19.05.2016

Optischer Speicher mit allen Schikanen

Hybrides Perowskit unterstützt Lese-, Schreib- und Löschfunktion allein mit optischen Mitteln.

Auf der Suche nach Halbleitermaterialien, welche die Effizienz von Solarzellen deutlich steigern können, hat die Forschung schon seit einigen Jahren ein starkes Interesse an der Material­klasse der Perowskite. Im Fokus stehen dabei Metall-Halid-Perowskite, die sowohl organische als auch anorganische Verbindungen enthalten und deshalb als hybride Halbleiter bezeichnet werden. Mit solchen Halbleitern ist es bereits gelungen, in Solarzellen den Anteil der aus Licht­energie gewonnenen elektrischen Energie auf über zwanzig Prozent zu erhöhen.

Abb.: Die orthorhombische Kristallstruktur sendet orangenes Licht aus. Dessen Intensität wird gemindert, wenn durch einen Laserpuls eine tetragonale Struktur entsteht, die zusätzlich rotes Licht aussendet. (Bild: F. Panzer)

Forscher an der Universität Bayreuth haben nun herausgefunden, dass es sich noch in einer weiteren Hinsicht um viel­versprechende Materialien handelt. Ein aus Methyl­ammonium, Blei und Jod zusammengesetzter Perowskit erfüllt alle Voraus­setzungen für einen optischen Speicher, der nach dem Prinzip „schreiben – lesen – löschen“ („write – read – erase“) funktioniert. Dieser Effekt ist zwar nur bei sehr tiefen Temperaturen realisierbar. Gleichwohl ist die Bayreuther Forschungs­gruppe zuversichtlich, dass sich auf der Basis der neuen Erkenntnisse ein kosten­günstiger Hybrid­perowskit entwickeln lässt, den man bei deutlich höheren Temperaturen als komplett optischen Speicher einsetzen kann. Ein solcher Speicher würde ganz neue Möglich­keiten für die Daten­speicherung und -verarbeitung bieten.

Schon länger war bekannt, dass ein Perowskit aus Methyl­ammonium, Blei und Jod bei wechselnden Temperaturen seine Gestalt ändert. Oberhalb von 163 Kelvin besitzt er eine tetragonale Kristall­struktur. Mit rechten Winkeln und Kanten, die parallel verlaufen oder senkrecht aufeinander stehen, hat er die Form eines in die Länge gezogenen Würfels und ähnelt insofern einem kurzen, aufrecht stehenden Gebäude­pfeiler mit quadratischer Grund­fläche. Sobald die Temperatur jedoch weiter absinkt, nimmt der Perowskit eine orthorhombische Kristall­struktur an. Der Pfeiler besitzt dann keine quadratische Grund­fläche mehr, sondern eine dieser Kanten ändert gering­fügig ihre Länge. Dieser Übergang zwischen zwei Kristall­phasen hat Folgen für das Verhalten des Perowskits, wenn er mit Laserlicht bestrahlt wird.

Ein besonders interessanter Spezialfall ist hierbei die Super­lumineszenz (Amplified Spontaneous Emission, ASE). Hierbei löst ein Laserstrahl Ketten­reaktionen aus, bei denen sehr viele Elektronen nahezu zeitgleich in einen hohen Energiezustand geraten. Da die Elektronen dann auch wieder gemeinsam in den Grund­zustand zurückfallen, ist das Licht, das dabei ausgesendet wird, dementsprechend intensiv.

Beim Perowskit aus Methylammonium, Blei und Jod haben die Bayreuther Forscher dieses Phänomen in jeder der beiden Kristall­phasen beobachten können. Allerdings ist die Wellen­länge des emittierten Lichts verschieden. Wird der Kristall auf unter 163 Kelvin herabgekühlt, kann man Super­lumineszenz erzeugen, bei der infolge der etwas un­symmetrischen, ortho­rhombischen Struktur nur orange­farbenes Licht abgegeben wird. Bei höheren Temperaturen wird infolge der geradlinigen, tetra­gonalen Struktur nur rotes Licht emittiert, Super­lumineszenz mit anders­farbigem Licht ist nicht möglich.

