25.02.2010

Physik macht gesund!

Medizinische Physik: Schnittstelle zwischen Forschung und praktischer Medizin

Physik Journal – Medizinische Physik: Schnittstelle zwischen Forschung und praktischer Medizin

Physik und Medizin – zwei Wissenschaften, die auf den ersten Blick kaum unterschiedlicher sein könnten: auf der einen Seite die Physik als exakte Natur­wissenschaft, die seit Galilei und Newton gelernt hat, durch Beobachtung, Abstraktion und Modellbildung die Kräfte und Gesetzmäßigkeiten aufzuspüren, die unsere Welt vom Atom bis zum Universum zusammenhält und vorantreibt. Auf der anderen Seite die Medizin, die es mit dem wohl komplexesten Sys­tem auf der Erde zu tun hat, dem Menschen. Zwar verstehen wir die molekularen und biochemischen Zusammenhänge des Lebens immer besser, sind aber noch weit davon entfernt, alle Erkrankungen des Menschen allein auf dieser Grundlage zu behandeln. Daher basiert der Erfolg der Medizin in großen Teilen auf klinischen Studien, d. h. auf der Erfahrung.


 

Abb.: Meinung von Prof. Dr. Klemens Zink. Er ist Physiker und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Physik (DGMP), die etwa 1400 Medizinphysiker vertritt. Die DGMP ist seit ihrem Bestehen mit der DPG assoziiert.

Beide Wissenschaften sind ­thematisch und methodisch deutlich gegeneinander abgegrenzt, dennoch gibt es einen Zweig der Physik, der beide in seinem Namen trägt: die Medizinische Physik. Ihren Ursprung hat dieses Fachgebiet in Deutschland in den 1950er-Jahren, als die ersten Kreisbeschleuniger und Kobalt-Anlagen in Forschungseinrichtungen und Kliniken installiert worden sind.

Die Wirkung und Anwendung ionisierender Strahlung auf den Menschen, die damals im Vordergrund stand, bildet auch heute noch das größte Arbeitsgebiet der Medizinischen Physik. Den wenigsten dürfte bewusst sein, dass bei den jährlich etwa 200 000 Bestrahlungen im Rahmen einer Krebstherapie stets ein Medizinphysiker in gemeinsamer Verantwortung mit einem Arzt die Behandlung plant und durchführt.

Techniken und Werkzeuge, die ursprünglich für die Hoch­energiephysik entwickelt worden sind, haben Einzug gehalten in die Medizinische Physik. So dienen Monte-Carlo-Simulationen dazu, die Dosisverteilung im Patienten zu berechnen. Im Bereich der Dosimetrie könnten sie sogar Messungen als „Goldstandard“ verdrängen.

Spektakulärstes Beispiel translationaler Forschung in der Medizinischen Physik sind die ersten Anlagen zur Partikeltherapie in München und Heidelberg, in denen hochenergetische Protonen oder Kohlenstoffkerne mit bislang nicht gekannter Präzision Tumore vernichten können.

Auch die bildgebenden Verfahren haben dank der Beiträge der Medizinischen Physik eine stürmische Entwicklung genommen. Ein Beispiel ist die Computer­tomographie, die in Teilen bereits heute eine virtuelle Reise durch den Patienten ermöglicht und damit in der Lage ist, krankhafte Veränderungen frühzeitig zu erkennen. Ein weiteres Beispiel ist die Magnetresonanztomographie, die verknüpft mit den Methoden der Spektroskopie auf dem Weg ist, die Bildgebung auf zellulärer oder molekularer Ebene im Patienten zu ermöglichen. Vergleichbare Anstrengungen gibt es in der nuklearmedizinischen Bildgebung mit dem Positronenemissions­tomographen.

Dass die starke Interdisziplinarität der Medizinischen Physik zunehmend junge Studierende anspricht, haben in den vergangenen Jahren auch Universitäten und Fachhochschulen erkannt. So sind an den Universitäten Dresden, Düsseldorf, Halle, Heidelberg und Oldenburg Masterstudiengänge für Medizinische Physik entstanden, die dieses Fachgebiet mit ihren verschiedenen Schwerpunkten in Forschung und Lehre wieder an den Hochschulen etablieren. Hintergrund dieser Entwicklung ist die stetig wachsende Komplexität der Anwendungen in der Medizinischen Physik, die eine stärkere Spezialisierung bereits im Studium erfordert.

Mit der alternden Gesellschaft steigt der Bedarf an diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen für Krebserkrankungen. Physikabsolventen bietet sich daher in diesem Bereich nicht einfach nur eine Berufsperspektive, sondern auch die Gelegenheit, zur Bewältigung einer großen gesellschaftlichen Herausforderung beizutragen.

Zudem sind diese Absolventen auch für die medizintechnische Industrie sehr gefragt – einer der wenigen Industriezweige, der in Deutschland und weltweit hohe Zuwachsraten zu verzeichnen hat.

Die Medizinische Physik mit ihrem Spektrum von angewandter Forschung bis hin zur klinischen Anwendung direkt am Patienten ist für Naturwissenschaftler nicht immer spannungsfrei. Denn die in Teilen noch sehr hierarchisch geprägten Strukturen in der Medizin sind einem Physiker manchmal fremd – aber sie ist hochattraktiv für alle, die an interdisziplinärer Arbeit Interesse haben.

Klemens Zink

Quelle: Physik Journal, März 2010, S. 3

Weitere Infos:

  • Homepage der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Physik: www.dgmp.de

 AH

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