Photonen im 3D-Irrgarten
Dreidimensionale Netzwerke geben verschränkten Lichtteilchen neue Freiheiten und machen sie für hochleistungsfähige Quantencomputer nutzbar.
Ein Forscherteam der Uni Rostock ist es gelungen, dreidimensionale Netzwerke für Photonen zu entwickeln. Die neugewonnene Komplexität gibt Paaren von verschränkten Lichtteilchen vollkommen neue Freiheiten und macht sie für hochleistungsfähige Quantencomputer nutzbar. „Licht kann schneller rechnen als unsere Computer“, sagt Teamleiter Alexander Szameit, der Grundlagenforschung zum optischen Quantencomputer betreibt. Dabei hat er insbesondere Quantennetzwerke im Blick.
Das Internet besteht aus einem gewaltigen Sammelsurium an Einträgen, die durch Hyperlinks miteinander verbunden sind. Die Herstellung eines ebenso dichten Netzwerks stellt eine der bedeutendsten Herausforderungen für heutige Quantentechnologien dar. „Das World Wide Web aus Punkten und Verbindungen zu zeichnen ist kinderleicht. Man braucht dafür nur Stift und Papier – und sehr viel Geduld“, scherzt Szameit angesichts der Komplexität sozialer Netzwerke. Die technische Umsetzung für Quantennetzwerke ist jedoch noch weit anspruchsvoller. „Die Verbindungen sind das Problem“, bringt Szameit die physikalischen Hindernisse auf den Punkt.
Sein Team kann mithilfe lasergefertigter Schaltkreise die räumliche Ausbreitung von Lichtteilchen in Glaschips gezielt steuern. Jetzt ist es in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern aus Freiburg und Innsbruck gelungen, die Polarisation als zusätzlichen Freiheitsgrad einzubeziehen. „Das ist ein Durchbruch. Wir haben für die Lichtteilchen eine zusätzliche Dimension gewonnen,“ erklärt Szameit. Denn die Forscher haben auf einen Schlag nicht nur doppelt so viele Punkte, sondern auch doppelt so viele Verbindungen für jeden Einzelnen davon.
Neben Design und Herstellung gehört auch die Erprobung der Strukturen zum experimentellen Repertoire des Teams. „Wenn alle Wege nach Rom führen, dann nimmt Licht auch alle Wege“, so skizziert Team-Mitglied Max Ehrhardt das vielfältig einsetzbare Verhalten der Photonen in den maßgeschneiderten Netzwerken. „Photonen sind fast wie Menschen. Kaum haben sich Paare gefunden, kann man sie nur noch zu zweit antreffen.“ Dieses Verhalten konnte das Team mit den neuartigen Netzwerken verändern. Die Forscher haben gezielt Bereiche in den Netzwerken geschaffen, in denen die Photonenpaare nur einzeln anzutreffen sind.
„Die zusätzlichen Wege geben den Photonen die Möglichkeit zum Social Distancing, aber auch dazu, wieder zueinander zu finden“, fasst Szameit die Experimente zusammen. Trotz dieses bedeutenden Fortschritts in der Grundlagenforschung auf dem Gebiet der Quantenoptik und der integrierten Photonik sind noch einige Hürden zu nehmen, bis lichtbasierte Quantentechnologien und neuronale Netzwerke erfolgreich Einzug in unser Leben nehmen können.
U. Rostock / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
M. Ehrhardt et al.: Exploring complex graphs using three-dimensional quantum walks of correlated photons, Sci. Adv. 7, eabc5266 (2021); DOI: 10.1126/sciadv.abc5266 - AG Experimentelle Festkörperoptik (A. Szameit), Institut für Physik, Universität Rostock