Optisches „Pendel“ für genaueste Atomuhren
Ein schwer anzuregender Übergang im Ytterbium-Ion ermöglicht eine extrem hohe Genauigkeit.
Je schneller eine Uhr tickt, desto genauer kann sie sein. Weil Lichtwellen schneller schwingen als Mikrowellen, können optische Uhren genauer sein als die Cäsium-Atomuhren, die derzeit weltweit die Zeit bestimmen. Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) arbeitet gleich an mehreren solcher optischen Uhren. Das Modell mit einem einzelnen, in einer Ionenfalle gefangenen Ytterbium-Ion bekommt jetzt einen weiteren Genauigkeitsschub. In der PTB ist es gelungen, einen quantenmechanisch „verbotenen“ Übergang dieses Ions anzuregen und extrem genau zu messen. Die darauf basierende optische Uhr ist auf 17 Stellen hinter dem Komma genau.
Abb.: Die Ionenfalle der Ytterbium-Uhr. (Bild: PTB)
Optische Übergänge sind das moderne Pendant zum Pendel einer mechanischen Uhr. Bei Atomuhren ist das „Pendel“ jene Strahlung, die den Übergang zwischen zwei atomaren Zuständen unterschiedlicher Energie anregt. Bei dem Experiment in der PTB haben die Wissenschaftler sich einem besonderen verbotenen Übergang gewidmet. Der angeregte Zustand kann dann sehr langlebig sein: Im untersuchten Fall beträgt die Lebensdauer des F-Zustands im Ytterbium-Ion Yb+ etwa sechs Jahre! Wegen dieser langen Lebensdauer lässt sich bei der Laseranregung dieses Zustands eine äußerst schmale Resonanz beobachten. Ihre Linienbreite hängt nur von der Qualität des verwendeten Lasers ab.
Eine schmale Resonanzlinie ist eine wichtige Voraussetzung für eine genaue optische Uhr. Am britischen National Physical Laboratory (NPL), dem Schwesterinstitut der PTB, ist bereits 1997 erstmalig die Laseranregung dieses Yb+-F-Zustands vom Grundzustand gelungen. Da der Übergang jedoch stark verboten ist, wird zu seiner Anregung eine relativ hohe Laserintensität benötigt. Dies stört die Elektronenstruktur des Ions insgesamt und führt zu einer Verschiebung der Resonanzfrequenz, sodass eine darauf basierende Atomuhr einen von der Laserintensität abhängigen Gang aufweisen würde.
In der PTB konnte jetzt gezeigt werden, dass sich durch abwechselnde Anregung des Ions mit zwei unterschiedlichen Laserintensitäten die unbeeinflusste Resonanzfrequenz sehr genau bestimmen lässt. Dadurch ist es möglich, andere in Atomuhren häufig auftretende Frequenzverschiebungen – beispielsweise durch elektrische Felder oder die Wärmestrahlung der Umgebung – zu untersuchen. Es zeigte sich, dass diese im Fall des Yb+-F-Zustands unerwartet klein sind, was auf die besondere elektronische Struktur des Zustands zurückzuführen ist. Das ist ein entscheidender Vorteil für die Weiterentwicklung dieser Atomuhr. Bei den Experimenten in der PTB wurde die relative Unsicherheit der Yb+-Frequenz mit 7 x 10-17 bestimmt. Dies entspricht einer Unsicherheit der Atomuhr von nur etwa 30 Sekunden über das Alter des Universums.
Beide Gruppen in NPL und PTB haben die Frequenz des Yb+-Übergangs mit ihren Cäsium-Uhren gemessen und die Ergebnisse stimmen im Rahmen der Unsicherheiten (1 x 10-15 bzw. 8 x 10-16), die im Wesentlichen von den Cäsium-Uhren bestimmt werden, überein. In einem kürzlich bewilligten Forschungsprojekt des European Metrology Research Programme werden beide Institute mit weiteren europäischen Partnern in Zukunft noch intensiver bei der Entwicklung dieser optischen Uhr zusammenarbeiten.
Beim Yb+-Ion ist von besonderem Interesse, dass es gleich zwei für optische Uhren geeignete Übergänge besitzt: Weniger stark verboten, aber ebenfalls sehr präzise lässt sich die Anregung des D-Niveaus bei 436 Nanometer Wellenlänge nutzen. Damit ergibt sich die Möglichkeit, durch Frequenzvergleiche der beiden Übergänge in einem Ion die Genauigkeit der optischen Uhr zu untersuchen, ohne Bezug auf eine Cäsium-Uhr nehmen zu müssen.
PTB / PH