Pauken oder Parken?
Die Statistiken zum Physikstudium an den Universitäten in Deutschland 2012 zeigen ein differenziertes Bild von echten Anfängern und „Parkstudierenden“.
38241 Studierende waren im Sommersemester 2012 in Physik-Studiengängen eingeschrieben, mehr als jemals zuvor. Dieser Rekordwert ist nur eine der vielen Zahlen, welche die Konferenz der Fachbereiche Physik (KFP) auch in diesem Jahr mit ihrer Studierendenstatistik erhoben hat. Diese stellt KFP-Vorsitzender René Matzdorf ausführlich im August/September-Heft des Physik Journals vor. Dabei ergeben sich durchaus überraschende Ergebnisse, etwa in Bezug auf die berüchtigten „Parkstudierenden“, die sich nur zum Schein in Physik eingeschrieben hatten. Grundlage der Statistik sind die Zahlen aller 58 Universitäten und Technischen Hochschulen, die derzeit Fachstudiengänge Physik oder Studiengänge mit Schwerpunkt Physik anbieten. Insgesamt erfasste die KFP Daten für weit über 300 Studiengänge, die in 16 Kategorien zusammengefasst sind.
Die jährliche Neueinschreibungen in den verschiedenen Physik-Studiengängen erreichen für das Wintersemester 2011/12 einen Rekordwert. (Grafik: KFP / Physik Journal)
Erstmals erhoben 24 Fachbereiche darüber hinaus Zahlen, die Aufschluss über „Parkstudierende“ geben sollen. Dafür wurde die Anzahl der Studierenden erhoben, die sich in den vergangenen beiden Semestern nicht nur immatrikuliert haben, sondern auch in mindestens einer Lehrveranstaltung (z. B. Übung) registriert wurden. Dabei zeigte sich, dass von den 4762 dort für das erste Semester eingeschriebenen Personen 1723 nie in ihrem Fachbereich aufgetaucht sind. Im Wintersemester 2011/12 betrug der Anteil dieser „Parkstudierenden“ 19 %, im Sommersemester 2012 sogar 79 %, wobei er bei Frauen deutlich höher (für Winter- und Sommersemester zusammen 63 %) war als bei Männern (26 %). Als Grund für die hohe Zahl der „Scheinimmatrikulationen“ geben die Fachbereiche an, dass der Physik-Bachelor-Studiengang gerade im Sommersemester vielerorts eines von wenigen zulassungsfreien Fächern sei und somit attraktiv, um in den Genuss des Studierendenstatus‘ und der damit verbundenen Vergünstigungen zu gelangen.
Vor diesem Hintergrund ist die Zahl der Studienabbrecherinnen und -abbrecher neu zu bewerten. Traditionell ermittelt die KFP die „Schwundquote“ durch Vergleich der Drittsemesterzahlen mit der Zahl der Neueinschreibungen des vorangegangenen Jahres. Für das aktuelle Jahr haben die Fachbereiche 7318 Studierende im dritten Semester der grundständigen Studiengänge gemeldet. Diese Zahl liegt um 31 % unter der Zahl der Neueinschreibungen des Vorjahres (10 628), womit die Schwundquote höher ist als in den letzten fünf Jahren, in denen sie stets um etwa 28 % betragen hatte.
Die Zusatzumfrage unter 24 Fachbereichen erlaubt nun weitergehende Aussagen in Bezug auf die 3394 Personen, die sich dort im WS 2011/12 für einen Bachelor-Fachstudiengang Physik eingeschrieben haben: Nur 81 % davon haben ihr Studium angetreten, und nur 63 % haben sich am Ende des ersten Semesters zu einer Klausur oder einer Prüfung angemeldet. Vor diesem Hintergrund erscheinen die dramatisch hohen Schwundquoten im Physikstudium in einem anderen Licht: Ein großer Teil der vermeintlichen Abbrecherinnen und Abbrecher war in Wirklichkeit niemals in der Physik angekommen. Um diese und weitere Folgerungen weiter zu untermauern, hat die KFP beschlossen, für die Studierendenstatistik in Zukunft neben der Zahl der Immatrikulationen auch die der tatsächlichen Studienanfängerinnen und -anfänger systematisch zu erheben.
Dass der Diplomstudiengang im zehnten Jahr endgültig ein Auslaufmodell ist, zeichnet sich dagegen mehr als klar ab: Derzeit studieren nur noch 4905 Studierende Physik auf Diplom, ein Rückgang von 29 % im Vergleich zum Vorjahr. Wer jetzt unbedingt noch ein Physik-Diplom erwerben möchte, der kann sich dafür nur noch an der Universität Kaiserslautern einschreiben.
KFP / Alexander Pawlak