25.05.2004

Physiker retten Musik

Physik Journal – Teilchenphysiker fanden eine elegante Methode, um alte Tonaufnahmen ohne Berührung digital zu sichern.

Teilchenphysiker retten Musikschätze

Physik Journal – Teilchenphysiker fanden eine elegante Methode, um alte Tonaufnahmen ohne Berührung digital zu sichern.

Tausende von alten Tonaufnahmen schlummern in den Museumsarchiven. Gebannt auf empfindlichen Schellackplatten oder gar auf rund hundert Jahre alten Wachs-Trommeln könnten sie bei jedem Abspielen beschädigt werden. Amerikanische Teilchenphysiker vom Lawrence Berkeley National Laboratory (LBNL) fanden nun eine elegante Methode, diese wertvollen Klänge ohne eine Berührung mit einer Nadel wieder erschallen zu lassen und digital zu sichern. Mit einem konfokalen Lichtmikroskop fotografierten sie die Tonrillen einer alten Schellack-Platte. Das Abbild des Linienmusters werteten sie mit einem Programm der Art aus, wie es sonst üblicherweise zur Analyse von Flugbahnen in einem Elementarteilchendetektor genutzt wird. Völlig natürlich und rauschfrei erklang so das Lied „Nobody Knows the Trouble I‘ve Seen“ in einer fast 60 Jahre Aufnahme von Marian Anderson.

Ausgehend von hochaufgelösten lichtmikroskopischen Bildern der feinen Plattenrillen lassen sich alte und empfindliche Tonaufnahmen berührungsfrei rekonstruieren und abspielen. (Quelle: LBNL)

Entscheidend für den Erfolg des Verfahrens ist eine ausreichende Bildauflösung von vier Mikrometer in der Ebene und 100 Nanometer in der Senkrechten. Bei einer Platte, die mit 78 Umdrehungen pro Minute abgespielt wird und rund 160 Mikrometer breite Tonrillen hat, lassen sich die meist feineren Kratzer erkennen und bei der Bildauswertung „reparieren“. Übrig bleibt die reine Wellenstruktur der Rille, die beispielsweise für einen 10 Kilohertz-Ton zwischen Radien von 40 und 100 Mikrometer schwankt.

Ihre Erfahrungen aus der Analyse von Teilchenbahnen nutzen die Physiker, um die Wellenform der Rillen mathematisch exakt zu beschreiben. So wie sich Ladung und Impuls eines Elementarteilchens aus der Analyse der Flugbahn in einem Magnetfeld erschließt, lässt sich aus der Rillenstruktur eine Tonfolge mit ihren unterschiedlichen Frequenzen simulieren. Zentraler Teil dieser Computersimulation ist eine virtuelle Tonnadel. Gespeist mit den Gleichungen, die die Wellenform der Tonrillen beschreiben, vollführt sie im Rechner quasi die gleichen Bewegungen wie eine echte Nadel in realem Kontakt mit der Platte. Da jedes kleinste Nadelzittern genau einem Ton zugeordnet werden kann, erzielten die Forscher eine naturgetreue Wiedergabe, die nah an die ursprüngliche Aufnahmequalität heranreicht.

Mit der gleichen Methode ließen sich sogar die allerersten Tonaufnahmen, die über ein Muster auf einer Wachstrommel gespeichert wurden, kontaktfrei rekonstruieren. Auch zerbrochene Schellackscheiben können über die Rillenbilder im Rechner wieder zusammengesetzt und „abgespielt“ werden. Nach Aussage der LBNL-Forscher haben bereits Konservatoren der Kongressbibliothek in Wa­shington großes Interesse an dem Verfahren gezeigt, um ihr riesiges Tonarchiv auszuwerten und auf digitale Datenträger zu sichern.

Jan Oliver Löfken

Quelle: Physik Journal, Juni 2004

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