Die Pointe der neuen Studie besteht darin, dass es dem Bayreuther Forschungs­team erstmals gelungen ist, beide Super­lumineszenz-Effekte auf kleinstem Raum zu kombinieren. Dafür wurden die Perowskit-Kristallkörner bei kälteren Temperaturen als 163 Kelvin für eine extrem kurze Zeit mit einem feinen, hoch­energetischen Laserstrahl beschossen. Wo der Laser­strahl auftrifft, und nur dort, tritt ein Phasenübergang ein. Es entstehen winzige, tetragonal strukturierte Inseln innerhalb einer größeren, weiterhin ortho­rhombisch strukturierten Umgebung. Sie bleiben erhalten, wenn der Laser­beschuss abrupt endet: Die Inseln befinden sich dann wie in einer Schockstarre.

So können die Kristallkörner nun in einen energetischen Zustand versetzt werden, durch den die beiden Super­lumineszenz-Effekte zeitgleich auftreten: Es wird nicht nur orangenes, sondern – räumlich davon klar unterscheidbar – auch rotes Licht abgestrahlt. Damit die Inseln wieder verschwinden, müssen die Kristall­körner einem Temperatur­wechsel oder erneut einer kurzen Laser­bestrahlung ausgesetzt werden. Erst dann nehmen sie wieder eine einheitliche ortho­rhombische Struktur an.

Damit sind im Prinzip alle Voraus­setzungen gegeben, um einen komplett optischen Speicher zu entwickeln. Die Erzeugung der tetragonal strukturierten Inseln ist, informations­technisch betrachtet, ein Schreib­prozess. Das Ergebnis wird durch rotes Licht ausgelesen. Es wird gelöscht, wenn die Kristalle in eine durchweg ortho­rhombische Struktur übergehen. Vor dem „Schreiben“ und nach dem „Löschen“ kann per Super­lumineszenz nur orangenes, kein rotes Licht erzeugt werden. Auf diese Weise ist es mithilfe des untersuchten Perowskits möglich, eine Vielzahl von Sequenzen zu erzeugen, in denen „0“-Zustände (nur orange) und „1“-Zustände (orange und rot) einander abwechseln. Dies alles geschieht auf einer Fläche von nur wenigen Nanometern.

So eröffnen sich spannende Perspektiven für eine Daten­speicherung und Daten­verarbeitung auf rein optischer Grundlage. Das Haupt­hindernis für industrielle Anwendungen sind allerdings noch die tiefen Temperaturen, bei denen der Wechsel zwischen den beiden Kristall­phasen auftritt. Ideal wäre ein Phasen­übergang unter normalen Raum­temperaturen. „In den letzten Jahren hat die anwendungs­orientierte Erforschung von Hybridperowskiten beeindruckende Fortschritte gemacht. Dass auf der Basis unserer neuen Ergebnisse in nicht allzu ferner Zukunft ein Funktions­material entwickelt wird, das den industriellen Anforderungen an einen komplett optischen Speicher gerecht wird – dafür gibt es eine durchaus realistische Chance“, meint die Bayreuther Physikerin Anna Köhler, die Koordinatorin der jetzt veröffentlichten Studie.

Die Studie ist aus einer breiten inter­disziplinären Zusammen­arbeit von sechs Forscher­gruppen auf dem Bayreuther Campus hervorgegangen. „Ohne diese Vernetzung von Experimental­physik, Makro­molekularer Chemie, Material- und Ingenieur­wissenschaften hätten wir diese spannenden Forschungs­ergebnisse nicht erzielen können“, meint Fabian Panzer, Physik-Doktorand und Erstautor der Studie. Er gab den entscheidenden Anstoß zu den Laser-Experimenten, die zu den schoc­kstarren Inseln innerhalb einer andersartigen Kristall­struktur geführt haben.

U. Bayreuth / DE

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