31.03.2017

Perlenschnur mit Phasendynamik

Bewegungen eines eindimensionalen Materials in molekularem Film festgehalten.

Egal wie klein sie sind, die uns im Alltag umgebenden Dinge sind drei­dimensional: Salzkristalle, Pollen, Staub. Selbst Alufolie hat eine gewisse Dicke. Das erste echte zweidimensionale Material, das Graphen, kennen wir erst seit weniger als 15 Jahren. Mittlerweile wird es wegen seiner hervor­ragenden elektronischen Eigenschaften unter anderem in transparenten Displays eingesetzt. Noch mehr versprechen sich Wissenschaftler von ein­dimensionalen Systemen – wie auf einer Perlenschnur aufgereihten Atomen. Diese dünnsten Drähte der Welt sind jedoch instabil, die Gründe dafür noch zu wenig untersucht. Hier setzt die Arbeit von Tim Frigge aus der Arbeitsgruppe von Michael Horn-von Hoegen vom Center for Nanointegration (CENIDE) der Universität Duisburg-Essen (UDE) an, gemeinsam mit Kollegen der Universität Paderborn.

Abb.: Ein Elektronenstrahl (blau) fragt die Strukturänderung der Indium-Atomketten (rote Kugeln) nach Anregung durch einen Laserpuls (violett) ab. (Bild: A. Lücke, U. Paderborn)

Die Probe bestand aus zwei einzelnen Ketten von Indiumatomen auf einer Unterlage aus Silizium. Oberhalb von rund -140 Grad Celsius bilden die Atome lange Ketten: So ist das System metallisch und leitet den elektrischen Strom. Unterhalb der Temperatur­grenze rutschen die Atome jedoch paarweise zusammen und formen Sechsecke. Das System wird zum Isolator.

Dieser Übergang findet blitzschnell innerhalb von nur 350 Femto­sekunden statt. Um ihn zu untersuchen, haben die Forscher ihn künstlich hervorgerufen – mehrere Millionen Male, allein 5.000-mal pro Sekunde. Dazu haben sie das Material bei rund -243 Grad Celsius mit einem ultrakurzen Laserpuls angeregt und so trotz eisiger Kälte in den ketten­förmigen Metall-Zustand überführt, den es sonst nur bei höheren Temperaturen einnimmt. Anschließend fällt das System von allein in einer Art Domino­effekt in den nicht-metallischen Zustand zurück.

Um diesen Phasenübergang zu verfolgen, schießen die Physiker einen Elektronenstrahl auf ihre Probe. Dessen Beugung lässt auf die Position der Atome rückschließen. Nimmt man alle 50 Femto­sekunden ein solches Beugungs­bild auf, so ergibt sich in Summe ein „Molecular Movie“: Ein Film, der den Weg der Atome über die Proben­oberfläche zeigt – „wie bei einem Daumenkino“, erklärt Frigge.

Mit diesem Film auf atomarer Ebene sind die Forscher den ersten Schritt gegangen, ein­dimensionale Systeme zu verstehen – und anschließend möglichst nach Wunsch zu beeinflussen. Übrigens: Dabei konnten sie nicht nur den Weg der Atome beobachten, sondern auch deren Geschwindigkeit berechnen. Rund 100 Kilometer pro Stunde erreichen diese auf der Kurzstrecke. Aber in winzigsten Bruchteilen einer Sekunde und mit einer Beschleunigung, die Billionen mal höher ist als die eines Porsche.

UDE / DE

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