28.04.2010

Photosynthese quantenmechanisch verschränkt

Im Photosynthesekomplex von Schwefelbakterien treten verschränkte Quantenzustände auf, wie Modellrechnungen zeigen.

Im Photosynthesekomplex von Schwefelbakterien treten verschränkte Quantenzustände auf, wie Modellrechnungen zeigen.

Die Quantenphysik spielt bei biologischen Vorgängen offenbar eine viel größere Rolle, als man es zunächst für möglich gehalten hatte. So nutzt eine bestimmte Meeresalge die quantenmechanisch kohärenten Anregungen ihrer Pigmentmoleküle bei der Photosynthese. Doch auch die quantenmechanische Verschränkung könnte bei der Photosynthese wichtig sein, wie Modellrechnungen zeigen, die Forscher um Graham Fleming von der UC Berkeley durchgeführt haben.

 

 

Abb.: Das FMO-Protein transportiert Anregungsenergie von der Lichtantenne zum Reaktionszentrum. Dabei sind die im Protein sitzenden Chromophoren (grün) in verschränkten Quantenzuständen. (Bild: Mohan Sarovar et al., Nature Physics)

 

Fleming und seine Kollegen haben den Lichtsammelkomplex des grünen Schwefelbakteriums Chlorobium tepidum untersucht. Das Bakterium nimmt Photonen mit seinen lichtsammelnden Chlorosom-Antennen auf und leitet die dabei frei werdende Anregungsenergie in elektronischer Form zu einem Reaktionszentrum weiter, wo dann die eigentliche Photosynthese stattfindet. Der Energietransport von der Antenne zum Reaktionszentrum verläuft dabei durch den sogenannten Fenna-Matthews-Olson- oder FMO-Komplex, der aus drei gleichen Proteinen mit jeweils sieben Bakteriochlorophyll-Molekülen oder Chromophoren besteht.

In seinem natürlichen Lebensraum fällt auf das Bakterium nur sehr wenig Licht, sodass es die Photosynthese bei sehr geringer Lichtintensität durchführen muss. Daher braucht ein FMO-Komplex immer nur einzelne Anregungen weiterzuleiten, die dabei von einem Chromophor zum anderen springen. Da diese Moleküle unterschiedlich große Abstände voneinander haben, sind sie auch unterschiedlich stark miteinander gekoppelt. Besonders stark ist die Kopplung zwischen unmittelbar benachbarten Chromophoren, die ein Dimer bilden.

Die Forscher in Berkeley haben die Vorgänge im FMO-Komplex so realistisch wie möglich modelliert. In das Modell gingen die schon früher gemessenen Anregungsenergien der Chromophoren und ihre energetischen Kopplungen ein. Demnach nahmen zwei benachbarte Chromophoren (1 und 6), die ein Dimer bildeten, die von den lichtsammelnden Antennen kommende Energie auf und gaben sie weiter. Das Modell berücksichtigte zudem, dass eine Anregung auch von den Chromophoren auf das sie tragende Protein überwechseln und dadurch für die Photosynthese verlorengehen konnte.

Zu Beginn der Simulationen, die sowohl für tiefe (77 K) als auch für hohe (300 K) Temperaturen durchgeführt wurden, wurde das Chromophor 1 oder 6 angeregt. Alle anderen Chromophoren waren zunächst nicht angeregt. Die Simulationen ergaben, dass innerhalb von weniger als 100 fs alle sieben Chromophoren in einen verschränkten Quantenzustand übergingen, sodass sich keines von ihnen mehr in einem eindeutigen Zustand befand. Dabei waren die Bakteriochlorophyll-Moleküle über eine Entfernung von 2,8 nm hinweg quantenmechanisch verschränkt. Die Anregung konnte auf jedem der Chromophoren sitzen. Wo sie tatsächlich war, blieb unbestimmt.

Der verschränkte Zustand erwies sich als relativ langlebig. Bei tiefer Temperatur hielt die Verschränkung etwa 5 ps lang an, bei hoher Temperatur immerhin 2 ps. Diese Zeitspanne ist lang genug, um die vorhergesagte Verschränkung durch Femtosekundenspektroskopie nachweisen zu können. Ob es allerdings auch gelingt, den verschränkten Nichtgleichgewichtszustand durch Zustandstomographie detailliert zu vermessen, wie man das mit verschränkten Gleichgewichtszuständen z. B. von Atomen gemacht hat, ist noch offen.

Verschränkte Zustände in bestimmten Biomolekülen scheinen also auch in vivo längst nicht so fragil zu sein, wie man das vermuten könnte. Ob die quantenmechanische Verschränkung der Chromophoren einen direkten Vorteil für das Schwefelbakterium hat, etwa indem sie den Energietransport effizienter und schneller macht, ist noch unklar. In jedem Fall gibt das Schwefelbakterium einen Ansporn für die Nanotechnologie, auch bei Zimmertemperatur quantenmechanisch verschränkte Zustände zu nutzen.

RAINER SCHARF

Weitere Infos:

Weitere Literatur:

AL

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