09.06.2017

Organische Moleküle im fernen Sonnensystem

ALMA spürt Methylisocyanat in einem 400 Lichtjahre entfernten Mehrfach­sternsystem auf.

Mit dem Atacama Large Milli­meter/submilli­meter Array ALMA in Chile gelang es zwei Astronomen­teams das präbiotische komplexe organische Molekül Methyl­isocyanat im Mehrfach­sternsystem IRAS 16293-2422 nachzu­weisen. Es handelt sich um die erste Entdeckung dieses präbio­tischen Moleküls um sonnen­ähnliche Protosterne, bei denen die Bedingungen, die dort herrschen, mit jenen vergleich­bar sind, als unser Sonnen­system entstand. Die Entdeckung könnte Astronomen deshalb helfen, zu verstehen, wie das Leben auf der Erde seinen Anfang nahm. Ein Team stand unter der gemein­samen Leitung von Rafael Martín-Doménech vom Centro de Astro­biología in Madrid in Spanien und Víctor M. Rivilla vom Osserva­torio Astro­fisico di Arcetri in Florenz in Italien; die Leiter des anderen Teams waren Niels Lig­terink von der Sterrewacht Leiden in den Nieder­landen und Audrey Coutens vom Uni­versity College London in Groß­britannien.

Abb.: Astrophysiker entdecken das organische Molekül Methylisocyanat um junge sonnenähnliche Sterne. (Bild: ESO / Digitized Sky Survey 2 / L. Calçada)

„Dieses Stern­system beschäftigt uns auch weiter­hin. Nach der Entdeckung von Zuckern, haben wir jetzt Methyl­isocyanat gefunden. Diese Art orga­nischer Moleküle ist an der Synthese von Peptiden und Amino­säuren beteiligt, die als Proteine die bio­logische Basis für Leben bilden, wie wir es kennen“, erläutern Niels Lig­terink und Audrey Coutens. Dank ALMAs Leistungs­vermögen konnten beide Forschungs­gruppen die Moleküle bei verschiedenen charak­teristischen Wellen­längen entlang des Radio­spektrums beobachten. In den warmen, dichten inneren Regionen des Kokons aus Staub und Gas, der junge Sterne in ihren frühesten Entwicklungs­stadien umgibt, stießen die Wissen­schaftler auf die einzig­artigen chemischen Spuren.

Beide Teams identi­fizierten und isolierten jeweils die charak­teristischen Merkmale des komplexen orga­nischen Moleküls Methyl­isocyanat. Chemische Computer­modelle und Labor­experimente halfen den Forschern besser zu verstehen, unter welchen Bedingungen sich die Moleküle bilden können. IRAS 16293-2422 ist ein Mehrfach­sternsystem aus sehr jungen Sternen in einer Entfernung von etwa 400 Licht­jahren in einer großen Stern­entstehungs­region im Sternbild Schlangen­träger (lat. Ophiuchus), die den Namen Rho Ophiuchi trägt. Die neuen ALMA-Ergeb­nisse zeigen, dass jeder dieser jungen Sterne von Gas aus Methyl­isocyanat umgeben ist.

Die Erde und die anderen Planeten in unserem Sonnen­system sind aus der Materie entstanden, die nach der Entstehung der Sonne übrig­blieb. Die Erforschung sonnen­ähnlicher Proto­sterne kann Astro­nomen deshalb einen Blick in unsere eigene Vergangen­heit ermög­lichen, da sie bei IRAS 16293-2422 ähnliche Bedin­gungen vorfinden, wie sie für die Entstehung unseres Sonnen­systems vor 4,5 Milliarden Jahren nötig waren. Rafael Martín-Doménech und Víctor M. Rivilla berichten: „Über das Ergebnis sind wir besonders erfreut, da diese Proto­sterne der Sonne zu Beginn ihres Lebens sehr ähnlich sind und die­selben Bedin­gungen aufweisen, die für die Entstehung erdgroßer Planeten förder­lich sind. Die Entdeckung präbio­tischer Moleküle im Rahmen dieser Unter­suchung könnte bedeuten, dass wir ein weiteres Puzzle­stück in der Frage gefunden haben, wie das Leben auf unseren Planeten kam.“

Niels Ligterink ist erfreut angesichts der unter­stützenden Labor­ergebnisse: „Abgesehen von der Entdeckung von Molekülen wollen wir auch verstehen, wie sie entstanden sind. Unsere Larbor­experimente zeigen, dass sich Methyl­isocyanat unter sehr kalten Bedin­gungen, die ähnlich denen im inter­stellaren Raum sind, tat­sächlich auf Eispar­tikeln bilden kann. Das bedeutet auch, dass diese Moleküle – und damit auch die Basis für Peptid­bindungen – tat­sächlich mit großer Wahr­scheinlich­keit in der Nähe der meisten neuent­standenen sonnen­ähnlichen Sterne zu finden sind.“

MPA / JOL

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