24.11.2016

Origami-Struktur als akustischer Wellenleiter

Dreidimensionales Metamaterial lenkt Schallwellen variabel in beliebige Richtungen.

Symmetrisch aufgebaute Meta­materialien können Licht bestimmter Wellen­längen vielfach beeinflussen und bilden die Grundlage für neuartige Linsen oder gar Tarnkappen. Auch für Schallwellen entwickeln Physiker Meta­materialien, die eine gezielte Dämmung oder Umleitung des Schalls erlauben. Einen Schritt weiter gingen nun Katia Bertoldi und ihre Kollegen von der Harvard University in Cambridge. Sie entwickelten ein neues Konzept für rekon­figuierbare, akustische Meta­materialien, mit denen sich Schallwellen in nahezu beliebige Richtungen lenken ließen. Diese Idee könnte die Möglich­keiten für Akustik-Inge­nieure in Zukunft deutlich erweitern.

Abb.: Akustisches Metamaterial: Mit dieser komplexen 3D-Struktur lassen sich Schallwellen in nahezu beliebige Richtungen lenken.
(Bild: Babaee et al. / Sci. Adv.)

„Unser rekon­figuierbares System kann als akus­tischer Wellen­leiter in ein, zwei oder auch drei Dimen­sionen eingesetzt werden“, sagt Sahab Babaee aus der Harvard-Arbeits­gruppe. Inspiriert von der japa­nischen Origami-Falt­technik entwarfen die Forscher drei­dimensionale Strukturen im Rechner und simulierten die Schall­ausbreitung in verschiedenen, mehr oder weniger symme­trischen Anord­nungen von Würfeln, Hexaedern oder Oktaedern. Diese berechneten Baupläne bildeten die Grundlage für Meta­materialien, die Schall­wellen in alle drei Raum­richtungen fast nach Belieben umleiten sollten.

Für die praktische Umsetzung wählten Babaee und Kollegen kleine Kunststoff­plättchen aus Poly­ethylen (PET). Diese Plättchen verknüpften sie mit variablen Gelenken aus Doppel­klebeband zu den symmetrisch aufgebauten, akustischen Meta­materialien. So entstanden verschiedene Proto­typen mit verschiedenen geo­metrischen Basis­einheiten – Würfel, Hexaeder oder Oktaeder. So zeigte etwa ein würfelförmiger Prototyp mit einer Kantenlänge von knapp 30 Zenti­metern die gute Kontrolle über Schall­wellen. Die Wege der Schallaus­breitung ließen sich zudem relativ einfach über verschiedene Ausrichtungs­winkel zwischen den PET-Plättchen verändern.

Alle gefer­tigten Strukturen unterzogen Babaee und Kollegen einem Schalltest. Dazu sendete an einer Stelle ein Laut­sprecher Schallwellen in das Meta­material. Mehrere Mikrofone, rund um die Prototypen angeordnet, zeichneten die mehr oder weniger stark umgelenkten Schallwellen, deren Frequenz und Schalldruck auf. Die Messungen bestätigten, dass sich der Schall über einen breiten, hörbaren Frequenz­bereich in verschiedene Wunsch­richtungen leiten ließ. Allerdings zeigten die Versuche noch einige Unter­schiede zwischen der berechneten und der gemessenen Schall­ausbreitung. Dieses Problem könnte mit einer verbesserten Fertigungs­methode, etwa mit 3D-Druckern, behoben werden.

Abb.: Mit verschiedenen Basiseinheiten lassen sich komplexe, rekonfiguierbare akustische Metamaterialien entwerfen. (Bild: Babaee et al. / Sci. Adv.)

Trotz der Abweichungen belegen die Versuche, dass diese rekonfi­gurierbaren, akus­tischen Meta­materialien das Potenzial haben, die Schallausbreitung mit größerer Varia­bilität zu beeinflussen als es mit anderen Werk­stoffen bisher möglich war. Da die Dimensionen dieser Meta­materialien von wenigen Zenti­metern bis zu einigen Metern veränderbar sind, sind Anwen­dungen für das Sound­design technischer Geräten wie etwa Autos oder Flugzeugen oder auch für die akustische Planung von Gebäuden vor­stellbar.

Neben diesem leicht umsetz­baren Ansatz zeigten andere Forscher­gruppen schon akustische Meta­materialien mit verblüffend starker Schall­absortion oder auch einem negativen Brechungs­index für Schall­wellen. Einen akustischen, topo­logischen Isolator erschufen Physiker der Nanjing Uni­versity. Dazu ordneten sie auf einer hexagonalen, waben­artigen Grundfläche hunderte kleiner Stahl­zylinder mit unter­schiedlichen Durch­messern im Bereich weniger Milli­meter an. Diese Struktur wirkte wie eine Art Schallventil, die jede Störung durch reflek­tierte Schall­wellen unterband. Mit der großen Anzahl dieser neuen akus­tischen Materialien könnten Sound­designer schon in absehbarer Zeit völlig neue Konzepte für die Mani­pulation von Schall­wellen entwickeln.

Jan Oliver Löfken

JOL

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