Origami-Struktur als akustischer Wellenleiter
Dreidimensionales Metamaterial lenkt Schallwellen variabel in beliebige Richtungen.
Symmetrisch aufgebaute Metamaterialien können Licht bestimmter Wellenlängen vielfach beeinflussen und bilden die Grundlage für neuartige Linsen oder gar Tarnkappen. Auch für Schallwellen entwickeln Physiker Metamaterialien, die eine gezielte Dämmung oder Umleitung des Schalls erlauben. Einen Schritt weiter gingen nun Katia Bertoldi und ihre Kollegen von der Harvard University in Cambridge. Sie entwickelten ein neues Konzept für rekonfiguierbare, akustische Metamaterialien, mit denen sich Schallwellen in nahezu beliebige Richtungen lenken ließen. Diese Idee könnte die Möglichkeiten für Akustik-Ingenieure in Zukunft deutlich erweitern.
Abb.: Akustisches Metamaterial: Mit dieser komplexen 3D-Struktur lassen sich Schallwellen in nahezu beliebige Richtungen lenken.
(Bild: Babaee et al. / Sci. Adv.)
„Unser rekonfiguierbares System kann als akustischer Wellenleiter in ein, zwei oder auch drei Dimensionen eingesetzt werden“, sagt Sahab Babaee aus der Harvard-Arbeitsgruppe. Inspiriert von der japanischen Origami-Falttechnik entwarfen die Forscher dreidimensionale Strukturen im Rechner und simulierten die Schallausbreitung in verschiedenen, mehr oder weniger symmetrischen Anordnungen von Würfeln, Hexaedern oder Oktaedern. Diese berechneten Baupläne bildeten die Grundlage für Metamaterialien, die Schallwellen in alle drei Raumrichtungen fast nach Belieben umleiten sollten.
Für die praktische Umsetzung wählten Babaee und Kollegen kleine Kunststoffplättchen aus Polyethylen (PET). Diese Plättchen verknüpften sie mit variablen Gelenken aus Doppelklebeband zu den symmetrisch aufgebauten, akustischen Metamaterialien. So entstanden verschiedene Prototypen mit verschiedenen geometrischen Basiseinheiten – Würfel, Hexaeder oder Oktaeder. So zeigte etwa ein würfelförmiger Prototyp mit einer Kantenlänge von knapp 30 Zentimetern die gute Kontrolle über Schallwellen. Die Wege der Schallausbreitung ließen sich zudem relativ einfach über verschiedene Ausrichtungswinkel zwischen den PET-Plättchen verändern.
Alle gefertigten Strukturen unterzogen Babaee und Kollegen einem Schalltest. Dazu sendete an einer Stelle ein Lautsprecher Schallwellen in das Metamaterial. Mehrere Mikrofone, rund um die Prototypen angeordnet, zeichneten die mehr oder weniger stark umgelenkten Schallwellen, deren Frequenz und Schalldruck auf. Die Messungen bestätigten, dass sich der Schall über einen breiten, hörbaren Frequenzbereich in verschiedene Wunschrichtungen leiten ließ. Allerdings zeigten die Versuche noch einige Unterschiede zwischen der berechneten und der gemessenen Schallausbreitung. Dieses Problem könnte mit einer verbesserten Fertigungsmethode, etwa mit 3D-Druckern, behoben werden.
Abb.: Mit verschiedenen Basiseinheiten lassen sich komplexe, rekonfiguierbare akustische Metamaterialien entwerfen. (Bild: Babaee et al. / Sci. Adv.)
Trotz der Abweichungen belegen die Versuche, dass diese rekonfigurierbaren, akustischen Metamaterialien das Potenzial haben, die Schallausbreitung mit größerer Variabilität zu beeinflussen als es mit anderen Werkstoffen bisher möglich war. Da die Dimensionen dieser Metamaterialien von wenigen Zentimetern bis zu einigen Metern veränderbar sind, sind Anwendungen für das Sounddesign technischer Geräten wie etwa Autos oder Flugzeugen oder auch für die akustische Planung von Gebäuden vorstellbar.
Neben diesem leicht umsetzbaren Ansatz zeigten andere Forschergruppen schon akustische Metamaterialien mit verblüffend starker Schallabsortion oder auch einem negativen Brechungsindex für Schallwellen. Einen akustischen, topologischen Isolator erschufen Physiker der Nanjing University. Dazu ordneten sie auf einer hexagonalen, wabenartigen Grundfläche hunderte kleiner Stahlzylinder mit unterschiedlichen Durchmessern im Bereich weniger Millimeter an. Diese Struktur wirkte wie eine Art Schallventil, die jede Störung durch reflektierte Schallwellen unterband. Mit der großen Anzahl dieser neuen akustischen Materialien könnten Sounddesigner schon in absehbarer Zeit völlig neue Konzepte für die Manipulation von Schallwellen entwickeln.
Jan Oliver Löfken
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