16.12.2019 • OptikVakuum

Optoelektronische Systeme auf Dünnglas bald alltagstauglich

Wertschöpfungskette beginnt mit Vakuumbeschichtung.

Ausgeklügelt produzierte ultra­dünne Gläser sind bereits seit geraumer Zeit auf dem Markt. Sie sind dünner als Display­glas in Mobil­telefonen oder Lap­tops und können eine ganze Menge mehr. Durch ihre exzellenten Eigen­schaften, wie Bieg­samkeit, sehr glatte Ober­fläche oder Kratz­festigkeit sind sie auch als funktio­nale Ober­flächen in Möbeln oder Autos und als Substrat für optische Systeme sehr gut geeignet. Um neue Anwen­dungen kosten­effizient und markt­gerecht zu bedienen, hat sich jetzt ein Konsor­tium aus neun Industrie- und Forschungs­partnern gebildet, das im BMBF-geför­derten Projekt „KODOS – Konfekti­onierter Dünnglas-Verbund für opto­elektro­nische Systeme“ die Grund­lagen hierfür schafft.

Abb.: Flexibles Dünn­glas von der Rolle. (Bild: Fh-FEP)
Abb.: Flexibles Dünn­glas von der Rolle. (Bild: Fh-FEP)

So wird der Automobil­hersteller Volks­wagen die Anwen­dung von dünnen Gläsern als funktio­nale Dekor­oberflächen im Auto­mobil eva­luieren und quali­fizieren. Hierzu sollen im Projekt her­gestellte laminierte optische Grund­elemente auf ihre Belast­barkeit und Crash­sicherheit unter­sucht werden. Sie bilden die Eigen­schaften funktionaler Ober­flächen, wie zum Beispiel Beleuchtung, dekorative Symbolik und Touch­funktionen ab.

Die Deutschen Werk­stätten Hellerau werden Holz­ober­flächen mit dem Hightech-Material Dünnglas hochwertig versiegeln und Zusatz­funktionen, wie organische Leucht­dioden (OLED) oder Sensor­flächen, in Möbel integrieren.

Thomas Emde von Emde development of light und Konsortial­führer fasst zusammen: “Ziel des Vorhabens ist es, wirtschaftlich relevante Anwendungen für Dünnglas zu erforschen und zu entwickeln. So kann beispiels­weise die OLED-Technologie als Anzeige und Bedien­element in Kombination mit einer Touch-Funktionalität auf Basis von Dünnglas im Architektur-, Möbel-, Hausgeräte- und im Retail­Bereich eingesetzt werden. Die angestrebte Innovation besteht in der Kombination aus Beschichtung, Strukturierung, Kontaktierung und Lamination, sowie aus der Entwicklung eines produktions­tauglichen Übergangs von der prozessierten Rolle zum einbau­fertigen Halbzeug.“ Die Emde development of light wird im Projekt die Anforderungs­definitionen für eine Prozess­optimierung in den Bereichen Rolle-zu-Rolle und der OLED-Fertigung erstellen.

Alle genannten Schritte stellen – vor allem wegen der beson­deren mecha­nischen Eigen­schaften des Dünn­glases – eine hohe Heraus­forderung dar. lm Ergebnis des Projekts wird das Konsortium einen kompletten Bau­kasten an Funktions­werkstoffen, Halb­zeugen, Werk­zeugen und Techno­logien anbieten können.

Von Tesa werden für die Wert­schöpfungs­kette Ver­kapse­lungs­klebe­bänder für die dünn­glas­basierten organischen elektronischen Aufbauten bereitgestellt. Diese müssen eine erhöhte Lebens­dauer garantieren, um den hohen Klima­anforderungen der Auto­mobil­industrie gerecht zu werden. Darüber hinaus werden Technologien für vollflächige und partielle Direkt­beschich­tungen von Dünn­glas­folien mit funktionalen Schichten, wie Loch­injektions­schichten für OLED, elektrische Kontakte oder dekorative Drucke, erforscht.

Flabeg entwickelt wichtige Prozess­schritte, die nötig sind, um 3D-geformte, mit Touch-Funktion und Dekoration ausgestattete Dünn­glas­laminate mit Splitter­schutz­eigen­schaften als Einbauteile im Fahrzeug­innen­raum einsetzen zu können. Der Projekt­partner erforscht hierzu insbesondere den Heiß­form­prozess und das Laminieren ein- und zweiachsig gebogener dünner Gläser.

