03.09.2013

Parkplatz Physikstudium?

Die neuen Statistiken zum Physikstudium an den Universitäten in Deutschland belegen den Trend zu mehr Einschreibungen und mehr Parkstudierenden.

Die Konferenz der Fachbereiche Physik erhebt seit 25 Jahren ihre jährliche Studierendenstatistik. Sie bietet nicht nur eine interessante Momentaufnahme, sondern auch einen aufschlussreichen Blick auf die Entwicklung des Physikstudiums über die Jahre. Dabei hat die KFP ihre Statistik kontinuierlich weiterentwickelt. So machte die fortschreitende Umstrukturierung der Studiengänge 2008 eine grundlegende Überarbeitung der Datenbank erforderlich. Seitdem erfasst sie die Studiengänge in 16 verschiedenen Kategorien.

Die Erhebung von 2013, an der sich alle 58 deutschen Universitäten und Technische Hochschulen, die einschlägige Studiengänge anbieten, beteiligt haben, bringt eine weitere Änderung: Nach einem Testlauf im letzten Jahr erhebt die KFP nun systematisch nicht nur die Zahl der jährlichen Neueinschreibungen, sondern differenziert diese nach Studierenden, die sich neu immatrikulieren, die das Studium auch tatsächlich aufnehmen, und die es wenigstens ein Semester lang ernsthaft verfolgen.

Dabei wurde eine erheblich Zahl von „Parkstudierenden“ offenkundig, die sich zwar für ein Physikstudium einschreiben, dieses aber nicht aufnehmen. Einige warten vermutlich auf einen Studienplatz in einem anderen Fach und „parken“ solange in der Physik, die an den meisten Standorten keine Zulassungsbeschränkung hat. Andere schreiben sich wohl nur deshalb ein, um den vorteilhaften Studierendenstatus zu genießen. Dieses Phänomen erschwert – auch mit Blick auf die vergangenen Jahre – eine Interpretation der Statistik, vor allem die Ermittlung realer Abbruchquoten. Manches deutet darauf hin, dass die Zahl der Parkstudierenden in den letzten Jahren deutlich gestiegen ist, auch wenn für die Vergangenheit keine ausreichende Datenbasis vorliegt.

Im Sommersemester 2013 waren in physikbezogenen Studiengängen insgesamt 43 207 Personen eingeschrieben. Das sind 13 Prozent mehr als vor einem Jahr. Der Anstieg gegenüber dem Wert vor fünf Jahren beträgt gar 52 Prozent.

Jährliche Neueinschreibungen in die verschiedenen Physik-Studiengänge (, Grafik: Physik Journal)


Die genannten Zahlen zu den immatrikulierten Studierenden sind zwar „korrekt“, müssen jedoch mit Vorsicht interpretiert werden. Die KFP hat sich der Frage der „Scheinstudierenden“ jetzt angenommen und nach einem Testlauf im Jahr 2012 ihre Umfrage bei den grundständigen Studiengängen um zwei Fragen ergänzt: „Wie viele Studierende haben das Studium tatsächlich angetreten?“ und „Wie viele Studierende haben das Studium ernsthaft bis zum Ende des ersten Semesters verfolgt?“.

Für das Wintersemester 2012/13 konnten 38 Fachbereiche für 44 Fachphysik-Bachelor-Studiengänge vollständige Datensätze liefern. Das Ergebnis: Nur 65 Prozent der Immatrikulierten nahmen das Studium auf, und 58 Prozent verfolgen es ernsthaft über mindestens ein Semester; von denjenigen, die im Hörsaal ankamen, haben aber immerhin 89 Prozent auch bis zum Ende des Semesters durchgehalten. Bemerkenswert ist, dass – immer noch beim Fach-Bachelor Physik – der Anteil der Parkstudierenden bei den Frauen etwa doppelt so hoch ist wie bei den Männern: Nur 35 Prozent der Frauen, die sich eingeschrieben haben, nahmen an einer Prüfung teil, bei den Männern waren es immerhin 68 Prozent. Diejenigen Männer und Frauen, die das Studium überhaupt antraten, kamen annähernd gleich gut durch das erste Semester.

Die notorisch hohen Studien­„Abbruch“-Quoten in der Physik müssen vor dem Hintergrund solcher Befunde neu interpretiert werden: „Studierende“, die das Physikstudium nicht einmal aufgenommen haben, können es auch nicht abbrechen. Belastbare Aussagen zu realen Abbruchquoten sind in drei Jahren zu erwarten, wenn der jetzige Erstsemesterjahrgang die Bachelor-Prüfung ablegt.

Betrachtet man die traditionell in der KFP-Statistik ausgewiesene Schwundquote, in der die aktuellen Drittsemesterzahlen mit der Zahl der Neueinschreibungen des vergangenen Jahres verglichen wurden, erscheint diese jedenfalls im Licht der geschilderten Problematik als nicht mehr aussagekräftig. Für die Stichprobe der 24 Fachbereiche, die bereits letztes Jahr die Zahl der „ernsthaften“ Studierenden übermitteln konnten, beträgt die klassisch ermittelte „Schwundquote“ für die Fachbachelor-Studiengänge Physik 38 Prozent. Legt man dagegen die Zahl der Studierenden zugrunde, die das Studium im WS 11/12 tatsächlich aufgenommen haben, verbessert sich die Quote auf 24 Prozent, und von den Studierenden, die am Ende ihres ersten Semesters im WS 11/12 zu mindestens einer Prüfung antraten, fanden sich mit 98 Prozent fast alle ein Jahr darauf auch im dritten Semester wieder.

Die genauen Zahlen der Studierendenstatistik und weitere aufschlussreiche Auswertungen, etwa den Frauenanteil oder die spezifischen Verhältnisse in den Lehramtsstudiengängen, finden Sie in der August/September-Ausgabe des Physik Journals.

Physik Journal / KFP / AP

 

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