22.06.2021

Photonen auf dem Sprung

Lichtwellen werden durch eine neue Art von Unordnung auf kleinste Raumbereiche begrenzt.

Physikern der Arbeitsgruppe von Alexander Szameit an der Universität Rostock ist es in Zusammen­arbeit mit Stefano Longhi von der Universität Mailand gelungen, ein neu­artiges Verhalten von Lichtwellen zu beobachten, bei welchem Licht durch eine neue Art von Unordnung auf kleinste Raum­bereiche begrenzt wird. Paradoxer­weise kann das Licht trotzdem sprungartig seinen Ort ändern, was das aktuelle Verständnis über Lichtwellen auf die Probe stellt. 

Abb.: Paradoxes Licht: Anfänglich breitet sich das Licht aus bis es in einem...
Abb.: Paradoxes Licht: Anfänglich breitet sich das Licht aus bis es in einem engen Raum­bereich gefangen wird. Nach kurzer Zeit springt der hellste Spot plötzlich und völlig uner­wartet zu einem anderen Raum­bereich. (Bild: S. Weidemann et al., U. Rostock)

Was Phil Anderson im Jahre 1958 voraussagte, brachte die weltweite Forschungs­gemeinschaft ins Staunen: Ein elektrischer Leiter wie etwa Kupfer kann schlag­artig seine Leit­fähigkeit verlieren und zu einem Isolator werden, wenn sein atomares Gitter stark genug verunreinigt ist. Eine solche Unordnung führt dann dazu, dass die Elektronen sich nicht mehr frei bewegen können – der Strom hört auf zu fließen. Dieses Phänomen ist im Rahmen der klassischen Physik nicht zu erklären. Nur die Quantenphysik, in der Elektronen gleich­zeitig Teilchen und auch Welle sind, liefert eine Möglichkeit, diese „Anderson-Loka­lisierung“ zu verstehen. Heute weiß man, dass dieser Effekt, für dessen Voraus­sage Phil Anderson 1977 den Nobelpreis erhielt, allgemein gültig ist: Unordnung ist auch in der Lage, die Ausbreitung von Schallwellen oder sogar Licht zu stoppen.

Der Rostocker Physiker Alexander Szameit befasst sich mit den Eigenschaften von Licht und seiner Wechselwirkung mit Materie. Erst jüngst machte er mit seinen Doktoranden Mark Kremer und Sebastian Weidemann eine verblüf­fende Entdeckung: Jedes System auf dieser Welt tauscht unweigerlich Energie mit seiner Umgebung aus, und sobald dieser Austausch ungeordnet statt­findet, kann Licht in diesem System ebenfalls gefangen werden. Diese Art von Unordnung geht über das hinaus, was Phil Anderson 1958 betrachtete, da er in seinen Betrach­tungen sämtlichen Energie­austausch mit der Umgebung vernach­lässigte.

Zusammen mit ihrem Kollegen Stefano Longhi erklären die Rostocker Forscher, dass das Licht hier durch einen völlig neu­artigen Mechanismus loka­lisiert wird: „In unseren Experimenten konnten wir deutlich sehen, dass Licht auf kleine Raum­bereiche begrenzt wird, sobald der Energie­austausch mit der Umgebung zufällig wurde.“ Während dieses Ergebnis im Einklang mit der Vorstellung war, dass Unordnung Wellen an Ort und Stelle festhalten kann, brachte eine weitere Entdeckung dieses bisherige Verständnis der Wissen­schaft ins Schwanken: „Wir waren absolut verblüfft, als wir sahen, dass, obwohl das Licht gefangen sein sollte, der hellste Lichtpunkt plötzlich an einen anderen Ort gesprungen ist, und das wieder und wieder,“ erklären die Rostocker Physiker.

Verant­wortlich für dieses bis dato völlig unbekannte Phänomen sei eben der Energie­austausch mit der Umgebung. „Und uns ist es gelungen, dieses univer­selle Phänomen nicht nur vorherzusagen, sondern auch mit Licht­wellen nachzuweisen“, erklärt Szameit. „Licht­signale in einem fünf Kilometer langen optischen Kabel werden durch diesen neuartigen Effekt zunächst an einem spezifischen Punkt gesammelt und fokussiert, bis sie schlagartig zu einem anderen, weit entfernten Punkt springen“, sagt er. Die bahn­brechenden Entdeckungen seien seiner Ansicht nach ein wichtiger Schritt in der Grundlagen­forschung und heben das Verständnis über die Ausbreitung von Wellen – egal ob Licht, Schall oder Elektronen– auf eine neue Ebene. 

U. Rostock / JOL

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