Im Projekt­konsortium zu entwickelnde dünn­glas­basierte Funktions­elemente sind im Projektverlauf eine wichtige Grund­lage für die spätere Integration in Anwendungen. Ein wesent­licher Prozess zu Beginn der Wert­schöpfungs­kette ist hierfür die Funktio­nalisierung der Glas­ober­flächen mittels PVD-Beschichtung.

Um wirt­schaftlich produzieren zu können, ist eine Ver­arbeitung des Dünn­glases in Rolle-zu-Rolle-PVD-Beschichtungs­anlagen am sinnvollsten. Der Anlagenbauer Von Ardenne hat im Projekt daher das Ziel, eine stabile, unterbrechungsfreie Prozessführung mit hoher Material­ausbeute sicher­zustellen und Qualitäts­kenngrößen zur Bewertung der Einsatz­tauglichkeit der gelie­ferten Dünnglas-Rollen zu entwickeln. Außer­dem sollen die Beschichtungs­prozesse und Kompo­nenten mit Schicht­funktio­nalitäten für nach­folgende Prozesse (Lamination, thermische Verformung, Laser­schneiden) optimiert werden.

In enger Zusammenarbeit mit den Wissen­schaftlern des Fraunhofer-Instituts für Organische Elektronik, Elektronen­strahl- und Plasma­technik FEP werden Konzept­lösungen für die technologisch und wirtschaftlich sinnvolle Verzahnung von Einzel­schritten in der Fertigungs­kette (Abbildung der Prozess­kette Vakuum­beschichtung – Ver­kapselungs­lamination – OLED-Kontak­tierung und Verein­zelung) erarbeitet. Die Spezialisten des Fraunhofer FEP entwickeln im Projekt effiziente Beschichtungs­technologien für Elektroden und OLED. Sie werden hierfür neue Strukturierungs­ebenen in die Rolle-zu-Rolle Fertigung einbringen. An dieser Stelle verzahnen sich die Arbeiten mit dem Know-how des Projekt­partners Sugarus auf dem Gebiet der prozess­nahen Charak­terisierung essentieller elektrischer und optischer Eigen­schaften. Sugarus entwickelt Mess­technik für die Charak­terisierung des gesamten OLED-Material­verbundes.

Abb.: Biege­versuche an flexi­blen OLED aus Dünn­glas. (Bild: Fh-FEP)
Abb.: Biege­versuche an flexi­blen OLED aus Dünn­glas. (Bild: Fh-FEP)

Nach erfolgreicher Herstellung der optischen, dünnglas­basierten Grund­elemente folgt der Prozess­schritt der Verein­zelung fertiger OLED von der Rolle. Aktuell existieren an dieser Stelle der Prozess­kette keine zuver­lässigen Techno­logien. Um den durch die Rolle-zu-Rolle-Fertigung perspek­tivisch enormen Wett­bewerbs­vorteil nutzen zu können, muss eine Vereinzelungs­technologie entwickelt werden, die OLED-Nutzen mit hoher Kanten­festigkeit und Lebens­dauer ermöglicht.

Eine vorteil­hafte Lösungs­technologie ist hierfür die laser­basierte Separation, die durch 4Jet microtech erforscht wird. Laser­geschnittene Glas­kanten können prinzipiell Festig­keiten aufweisen, die den Anfor­derungen der OLED entsprechen. Besonders hervorzu­heben ist die Möglich­keit, praktisch beliebige Schnitt­konturen und somit jegliche OLED-Formen zu erzeugen. Die spezifischen Heraus­forderungen der Glas-Polymer-Laminate sollen im Rahmen des Verbund­projekts untersucht und wettbewerbs­fähige Fertigungs­technologien erarbeitet werden.

Das Projektkonsortium wird mit einem Budget von mehr als 4,5 Millionen Euro inner­halb der nächsten drei Jahre an der Entwicklung praxis- und industrie­tauglicher Techno­logien und der Umsetzung erster über­zeugender Grund­elemente mit dem inno­vativen Werk­stoff Ultra­dünn­glas arbeiten und dabei Technologie­demonstratoren vor­bereiten.

FEP / LK

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