26.09.2017

Photoeffekt offenbart neue Details

Schnellere Elektronen werden nach einer Anregung mit Licht erst mit Verzögerung emittiert. 

Atome emittieren Elektronen, wenn ein Material mit Licht aus­reichend hoher Frequenz bestrahlt wird. Bisher ging die Physik davon aus, dass die Bewegung dieser Photo­elektronen allein durch die Material­eigen­schaften bestimmt ist. Physiker der Univer­sität Bielefeld zeigen nun, dass es auch auf das Zusammen­spiel der Elektronen im Inneren des Atoms ankommt: Tanzende Elektronen umkreisen dabei den Atomkern und brauchen länger als andere Elektronen, die geradeaus heraus­schießen. Als weltweit ersten Forschern gelang es den Biele­feldern, diesen Verzögerungs­effekt in einem Festkörper nachzu­weisen. Für die Forschung haben sie eng mit Kollegen aus der theo­retischen Physik am Donostia Inter­national Physics Center (DIPC) und der Univer­sität des Basken­landes in San Sebastián zusammen­gearbeitet.

Abb.: Photoeffekt: Kurze Laserpulse offenbaren eine verblüffende Dynamik der Elektronen nach der Anregung mit Licht  (Bild: U. Bielefeld)

Albert Einstein erhielt seinen Nobel­preis für die Erklärung des photo­elektrischen Effekts: Licht überträgt Energie auf Elektronen in Form von Licht­quanten. Bei ausreichend hoher Energie des Lichtquants kann das Elektron das Material verlassen. Bei niedri­geren Lichtquanten­energien bildet dieser Photo­effekt zum Beispiel die Grundlage für die Stromer­zeugung durch Solar­zellen. Er ist in vielen weiteren tech­nischen Anwendungen von grund­legender Bedeutung. „Für unsere Studie zur Elektronen-Emission haben wir eine Art Wett­rennen zwischen Elektronen mit unter­schiedlichen Start­bedingungen durch­geführt“, sagt Walter Pfeiffer.

Das Team am Lehrstuhl für Molekül- und Oberflächen­physik der Universität Bielefeld um Pfeiffer und Ulrich Heinzmann nutzte zeitauf­gelöste Laser­spektro­skopie als Verfahren: „Wir haben Laser­strahlung eingesetzt und ultra­kurze Lichtimpulse auf einen Halbleiter­kristall geschossen. Dies startet das Rennen. Mit einem sehr inten­siven zweiten Licht­impuls wird die Zeit genommen und bestimmt, in welcher Reihen­folge die ausge­lösten Elektronen das Material verlassen.“ Dafür war eine sehr hohe Zeitauf­lösung nötig. „Wir sprechen hier von äußerst winzigen Zeitab­schnitten“, sagt Pfeiffer. Die Ankunft der Elektronen wird mit einer Auflösung von etwa zehn Atto­sekunden bestimmt.

Die Laser­experimente brachten ein uner­wartetes Ergebnis: „Eigent­lich schnellere Elektronen kommen als letzte an“, sagt Pfeiffer. „Das liegt daran, dass sie sich zunächst noch in einer Umlauf­bahn um den Atomkern befinden, bevor sie sich auf den Weg zur Material­oberfläche machen und austreten. Elektronen, die um den Atomkern herum tanzen, verlieren somit das Rennen.“ Andere Elektronen fliegen laut Pfeiffer geradeaus aus dem Atom. „Das ist vergleich­bar mit einer Rakete, die geradeaus ins All geschossen wird und nicht erst die Erde umkreist.“ Weil das eigentlich lang­samere Elektron den direkten Weg nimmt, gewinnt es das Rennen.

Ob und wie lange ein Elektron um den Kern tanzt, hängt von seinen Start­bedingungen ab. „Das Halbleiter­material, das wir verwendet haben, bietet vier photo­elektrische Ausgangs­kanäle mit unter­schiedlichen Start­bedingungen für die Elek­tronen“, sagt Pfeiffer. Erst der Vergleich dieser vier Kanäle hat Pfeiffer zufolge die weit­reichenden Schluss­folgerungen ermög­licht. „Unsere Beo­bachtung, dass schnelle Elektronen länger brauchen können, um auszu­treten, bedeutet, dass eine bisherige theo­retische Annahme zur Beschreibung des Photo­effektes geändert werden muss“, sagt der Experimental­physiker. „In neuen theo­retischen Modellen der Photo­emission aus Festkörpern muss künftig berück­sichtigt werden, wie die Elektronen im Atom, das die Photo­elektronen ausstößt, zusammen­spielen. Der Tanz der Elektronen nach Anregung muss also korrekt behandelt werden.“

U. Bielefeld / JOL

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