Organische Materie im Weltall
Laborexperimente zeigen Übereinstimmung diffuser Absorptionsbanden mit komplexen Molekülen.
Bereits in der Frühzeit des Universums sind offenbar gewaltige Mengen komplexer organischer Verbindungen in interstellaren Wolken entstanden. Darauf deuten etwa 400 diffuse Absorptionsbanden (DIBs) hin, die Astronomen in der Strahlung solcher Wolken nachweisen konnten. Allerdings ist die genaue Zuordnung der DIBs zu konkreten Verbindungen bislang kaum möglich. Mit internationalen Partner durchgeführte Experimenten am Max-Born-Institut in Berlin stützen nun die Vermutung, dass es sich um Polyzyklischen Aromatischen Kohlenwasserstoffe (PAK/PAH) handeln könnte.
Abb.: Schematische Darstellung der XUV-induzierte Dynamik in PAH-Molekülen. (Bild: MBI)
Mit Hilfe von ultraschnellen UV-Lasern konnten die Wissenschaftler die Dynamik der hoch angeregten Molekülzustände entschlüsseln. Unter den Kohlenwasserstoffen, die mögliche Auslöser der Absorptionsbanden sind, galten die Polyzyklischen Aromatischen Kohlenwasserstoffe als besonders vielversprechend. Die Anwesenheit von PAK/PAH-Molekülen wurde zuvor in vielen astronomischen Objekten abgeleitet, beispielsweise in interstellare Materiewolken unserer Milchstraße, aber sogar in zehn Milliarden Jahre alter Materie aus der Frühzeit des Universums. Unter Astronomen gab es allerdings auch Zweifel an den Hypothesen, da die Lebensdauer der ungewöhnlichen Molekülzustände nicht bekannt war. Den MBI-Forschern gelang jetzt in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern der Universität Lyon und unterstützt von theoretischen Berechnungen von Wissenschaftlern an den Universitäten Leiden, Heidelberg und Hyderabad der Nachweis, dass die Lebensdauer der elektronischen Zustände von kleinen bis mittelgroßen PAHs mit den Linienbreiten den diffusen Absorptionsbanden übereinstimmen.
In den Experimenten ionisierten die Forscher eine Reihe von kleinen bis mittelgroßen PAH-Molekülen – Naphthalin, Anthracen, Pyren und Tetracen , die jeweils mehrere kondensierte aromatische Ringe enthalten – mit einem ultrakurzen extrem-ultravioletten Laserpuls (XUV) ionisiert. Die Absorption eines XUV-Photons führte nicht nur zur Entfernung eines der Elektronen, sondern darüber hinaus zur elektronischen Anregung des dadurch entstandenen positiv geladenen Molekül-Ions. Die Lebensdauer dieser angeregten kationischen elektronischen Zustände konnten die Wissenschaftler dann mithilfe eines zeitverzögerten Infrarot-Laserimpulses messen.
Sobald ein Elektron aus dem Molekül entfernt worden ist, ist die elektronische Anregung am höchsten, so dass nur ein oder wenige Infrarot-Photonen benötigt werden, um ein zweites Elektron zu entfernen. Bereits kurze Zeit später „entspannt“ sich das Ion, es werden nun mehr IR-Photonen benötigt, um ein zweites Elektron herauszuschlagen. Mit anderen Worten, die Überwachung der Bildung von zweifach geladenen Ionen als Funktion der Verzögerungszeit zwischen den Laserimpulsen XUV und IR erlaubt die Messung der Lebensdauer der verschiedenen Zustände. Die durch theoretische High-Level-Berechnungen gestützten Messungen zeigen, dass die Lebenszeit der organischen PAH-Ionen im Bereich von einigen zehn Femtosekunden mit dem übereinstimmt, was die Astronomen aus den diffusen Absorptionsbanden ableiten.
Die PAK/PAH-Moleküle, die in den Experimenten am MBI untersucht wurden, sind die bislang größten, auf die die ultraschnelle XUV-IR-Pump-Probe-Spektroskopie angewendet wurde. Weitere Experimente dazu sind in Vorbereitung.
FVB / RK