Phasenumwandlungen in Super-Zeitlupe
Neue Methode zur Beobachtung von Phasenübergängen an Oberflächen entwickelt.
Phasenumwandlungen gehören zu den alltäglichen physikalischen Phänomenen, die uns beim Schmelzen, Gefrieren, Verdampfen oder Kondensieren begegnen. Änderungen des Aggregatzustandes sind jedoch nur eine spezielle Form der Phasenumwandlung; in vielen Materialien gibt es darüber hinaus auch Übergänge zwischen verschiedenen Kristallstrukturen. Diese verschiedenen Materiezustände haben häufig sehr unterschiedliche mechanische, elektronische und magnetische Eigenschaften. Forscher der Universität Göttingen stellen nun eine neue Methode vor, mit der die ultraschnelle Umwandlung zwischen solchen Phasen an Oberflächen beobachtet werden kann.
Abb.: Illustration des atomaren Gitters einer Oberfläche, in dem durch einen Laserpuls eine Phasenumwandlung ausgelöst wird. (Bild: U. Göttingen)
Umwandlungen zwischen verschiedenen kristallinen Strukturen sind von großer technologischer Bedeutung, zum Beispiel bei der Härtung von Stahl oder bei der Entwicklung neuer, schaltbarer Materialien. Eine fundamentale Frage betrifft dabei die Art und Weise, wie genau der Übergang zwischen zwei sehr geordneten, aber grundsätzlich verschiedenen Phasen abläuft. Um diese teils sehr schnellen Prozesse zu beobachten, wird die atomare Struktur von Festkörpern abgetastet. Die Arbeitsgruppe von Claus Ropers hat nun eine Methode entwickelt, mit der Phasenumwandlungen in Super-Zeitlupe aufgenommen werden können.
In den vom Europäischen Forschungsrat geförderten Experimenten werden ultrakurze Elektronen-Pulse an Festkörpern gestreut, um Schnappschüsse der atomaren Ordnung an der Oberfläche aufzunehmen. Die Besonderheit des neuen Ansatzes liegt in der niedrigen Energie der Elektronenpulse, die somit sehr empfindlich auf die ersten atomaren Lagen sind. Doktorand Simon Vogelgesang erläutert: „Die Realisierung dieser Art der Elektronenstreuung mit kurzen Pulsen ist sehr anspruchsvoll. Unsere Arbeitsgruppe musste dazu die weltweit kleinsten ultraschnellen Elektronenkanonen entwickeln.“
Die neuen Möglichkeiten wurden zunächst an einem Material erprobt, das in der Gruppe von Kai Rossnagel von der Universität Kiel hergestellt wurde. „In unseren Experimenten konnten wir beobachten, dass während des Übergangs zwischen zwei geordneten Phasen eine sehr kurze Zeitspanne mit viel Unordnung und einer hohen Dichte struktureller Defekte vorherrscht“, erläutert Ropers. „Diese topologischen Defekte und ihre Rolle in Phasenumwandlungen sind schon seit langer Zeit von großem Interesse.“ Zukünftig wollen die Göttinger Physiker die zeitliche Auflösung weiter erhöhen und die Methodik auf eine breite Klasse von Prozessen an Oberflächen anwenden.
U. Göttingen / JOL