29.05.2013

Physiker messen Sauerstoffverbrauch im Hirn

Magnetresonanztomographie soll helfen, durch Krankheit veränderten Sauerstoff-Stoffwechsel frühzeitig zu erkennen.

Tumorzellen zeigen einen deutlich veränderten Energiestoffwechsel im Vergleich zu gesunden Körperzellen. Während gesunde Zellen über 90 Prozent ihres Energiebedarfs durch die Umwandlung von Glucose unter dem Verbrauch von Sauerstoff decken (aerob), zeigen Tumorzellen einen überwiegend anaeroben Energiestoffwechsel. Auch bei anderen Krankheitsbildern, beispielsweise bei neurodegenerativen Erkrankungen, ist der Sauerstoffumsatz verändert. Die Heidelberger Forscher der Abteilung Medizinische Physik in der Radiologie des Deutschen Krebssforschungszentrums (DKFZ) wollen in einem von der Wilhelm Sander Stiftung geförderten Projekt den Sauerstoffverbrauch im Gewebe mittels Magnetresonanztomographie (MRT) quantitativ bestimmen. Mit dieser nicht-invasiven Technik soll es möglich sein, Zellveränderungen schnell aufzuspüren und damit Krankheiten möglichst frühzeitig zu diagnostizieren.

Abb.: Farbkarte der Verteilung der Sauerstoff-17-Konzentration im Gehirn eines gesunden Probanden, überlagert auf einem konventionellen H-1-MRT-Datensatz bei 7 Tesla. (Bild: W. Semmler)

Neben der konventionellen Form der MRT, bei der die Wasserstoffatome im Körper gemessen werden, kann diese Technik auch andere Elemente direkt nachweisen. Durch den Einsatz eines sehr starken Magnetfeldes, wie es mit dem 7-Tesla-MR-Tomographen am DKFZ zur Verfügung steht, und mit Hilfe spezieller Aufnahmetechniken lässt sich mit der MRT auch die Sauerstoffverteilung im Körper messen. Auf Grund des physikalischen Wirkungsprinzips kann jedoch nur eines der natürlich vorkommenden Sauerstoffisotope, das sehr seltene Sauerstoff-17, nachgewiesen werden.

Die relative Signalstärke des Sauerstoff-17-MRT-Signals im Körper liegt etwa um den Faktor 100.000 unter dem Signal für Protonen. Zusätzlich besitzt der Sauerstoff-17-Kern im Vergleich zum Proton ein elektrisches Quadrupolmoment, was zu einer sehr schnellen Relaxation des MR-Signals führt. Diese Eigenschaften machen für die direkte Bildgebung die Verwendung sehr starker Magnetfelder sowie den Einsatz spezieller Aufnahmetechniken („ultra short echo time“ (UTE)-Pulssequenzen) notwendig.

Die geringe Konzentration und besondere physikalische Eigenschaften machen die Sauerstoff-17-MRT zu einer großen Herausforderung. Gleichzeitig bietet die Sauerstoff-17-MRT aber die einzigartige Möglichkeit, den Stoffwechselpfad von eingeatmetem Sauerstoff zu Wasser in den Zellen nicht invasiv und quasi direkt zu beobachten.

Die Wissenschaftler um Wolfhard Semmler gehen davon aus, mit dem Einsatz der Sauerstoff-17-MRT, neue Informationen über die Stoffwechselaktivitäten im lebenden Gewebe zu erhalten. „Zum einen wollen wir neue Sende- und Empfangselektroniken entwickeln, um die schwachen Sauerstoff-17-Signale effizienter zu detektieren“, erklärt Semmler den Forschungsansatz. „Zum anderen wollen wir die Bildqualität weiter verbessern, um höhere Auflösungen zu erreichen und gleichzeitig eine quantitative Auswertung der Daten zu ermöglichen.“

Ziel des Projekts ist es, die entwickelten Methoden in einer Pilotstudie erstmals an Hirntumorpatienten anzuwenden und Hirn- bzw. Tumorregionen mit verändertem Sauerstoffumsatz in den Bilddaten zu lokalisieren. Diese Daten könnten zukünftig zum Beispiel bei der Bestrahlungsplanung mit einfließen und so dabei helfen, bestehende Therapien zu verbessern.

Die Wilhelm Sander-Stiftung fördert dieses Forschungsprojekt mit rund 190.000 Euro. Stiftungszweck ist die Förderung der medizinischen Forschung, insbesondere von Projekten im Rahmen der Krebsbekämpfung. Seit Gründung der Stiftung wurden insgesamt über 190 Mio. Euro für die Forschungsförderung in Deutschland und der Schweiz bewilligt. Die Stiftung geht aus dem Nachlass des gleichnamigen Unternehmers hervor, der 1973 verstorben ist.

DKFZ / PH

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