Photonen-Phasenkollaps mit Wiederbelebung
Hohlraum-Medium erlaubt gezielte Manipulation einzelner Photonen über den Kerr-Effekt.
Die Erzeugung und Beeinflussung von Quantenzuständen einzelner Photonen ist eine wichtige Technologie für den Betrieb komplexer Quantencomputer. Nur durch Methoden mit gutem Signal-Rausch-Verhalten lassen sich brauchbare Quanteninformationsprotokolle implementieren. Üblicherweise werden hinreichend starke Wechselwirkungen von Photonen über die Kopplung an Atome erzielt. Durch Ausnutzung des Kerr-Effekts konnte ein internationales Forscherteam nun aber auch einzelne Photonen miteinander verschränken. Möglich macht dies ein speziell konstruierter, supraleitender Hohlraum, der die üblichen Beschränkungen des Kerr-Effekts umgeht.
Abb.: Der geöffnete Hohlraumresonator besteht aus zwei Kammern, die über einen Josephson-Kontakt miteinander verbunden sind. Der obere Hohlraum dient zum Auslesen, der untere zur Speicherung und Manipulation der Quantenzustände. (Bild: G. Kirchmair et al.)
Der Brechungsindex eines Kerr-Mediums hängt von der Intensität des elektromagnetischen Feldes ab. Der Kerr-Effekt ist nichtlinear und bewirkt eine Phasenänderung der durch das Medium fliegenden Photonen. Er wird in der nichtlinearen Quantenoptik gerne verwendet, um ultraschnelle Pulse zu erzeugen oder Frequenzen parametrisch zu konvertieren. In der Mikrowellen-Quantenoptik ist das direkte Gegenstück die nichtlineare Induktivität von Josephson-Kontakten. Diese Eigenschaft kommt meist im semiklassischen Bereich zum Tragen, wo die Quantisierung des elektromagnetischen Feldes keine Rolle spielt.
Denn typischerweise sind Kerr-Effekte so schwach, dass sie sich nicht auf dem Niveau einzelner Photonen zeigen, weil die Abklingrate der Photon-Moden größer ist als die Kopplung an das Medium, wie sie sich im Kerr-Faktor ausdrückt. Durch den Einsatz supraleitender Aluminium-Hohlräume und eines speziell abgestimmten Josephson-Kontakts konnten die Forscher aber eine starke Kopplung erzielen, die dreißigfach über der Abklingrate der Photonen lag. Mit dieser Güte eröffneten sie die Möglichkeit, einzelne Photonen über den Kerr-Effekt zu manipulieren und kohärente Zustände zu erzeugen.
Das Herzstück des Aufbaus bestand aus zwei in Aluminium gefrästen Hohlraum-Resonatoren, die über einen Josephson-Kontakt verbunden waren, der ein Transmon-Quantenbit darstellt. Dieser besteht aus einem hochreinen Saphir-Einkristall mit zwei aufgedampften Aluminiumfilmen von wenigen Dutzend Nanometern Dicke, verbunden über eine Aluminiumoxid-Barriere. Beide Hohlräume besaßen einen Gütefaktor von ungefähr einer Million, was einer Verlustrate einzelner Photonen von zehn Kilohertz entspricht.
Die Forscher nutzten diese Eigenschaften zunächst aus, um verschränkte, kohärente Zustände zu erzeugen. Sie konnten bis zu vier Photonen gleichzeitig kontrollieren und die zeitliche Zustandsentwicklung verfolgen. Dabei beobachteten sie das Ausbilden hochgradig nichtklassischer Überlagerungen der Quantenzustände. Nachdem der kohärente Anfangszustand nach knapp 400 Nanosekunden kollabiert war, entstanden in bestimmtem zeitlichen Rhythmus Mehrkomponenten-Zustände, was auf die gute Kohärenz im Resonator hinweist. Die Forscher bestätigten ihre Messungen durch Zustandstomographie.
Abb. 2: Zeitliche Entwicklung eines kohärenten Zustands im nichtlinearen Hohlraum, oben die experimentell gemessenen Werte, unten die theoretische Vorhersage. Nach rund 400 Nanosekunden ist die Phase kollabiert, regeneriert sich aber nach gut 3000 Nanosekunden wieder. (Bild: G. Kirchmair et al.)
Um die Evolution der Zustände besser zu verstehen und anschaulich darstellen zu können, maßen die Forscher dann die Husimi-Q-Funktion. Diese gibt die Verteilung der Quasiwahrscheinlichkeiten wieder. Sie ist definiert als das Mittel des Hohlraumzustands, beschrieben durch die Dichtematrix. Die Forscher bestimmten diese Funktion für verschiedene Zeiten zwischen Erzeugungs- und Analysepulsen. Sie zeigte die Periodizität der Zustandsentwicklung. Nach gut 3000 Nanosekunden kehrte das System zum Anfangszustand zurück.
Es kam dabei periodisch zur Entstehung von Überlagerungszuständen, die immer dann auftraten, wenn die verstrichene Zeit ein ganzzahliger Unterteil der Zeit war, die das System für die Rückkehr zum Anfangszustand benötigte. Dabei bildeten sich kohärente Superpositionen elektrischer Felder mit gegensätzlicher Phase. Sie bestanden aus bis zu vier Komponenten, was durch die mittlere Photonenzahl im Anfangszustand begrenzt war. Insgesamt zeigte sich eine gute Übereinstimmung zwischen experimentellen Daten und Theorie.
Die Forscher bestimmten auch die Wigner-Funktion mittels Hohlraum-Zustands-Tomographie. Die Forscher ermittelten sie, indem sie zunächst aus ihren Messungen die Dichtematrix rekonstruierten und aus ihr auf die Wigner-Funktion schlossen. Auch hier konnten sie gut die Zustandsentwicklung mit zwei bis vier Komponenten beobachten. Die Messwerte waren wieder in gutem Einklang mit den theoretischen Vorhersagen.
Mit ihrem Aufbau konnten die Forscher starke Photon-Photon-Wechselwirkungen realisieren, wie sie für die Quanteninformationstechnologie von großer Wichtigkeit sind. Insbesondere hoffen sie, den Kollaps und die Rückkehr des kohärenten Zustandes für die Fehlerkorrektur von Quanteninformationsprotokollen nutzbar machen zu können. Aber auch für die gezielte Erzeugung einzelner Photonen, zerstörungslosen Messung von Photonen und quantenlogische Operationen versprechen sich die Forscher Fortschritte.
Dirk Eidemüller
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