22.04.2015

Orbitronics: Schaltelemente organisieren sich selbst

Bisher unbekannte Texturierung elektronischer Orbitale Tantaldisulfid entdeckt.

Abb.: Schalten zwischen zwei meta­stabilen orbitalen Konfigu­rationen mit halb­leitenden (oben) und metal­lischen (unten) Eigen­schaften. (Bild: IFW)

Das Verhalten stark wechselwirkender Elektronen sorgt immer wieder für Überra­schungen. So auch im Fall des stark zweidimen­sionalen Materials Tantal­disulfid. Dieses Material besteht aus einer Stapelung einzelner Schichten, die aus dem Übergangsmetall Tantal und Schwefel gebildet werden und eine interes­sante Waben­struktur besitzten. Solche zweidimen­sionalen Schichten sind besonders seit der Entdeckung Graphens mit seinen besonderen Eigen­schaften in den Fokus der Material­forscher gerückt. Tatsächlich zeigt auch Tantal­disulfid eine Reihe außerge­wöhnlicher elektro­nischer Eigen­schaften. Besonders hervorstechend ist hierbei die Koexistenz von Supra­leitung und Ladungs­dichte­wellen. Während im ersten Fall die Ladungen ohne jeglichen Widerstand durch das Material fließen, kristal­lisieren sie im zweiten Fall und bilden ein statisches, räumlich geordnetes Gitter. Auf den ersten Blick scheinen sich diese beiden Phäno­mene daher auszu­schließen.

Das veranlasste die Wissen­schaftler, sich Tantal­disulfid genauer anzuschauen. An den beiden Synchro­tron­strahlungs­quellen des Deut­schen Elektronen­synchro­trons in Hamburg und des Helm­holtz-Zentrums in Berlin beobach­teten sie das ungewöhn­liche Verhalten der Elek­tronen experi­mentell auf mikro­skopi­scher Ebene. Gleich­zeitig führten die Dresdner Forscher aufwän­dige theore­tische Analysen durch und offenbarten dadurch ein erstaun­liches Phänomen: die Ausbil­dung komplexer orbitaler Texturen.

Diese erstmals entdeckten orbitalen Texturen liefern Antworten auf eine Vielzahl lange offener Fragen im Bereich der Grund­lagen­for­schung an Tantal­disulfid und vergleich­baren Schicht­systemen. Das betrifft die komplexe, sehr variable Kristall­struktur, die ungewöhn­lichen Eigen­schaften von Valenz- und Leitungs­elektronen und auch die eingangs schon erwähnten Phänomene Supra­leitung und Ladungs­dichte­wellen.

Abb.: Komplexe orbitale Textur in einer einzelnen Tantalsulfid-Ebene, die mithilfe von aufwendigen theore­tischen Analysen entdeckt wurde, bei einem Vergröße­rungs­faktor von 60 Milli­onen. (Bild: IFW)

Diese Ergebnisse bergen darüber hinaus ein großes Anwendungs­potential. Durch die Stapelung orbital geordneter Ebenen ist es prinzi­piell möglich, kontrolliert und schnell zwischen Metall und Halbleiter zu schalten. Tatsächlich gibt es erste Hinweise, dass optische Licht­pulse innerhalb von Femto­sekunden zwischen diesen beiden elektronischen Zuständen schalten. Diese Entdeckung aus der Grundlagenforschung ist daher für die Entwicklung miniaturi­sierter, ultra-schneller Schalt­elemente und Sensoren von Bedeutung. Dabei ist die geschichtete Struktur von Tantal­disulfid und ähnlichen Verbin­dungen besonders attraktiv für techno­logische Anwen­dungen, da sie die Herstel­lung von Nano­strukturen aus ein oder zwei Ebenen sehr stark vereinfacht. Zusätzlich treten die elektro­nischen Ordnungen oft schon bei Raum­temperatur auf.

Es bleiben natürlich noch viele Fragen offen, insbesondere was die optisch getriebenen Schalt­vorgänge betrifft. Die zukünftigen Arbeiten der Forscher werden sich daher genau auf diese Schalt­prozesse konzen­trieren, wobei modernste zeit­aufge­löste Experimente zum Einsatz kommen.

IFW / OD

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