06.06.2017

Oszillation statt freier Fall

Ungewöhnliche Bewegung in einem Quantengas beobachtet.

Die Newton­schen Gesetze besagen, dass ein sich bewegendes Objekt sich so lange gerade weiter­bewegt, bis eine äußere Kraft seine Bahn verändert. Die Bedeutung dieser Bewegungs­gesetze ist allgegen­wärtig und reicht vom Fallschirm­springer im Schwere­feld der Erde über das Gefühl der Trägheit in einem beschleu­nigenden Flugzeug bis zu den Umlauf­bahnen der Planeten um die Sonne. In der Quanten­welt hingegen stößt dieses Alltags­verständnis von Bewegung an Grenzen und manchmal scheitert es sogar. Nun beschreibt ein inter­nationales Team von Physikern aus Innsbruck, München, Paris und Cambridge (USA) ein Quanten­teilchen, das ein völlig uner­wartetes Verhalten zeigt.

Abb.: Überraschende Oszillationsbewegung eines Quantenteilchens durch ein eindimensionales Gas. (Bild: F. Meinert / U. Innsbruck)

In einem Quanten­gas bewegt sich das Teilchen nicht wie der berühmte fallende Apfel von Isaac Newton, sondern es schwingt hin und her. Grund­lage der über­raschenden Beo­bachtung ist die Quanten­interferenz, jene Gesetz­mäßigkeit der Quanten­mechanik, wonach Teilchen sich wie Wellen verhalten, die sich aufsum­mieren oder aus­löschen können. Um das Teilchen oszil­lieren zu sehen, kühlte das Forscher­team ein Gas aus Cäsium­atomen fast bis auf den abso­luten Nullpunkt ab und sperrte es in sehr dünne Röhrchen, die mit Laser­strahlen erzeugt wurden. Mit einem Trick brachten sie die Atome zu starken Wechsel­wirkungen.

Unter diesen extremen Bedin­gungen bilden die Teilchen eine Art Quanten­flüssigkeit, deren Bewegung nur entlang der Röhrchen möglich ist. Das Team beschleu­nigte dann ein weiteres Atom in einem anderen Spin­zustand durch dieses Gas, was in unserer Alltags­welt dem Fall des Apfels vom Baum entspräche. Die Wissen­schaftler beo­bachteten jedoch, dass die Quanten­welle des Atoms von den anderen Atomen gestreut und wieder zurück­reflektiert wurde. Ergebnis ist eine ver­blüffende Oszil­lations­bewegung. Das Experiment zeigt, dass Newtons Gesetze in der Quanten­welt nicht unein­geschränkt gelten.

Die Tatsache, dass Quanten­wellen in bestimmte Richtungen reflek­tiert werden können, ist nicht neu. So ist zum Beispiel bekannt, dass Elektronen im Kristall­gitter eines Fest­körpers reflek­tiert werden, was als Bragg-Streuung bezeichnet wird. Im Inns­brucker Expe­riment war aller­dings kein Kristall vorhanden. Es war vielmehr das atomare Gas selbst, das eine Art versteckte Korre­lation darstellte. Das jüngste Experiment zeigt, wie diese Korre­lationen in Verbindung mit der Wellen­natur von Materie die Bewegung von Teilchen in der Quanten­welt bestimmen und zu neuen Phäno­menen führen, die auf den ersten Blick unserer In­tuition wider­sprechen.

„Die Eigentüm­lichkeit der Quanten­mechanik zu verstehen, ist für eine ganze Reihe von Anwendungen interes­sant“, sagt Michael Knap, Professor für Kollek­tive Quanten­dynamik an der TU München. „Zum Beispiel könnten diese Ergeb­nisse dabei helfen, grund­legende Mecha­nismen in elek­tronischen Bauteilen oder sogar Transport­prozesse in komplexen bio­logischen Systemen besser zu verstehen und damit technisch nutzbar zu machen."

TUM / JOL

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