15.01.2019

Optische Schrödinger-Katzen

Paradoxes Gedanken­experi­ment mit ver­schränktem Atom-Licht-Zustand reali­siert.

Bereits 1935 formulierte Erwin Schrödinger die paradoxen Eigen­schaften der Quanten­physik in einem Gedanken­experi­ment über eine Katze, die gleich­zeitig tot und lebendig ist. Seither denken Forscher darüber nach, wie sich solche Über­lage­rungs­zustände experi­men­tell reali­sieren lassen. Ein Team um Gerhard Rempe vom MPI für Quanten­optik hat jetzt eine optische Version des Experi­ments im Labor umge­setzt, bei der die Katze durch Licht­pulse dar­ge­stellt wird. Die Erkennt­nisse helfen, Licht­zu­stände besser kon­trol­lieren und sie in Zukunft für die Quanten­kommu­ni­ka­tion nutzen zu können.

Abb.: Ein Atom wird im Resonator zwischen zwei Spiegeln gefangen (links). Ein...
Abb.: Ein Atom wird im Resonator zwischen zwei Spiegeln gefangen (links). Ein Licht­puls, der am Reso­nator reflek­tiert wird, ist darauf­hin mit dem Atom ver­schränkt und kann als über­lagerter Katzen­zustand frei fliegen (rechts; Bild: B. Hacker, MPQ).

„Nach Schrödingers Idee kann ein mikroskopisches Teilchen, wie zum Beispiel ein Atom, sich gleich­zeitig in zwei unter­schied­lichen Zuständen befinden. Man spricht dann von Über­lage­rung. Wenn es zudem mit einem makro­sko­pischen Objekt ver­schränkt wird, kann es seine Über­lage­rung auch an dieses weiter­geben. Daraus ergibt sich das Beispiel von einer Katze, die in Abhän­gig­keit vom Zer­fall eines radio­aktiven Atoms zugleich lebendig und tot sein kann – eine Vor­stel­lung, die jeg­licher All­tags­erfah­rung wider­spricht“, erklärt Rempe.

Zur Realisierung des Gedankenexperiments im Labor bedienen sich Forscher ver­schie­dener Modell­systeme. Einen kon­kreten Vor­schlag, bei dem die Katze durch einen über­lagerten Licht­puls dar­ge­stellt wird, formu­lierten die beiden Theore­tiker Wang und Duan im Jahr 2005. Die erforder­lichen experi­men­tellen Techniken, insbe­son­dere geeig­nete Licht­resona­toren, wurden in den letzten Jahren in der Arbeits­gruppe von Rempe ent­wickelt.

Allerdings waren alle beteiligten Wissenschaftler skeptisch, ob sich diese quanten­mecha­nisch über­lagerten „Katzen­zustände“ mit der ent­wickelten Technik bereits ein­deutig her­stellen und nach­weisen lassen. Erst die Reduk­tion aller optischen Ver­luste in der Mess­appa­ratur brachte schließ­lich den Durch­bruch. Alle Messungen bestätigten die Vorher­sagen Schrödingers. Das Experi­ment ermög­licht es den Wissen­schaftlern, den Gültig­keits­bereich der Quanten­mechanik immer weiter zu testen und neue Tech­niken für die Quanten­kommu­ni­ka­tion zu ent­wickeln.

Das Labor am MPI für Quantenoptik ist mit einer Vakuum­kammer und hoch­genauen Lasern aus­ge­stattet, mit deren Hilfe die Wissen­schaftler ein ein­zelnes Atom iso­lieren können. Das Herz­stück ist ein optischer Reso­nator, dessen zwei Spiegel ein winziger Spalt von 0,5 Milli­meter trennt. Durch eine Reflek­tion am Reso­nator tritt Laser­licht mit einem darin gefan­genen Atom in Wechsel­wirkung und über­nimmt dessen Über­lage­rungs­eigen­schaften. Dabei ent­steht zunächst ein ver­schränkter Zustand zwischen dem Atom und dem davon­fliegen­den Licht­puls. Eine geeig­nete Messung am Atom bringt darauf­hin den Licht­puls in einen über­lagerten Zustand, ganz wie Schrödingers Katze. Eine Besonder­heit des Experi­ments ist, dass die ver­schränkten Zustände determi­nis­tisch erzeugt werden können. Das bedeutet, dass bei jedem ein­zelnen Ver­such auch ein Katzen­zustand ent­steht.

„Es ist uns gelungen, fliegende optische Katzenzustände herzu­stellen und zu zeigen, dass sie den Vorher­sagen der Quanten­mechanik ent­sprechen. Wir konnten somit beweisen, dass unsere Methode funktio­niert und weiter­hin unter­suchen, welche Para­meter ent­schei­dend sind“, fasst Team-Mitglied Stephan Welte zusammen. „In unserem Experi­ment können wir nicht nur einen bestimmten Katzen­zustand her­stellen, sondern beliebig viele mit unter­schied­lichen Phasen der Über­lage­rung – also quasi einen ganzen Zoo. Das könnte in Zukunft genutzt werden, um Quanten­infor­ma­tion zu kodieren“, fügt sein Kollege Bastian Hacker hinzu.

„Schrödingers Katze war ursprünglich in eine Kiste eingesperrt, um Wechsel­wirkungen mit der Umge­bung aus­zu­schließen. Optische Katzen­zustände, wie wir sie reali­siert haben, sind nicht in eine Kiste ein­ge­sperrt, sondern fliegen frei. Trotz­dem bleiben sie von ihrer Um­gebung iso­liert und können somit über weite Distanzen auf­recht erhalten bleiben. In Zukunft möchten wir mit dieser Techno­logie ganze Quanten­netz­werke auf­bauen, bei der fliegende optische Katzen Infor­ma­tion über­tragen“, ver­deut­licht Rempe die Bedeu­tung der Forschungs­leistung.

MPQ / RK

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