mit denen Rief und sein Team zusam­men­arbeiten, fest­ge­stellt. Damit erhöht sich die Kraft um das Sieben­fache. Genug, um das Herz schlagen zu lassen, und sogar noch neben­bei – bei laufen­dem Betrieb – einzelne Molekül­ketten abzu­bauen und durch neue zu ersetzen.

„In der Summe reichen die Bindungen aus, um den Muskel zu stabi­li­sieren“, erläutert Rief. „Das Protein-Netz­werk ist dabei nicht nur stabil, sondern auch hoch­dyna­misch. Unsere Messungen zeigen, dass sich die Proteine lösen, wenn man sie aus­ein­ander zieht. Sobald aber die Dehnung nach­lässt, finden sie wieder zuein­ander.“ Diese Affi­nität der Eiweiß­moleküle zuein­ander garan­tiere, dass der Muskel nicht reiße, sondern nach einer Dehnung wieder seine ursprüng­liche Form annehme. Die enge Verbin­dung zwischen den Proteinen ist dabei nicht auf das Herz beschränkt. Die Inter­aktion zwischen Titin und α-Actinin stabi­li­siert alle Muskeln, die gedehnt werden – gleich­gültig ob beim Atmen, Gehen, Greifen oder Lachen.

Eines Tages könnten auch Patienten von den Ergebnissen profi­tieren: „Die Grund­lagen­forschung schafft hier die Basis für ein Ver­ständ­nis von gene­tisch bedingten Krank­heiten wie Muskel­dystrophie und Herz­insuf­fi­zienz“, resü­miert Rief. „Das kann Medi­ziner und Pharma­ko­logen helfen, neue Thera­pien zu ent­wickeln.“

TUM / RK

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