Optische Zentrifuge sortiert Spiegelmoleküle
Neues Verfahren kombiniert einen korkenzieherartigen Laserpuls mit einem elektrischen Feld.
Viele der molekularen Bausteine des Lebens gibt es in zwei spiegelbildlichen Versionen. Obwohl scheinbar identisch, können diese beiden Enantiomere ein völlig unterschiedliches chemisches Verhalten aufweisen – eine Tatsache, die große Auswirkungen auf unser tägliches Leben hat. Während beispielsweise eine Version der organischen Verbindung Carvon Minze ihren typischen Geruch verleiht, steckt ihr Spiegelbild in Kümmel. In Pharmakologie und Arzneimitteldesign kann es lebenswichtig sein, zwischen den beiden Enantiomeren zu unterscheiden und sie zu trennen. Während beispielsweise ein Enantiomer von Betablockern selektiv auf das Herz wirkt, wirkt das andere nur auf die Zellmembranen des Auges. Die Trennung von Spiegelmolekülen ist jedoch in der Regel kompliziert. Ein Forschungsteam am Desy, der Universität Hamburg und dem University College London hat jetzt einen neuen Ansatz entwickelt und damit zugleich einen theoretischen Rahmen für das Verständnis des Phänomens geschaffen.
„Traditionell war die chirale Analyse auf Flüssigkeiten beschränkt, aber wir erleben gerade einen starken Anstieg von Verfahren für die Gasphase, die eine weitaus höhere Empfindlichkeit bieten“, berichtet Andrey Yachmenev. „Die Möglichkeit, Gase fast bis zum absoluten Nullpunkt abzukühlen, erlaubt eine bessere Kontrolle der Probe, was wiederum hilft, die Enantiomere effizient zu trennen und eine höhere Ausbeute zu erzielen.“ Auch das neue Verfahren ist für Gase ausgelegt. Es basiert auf einem speziellen Laseraufbau, der als optische Zentrifuge bezeichnet wird. Darin regt ein korkenzieherförmiger Laserpuls Moleküle zu ultraschnellen Rotationen an. Die Moleküle rotieren bis zu eine Billion Mal pro Sekunde. In Kombination mit einem zusätzlichen elektrischen Feld wird der gesamte Aufbau chiral, so dass sich die beiden Enantiomere unterschiedlich verhalten. „Die Interaktion des Laserfeldes mit einem chiralen Molekül erzeugt einen Zustand, den wir feldinduziertes Diastereomer nennen“, sagt Desy-Forscher Emil Zak. Diastereomere sind verschiedene Konfigurationen derselben Verbindung, die jedoch keine Spiegelbildversionen voneinander sind.
Die unterschiedlichen Eigenschaften von Diastereomeren können nun genutzt werden, um die Enantiomere räumlich zu trennen. „Wichtig ist, dass unser Ansatz steuerbar ist und wir die Anreicherung eines Enantiomers erhöhen können, indem wir einfach die Zeitspanne ändern, in der die Moleküle mit dem Laserfeld interagieren", sagt Alec Owens vom University College London. Das Team hat die Wirksamkeit seines Verfahrens rechnerisch an der Verbindung Propylenoxid (C3H6O) überprüft, dem ersten chiralen Molekül, das außerhalb des Sonnensystems nachgewiesen wurde. Experimente bei Desy sollen die Methode nun praktisch testen. Dabei sollen auch elektrische Molekültrenner zum Einsatz kommen, die in Küppers „Controlled Molecule Imaging“-Gruppe am Center for Free-Electron Laser Science CFEL entwickelt worden sind.
„Die Manipulation chiraler Moleküle in der Gasphase befindet sich in einer spannenden Entwicklungsphase, sowohl für praktische Anwendungen in der Industrie als auch für neue Erkenntnisse über diesen sehr grundlegenden Aspekt der Natur“, betont Yachmenev. „Der Ursprung der Chiralität und der Händigkeit des Lebens ist eines der großen Geheimnisse der Natur, aber wir nähern uns allmählich einem tieferen und umfassenderen Verständnis.“
DESY / JOL
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
A. Yachmenev et al.: Field-Induced Diastereomers for Chiral Separation, Phys. Rev. Lett. 123, 243202 (2019); DOI: 10.1103/PhysRevLett.123.243202 - Controlled Molecule Imaging (J. Küpper), Center for Free-Electron Laser Science CFEL
Deutsches Elektronen-Synchrotron DESY, Hamburg