Patientennahe Diagnostik mit Halbleiter-Nanostrukturen
Smart, kompakt und vielseitig: Neuartige Biosensoren lassen sich optisch anregen und auslesen.
Bislang werden Blutproben – nach einem spürbaren Nadelstich in die Vene – zumeist im Labor analysiert. Wäre es nicht praktischer, ein im Körper implantierter Mini-Sensor könnte die Blutwerte messen und per Funk direkt an den Arzt übermitteln? Für Patienten, die beispielsweise regelmäßig ihre Eisenwerte kontrollieren müssen, wäre solch ein smartes und kompaktes Miniaturlabor im Blut sicherlich sehr nützlich. Die Baden-Württemberg-Stiftung unterstützt nun ein Wissenschaftlerteam der Uni Ulm mit etwa 500.000 Euro bei der Entwicklung solcher Minilabors, konkret: halbleiterbasierter Biosensoren.
Abb.: Messaufbau zur Aufnahme von Emissionsspektren von mikroskopischen Halbleitersensorstrukturen. (Bild: H. Grandel, U. Ulm)
Die Ingenieure und Naturwissenschaftler arbeiten in den nächsten drei Jahren an der Entwicklung optisch auslesbarer intelligenter Sensoren, die mit Halbleiter-Strukturen auf der Basis von Galliumnitrid (GaN) und Zinkoxid (ZnO) realisiert werden sollen. „Ein großer Vorteil solcher Sensoren besteht darin, dass sie ohne elektrische Kontakte auskommen und daher auch in einer chemisch aggressiven Umgebung verwendet werden können“, erklärt Projektkoordinator Ferdinand Scholz vom Institut für Optoelektronik. Die Biosensoren könnten im Körperinneren zu Diagnosezwecken eingesetzt werden, beispielsweise um in Eisenspeicher- und Eisentransportproteinen die Art und Menge der Metall-Kationen zu bestimmen. „Mit Hilfe solcher Biosensoren sollte es beispielsweise möglich sein, Eisenspeicher-Erkrankungen frühzeitig zu erkennen und effektiv zu therapieren. Aber auch bei der Früherkennung von weiteren schweren Krankheiten, wie der Alzheimererkrankung oder bei Schlaganfällen könnten die Biosensoren hilfreiche Dienste leisten, denn auch bei diesen Erkrankungen wurden bereits veränderte Metallkationenkonzentrationen im Blut gefunden“, sagt Tanja Weil, die an der Uni Ulm das Institut für Organische Chemie III leitet. Die Chemikerin ist im Projekt für die Funktionalisierung der Sensoroberflächen mit spezifischen Detektormolekülen verantwortlich, um nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip bestimmte Proteine oder DNA-Bestandteile nachweisen zu können.
Der Biosensor basiert auf nitridischen und oxidischen Halbleiter-Nanostrukturen, die rein optisch angeregt und ausgelesen werden. Durch die Bindung spezifischer Biomoleküle auf der aktiven Zone dieser Nanostrukturen verändern sich Wellenlänge und Intensität der per Laser angeregten Lichtemission. Als optisch aktive Zone für diese Photolumineszenz-Effekte wirkt ein Quantenfilm nahe der Oberfläche der Halbleiter-Strukturen. Ausgelesen werden die Veränderungen in den Lichtemissionen über kompakte Spektrometer, die im ultravioletten und im sichtbaren Spektralbereich ausreichend empfindlich sind. Ein kompakter Einplatinen-Computer übernimmt im Sensor-Modul die Steuerung der optoelektronischen Komponenten, die spektrale Messung sowie die Erfassung und Auswertung der Daten. Durch die Integration eines WiFi-Moduls soll das Sensor-Modul drahtlos mit einem Server kommunizieren, um über diesen komplexere Analysen durchzuführen und um dort Messdaten zentral zu speichern. Mit Hilfe intelligenter Software und der Möglichkeit, Referenzproben parallel auszulesen, könnte sich der Detektor-Array automatisch kalibrieren. Die hierfür erforderliche intelligente Elektronik entwickelt die Arbeitsgruppe von Klaus Thonke, Leiter der Gruppe Halbleiterphysik am Institut für Quantenmaterie.
Für diese smarten, kompakten und vernetzten Biosensor-Module gibt es vielfältigste Anwendungsfelder in der Medizin, der Pharmazie und der Biotechnologie, sind sich die Wissenschaftler einig. Die Flexibilität und Multifunktionalität des Messsystems sowie seine hohe Sensitivität und Selektivität machen es zu einem idealen Diagnoseinstrument in der personalisierten Medizin und der patientennahen Labordiagnostik. Bis dieser Hochleistungs-Biosensor im Miniaturformat den Beweis für seine Praxistauglichkeit antreten kann, werden allerdings noch zahlreiche Experimente und Untersuchungen notwendig sein.
U Ulm / RK