26.06.2018

Photonionisation unter der Lupe

Attosekunden-Laserpulse offenbaren Ursprungsort des Elektrons beim photoelektrischen Effekt im Molekül.

Wenn ein Photon auf ein Material trifft, dann kann es, sofern es genügend Energie hat, aus diesem ein Elektron herauslösen. Die theoretische Erklärung dieses Phänomens, das als photo­elektrischer Effekt bekannt ist, fand Albert Einstein in seinem „Wunderjahr“ 1905 in Bern. Er leistete damit einen entscheidenden Beitrag zur gerade entstehenden Quanten­mechanik, für den er 1921 den Physik-Nobelpreis erhielt. Ein internationales Forscher­team von Physikerinnen um Ursula Keller vom Institut für Quanten­elektronik der ETH Zürich hat nun der experimentellen Erforschung dieses wichtigen Effekts eine neue Dimension hinzugefügt. Mit Hilfe von Atto­sekunden-Laser­pulsen gelang es ihnen, einen winzigen zeitlichen Unterschied in der Heraus­lösung des Elektrons aus einem Molekül zu messen, je nachdem, wo sich das Elektron innerhalb des Moleküls befand. Außerdem waren Wissenschaftler des Max-Born-Instituts in Berlin, des Max-Planck-Instituts für Physik komplexer Systeme in Dresden und der Australian National University in Canberra an der Studie beteiligt.

Abb.: Je nach dem, ob sich das Elektron in der Nähe des Sauerstoff- oder Kohlenstoffatoms befindet, wird es vom Laserpuls unterschiedlich schnell herausgelöst. (Bild: ETHZ)

„In Atomen studiert man schon seit Längerem, wie der photo­elektrische Effekt zeitlich abläuft“, sagt Doktorandin Jannie Vos, „aber über Moleküle gibt es bisher nur einige wenige Arbeiten.“ Das liegt vor allem daran, dass Moleküle deutlich komplexer sind als einzelne Atome. Bei einem Atom wird das äußerste Elektron, das um den Atom­kern kreist, von einem Licht­teilchen praktisch aus seiner Umlauf­bahn katapultiert. In einem Molekül dagegen teilen sich zwei oder mehr Atom­kerne dasselbe Elektron. Wo es sich aufhält, hängt vom Zusammen­spiel der verschiedenen Anziehungs­potenziale ab. Wie genau der photo­elektrische Effekt unter solchen Bedingungen vor sich geht, ließ sich erst jetzt genau untersuchen.

Keller und ihre Mitarbeiterinnen benutzten dazu Kohlenstoff­monoxid-Moleküle, die aus zwei Atomen – einem Kohlen­stoff- und einem Sauer­stoff­atom – bestehen. Diese Moleküle wurden einem extremen ultra­violetten Laser­puls ausgesetzt, der nur wenige Atto­sekunden dauerte. Die Energie der Ultra­violett-Photonen löste dabei ein Elektron aus den Molekülen, und diese zerfielen anschließend in ihre Einzel­atome. Eines davon war jeweils danach als Ion positiv geladen. Die Forscherinnen maßen dann, in welche Richtungen die Elektronen und Ionen weg­flogen. Mithilfe eines zweiten Laser­pulses, der als eine Art Mess­latte fungierte, konnten sie außerdem den genauen Zeit­punkt bestimmen, an dem das Elektron aus dem Molekül heraustrat.

„Auf diese Weise ist es uns erstmals gelungen, die sogenannten Stereo-Wigner-Zeitverzögerung zu bestimmen“, erklärt Laura Cattaneo, die als Post­doktorandin in Kellers Gruppe arbeitet. Die Stereo-Wigner- Zeit­verzögerung gibt an, um wieviel früher oder später ein Elektron das Molekül verlässt, wenn es sich zum Zeit­punkt der Photo­ionisation in der Nähe des Sauerstoff­atoms oder aber des Kohlenstoff­atoms befindet. Die extrem kurzen Laser­pulse machen es möglich, diesen Zeitpunkt bis auf wenige Atto­sekunden genau zu messen. Daraus wiederum lässt sich bis auf ein Zehntel Nanometer der Ort der Ionisierung innerhalb des Moleküls bestimmen. Die experimentellen Ergebnisse stimmen gut mit theoretischen Vorhersagen überein, die beschreiben, wo sich ein Elektron im Moment der Photo­ionisation am wahrscheinlichsten aufhält.

Als Nächstes wollen die ETH-Forscherinnen größere Moleküle unter die Lupe nehmen, in einem ersten Schritt das Lachgas N2O. Das zusätzliche Atom in diesem Molekül macht die theoretische Beschreibung bereits deutlich schwieriger, doch gleichzeitig versprechen sich die Forscherinnen von solchen Untersuchungen auch neue Erkenntnisse etwa über die Ladungs­migration innerhalb von Molekülen, die bei chemischen Prozessen eine wichtige Rolle spielt.

Im Prinzip sollte es sogar möglich sein, mit Hilfe von Atto­sekunden-Laser­pulsen diese Prozesse nicht nur zu untersuchen, sondern auch gezielt zu steuern und damit chemische Reaktionen im Detail zu kontrollieren. Solche Atto-Chemie ist allerdings momentan noch Zukunfts­musik, wie Jannie Vos betont: „In der Theorie ist das alles sehr spannend, aber davon sind wir noch weit entfernt.“

ETHZ / DE

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