10.03.2011

Optischer Doppler-Effekt umgedreht

Photonischer Kristall mit negativem Brechungsindex vertauscht Rot- und Blauverschiebung.

Photonischer Kristall mit negativem Brechungsindex vertauscht Rot- und Blauverschiebung.

Künstliche Materialien mit negativem Brechungsindex scheinen die vertrauten Gesetze der Optik auf den Kopf zustellen. Lichtstrahlen werden falsch gebrochen, die Tscherenkow-Strahlung wird in die falsche Richtung abgegeben, und jetzt ist auch der Doppler-Effekt nicht mehr vor ihnen sicher: Bewegt sich eine Lichtquelle in einem solchen Material von uns fort, so erhöht sich ihre Frequenz statt sich zu verringern. Das haben jetzt chinesische Forscher erstmals mit infrarotem Licht gezeigt.

Abb.: Ein Vergleich der Frequenzen von Haupt- und Referenzstrahl bringt es an den Tag: Der bewegte photonische Kristall hat den Doppler-Effekt umgedreht. (Bild: Jiabi Chen et al., Nat. Photon.)

In einem Material mit negativem Brechungsindex weisen die Gruppen- und die Phasengeschwindigkeit einer Lichtwelle in entgegengesetzte Richtungen. Bewegt sich ein Lichtpuls vorwärts, so laufen die Orte konstanter Phase rückwärts. Die Wellen laufen also zur Lichtquelle hin. Wenn sich die Lichtquelle auf einen Beobachter zu bewegt, so kommt sie den Wellen entgegen. Daher ist die Lichtfrequenz an der Quelle höher als die vom Beobachter gemessene. Entfernt sich die Lichtquelle vom Beobachter, so flieht sie vor den auf sie zukommenden Lichtwellen. Die Lichtfrequenz an der Quelle ist dann niedriger als die vom Beobachter registrierte. In beiden Fällen hat sich der Doppler-Effekt umgedreht.

Diesen inversen Doppler-Effekt haben Min Gu von der Swinburne University of Technology und seine Kollegen an einem zweidimensionalen photonischen Kristall beobachtet, der die Form einer Raute mit 5 mm Seitenlänge hatte. Der Kristall bestand aus zahllosen 50 µm langen und 2 µm dicken Siliziumstäbchen, die in einem gegenseitigen Abstand von 5 µm wie Bäume in einer Baumschule regelmäßig angeordnet waren. Die Forscher haben berechnet, dass ihr Kristall für infrarotes Licht mit einer Wellenlänge zwischen 9,23 µm und 11,47 µm einen negativen Brechungsindex n hat.

Bei ihrem Experiment benutzten Min Gu und seine Mitarbeiter einen CO2-Laser mit einer Wellenlänge von 10,6 µm, für die der berechnete Brechungsindex n = -0,7 war. Sie überprüften dies, indem sie den Laserstrahl senkrecht durch eine Rautenseite in den Kristall einstrahlten, sodass er durch die benachbarte Rautenseite unter einem schrägen Winkel wieder austrat und auf einen Detektor traf. Dabei stellten sie fest, dass der austretende Strahl tatsächlich „falsch“ gebrochen wurde: Er lag auf der falschen Seite des Lotes.

Um den Doppler-Effekt hervorzurufen, setzten die Forscher den Kristall auf eine Plattform, die ihn mit einer Geschwindigkeit von einigen Hundertstelmillimeter pro Sekunde senkrecht zum einfallenden Strahl auf den Detektor zu bewegte. Dadurch verlängerte sich der Weg stetig, den der Strahl im Kristall zurücklegte, während sich sein Weg in der Luft verkürzte. Dies führte zu zwei unterschiedlichen Beiträgen zum Doppler-Effekte, die die Frequenz des Laserstrahls insgesamt erhöhten.

Allerdings war die vom Doppler-Effekt hervorgerufene Frequenzänderung zu klein, als dass man sie direkt hätte messen können. Die Forscher lösten das Problem dadurch, dass aus dem Laserstrahl mit einem Strahlteiler einen Referenzstrahl auskoppelten, den sie mit dem Strahl, der aus dem Kristall kam, interferieren und gemeinsam in den Detektor fallen ließen. Da die Frequenzen der beiden Strahlen durch den Doppler-Effekt verstimmt waren, trat ein Schwebungssignal auf, aus dem die Forscher die absolute Frequenzänderung des aus dem Kristall kommenden Strahls ermittelten.

Die geschickt gewählte Geometrie des Experiments ermöglichte eine Zerlegung der gemessenen absoluten Frequenzänderung in einen großen, positiven Teil, der unabhängig vom Brechungsindex n war, und in einen kleineren Teil, der proportional zu der vom bewegten Kristall hervorgerufenen Doppler-Frequenzänderung war. Auf diese Weise konnten die Forscher sowohl die Größe als auch das Vorzeichen der vom Kristall verursachten Frequenzänderung ermitteln. Obwohl sich der Weg des Strahls im Kristall stetig vergrößerte, hatte die Lichtfrequenz dort zugenommen. Der Doppler-Effekt war auf den Kopf gestellt worden.

Zur Kontrolle ließen die Forscher den Kristall mit verschiedenen Geschwindigkeiten bewegen und verglichen die jeweils gemessene Doppler-Frequenzänderung mit der berechneten. Die Ergebnisse stimmten gut überein. Ein Experiment mit einem Prisma aus Zinkselenid, das einen positiven Brechungsindex hat, ergab erwartungsgemäß keinen inversen Doppler-Effekt. Aus Materialien mit negativem Brechungsindex könnte man nicht nur perfekte Linsen und Tarnkappen herstellen sondern auch einen „Doppler-Umkehrer“, der falsche Bewegungsrichtungen vortäuscht. Wer weiß, wozu man den einmal gebrauchen kann.

Rainer Scharf

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