14.06.2017

Planck-Waage für das neue Kilogramm

Ab 2018 wird das Kilogramm über die Planck-Konstante definiert.

Wenn nächstes Jahr das Kilogramm neu definiert wird, werden die Tech­nische Universität Ilmenau und die Physi­kalisch-Technische Bundes­anstalt die Waage entwickelt haben, die nötig ist, um es zu messen: die Planck-Waage. Die hoch­präzise elek­tronische Waage misst nicht wie bisher mit Bezug auf das Ur-Kilogramm oder unter Einsatz von Gewichts­stücken, sondern bezieht sich auf eine unver­änderliche Natur­konstante: die Planck-Konstante. Die Waage wird weltweit zum Kali­brieren anderer Waagen dienen, damit diese mit der neuen Methode in Über­einstimmung gebracht werden. Sie wird aber auch direkt in der Industrie eingesetzt, um Gewichts­stücke zu messen. Zahlreiche gesell­schaftliche Bereiche haben einen großen Bedarf an hoch­präzisen Waagen: Pharma­unternehmen zum präzisen Dosieren von Medi­kamenten, Eichämter zum Kalibrieren von Lebensmittel­waagen und die Polizei bei foren­sischen Unter­suchungen, beim Nachweis von Giftstoffen und in der Ballistik.

Abb.: Prototyp einer Planck-Waage, die nach dem Prinzip der elektromagnetischen Kraftkompensation funktioniert. (Bild: TU Ilmenau)

Das Ur-Kilogramm – ein vier Zenti­meter kleiner Zylinder aus Platin und Iridium, der seit 1889 unter drei Glas­glocken in einem Tresor bei Paris steht – wird immer leichter. In hundert Jahren hat es 50 Millionstel Gramm verloren. Da sich alle Waagen auf der ganzen Welt über Umwege auf dieses Unikat beziehen, wird allent­halben, wenn auch nur minimal, falsch gewogen. Denn während das Ur-Kilo immer leichter wird, bleiben baugleiche Kopien des Prototyps weltweit stabil – was aber, da ja das Ur-Kilo das Maß aller Dinge ist, theo­retisch bedeutet, dass sie langsam schwerer werden. Benötigt wird ein neuer Standard, der sich niemals verändert, nicht beschädigt werden oder gar verloren gehen kann.

2018 wird auf der 26. General­konferenz für Maß und Gewicht in Paris ein neues „Kilogramm“ verabschiedet – eines, das nicht mehr über einen Gegen­stand, eine physische Masse, definiert wird, sondern über eine Naturk­onstante: die Planck-Konstante. Die hoch­präzise, stufenlos messende Planck-Waage funk­tioniert nach dem Prinzip der elektro­magnetischen Kraft­kompensation. Verein­facht gesagt, wird ein zu wiegendes Masse­stück auf der einen Seite der Waage durch eine elek­trische Kraft auf der anderen Seite aufgewogen. Diese elek­trische Kraft ist untrennbar mit der Planck-Konstante verbunden und lässt sich so unmittelbar auf die neue Kilo­gramm-Definition zurückführen. Da die Waage das erste selbst­kalibrierende Messgerät seiner Art ist, werden Masse-Normale, die bisher als Referenz­massen für die Kali­brierung von Waagen dienen, nicht benötigt. Ein weiterer Vorteil der Planck-Waage ist ihr großer Mess­bereich: Er reicht von einem Milligramm bis zu einem Kilogramm. Ende dieses Jahres wird ein erster Prototyp der Waage einsetzbar sein.

Das Institut für Prozessmess- und Sensor­technik der TU Ilmenau, das die Planck-Waage feder­führend unter der wissen­schaftlichen Verant­wortung von Thomas Fröhlich mitent­wickelt, ist im Bereich der indus­triellen Kraftmess- und Wäge­technik und der nanometer­genauen Lasermess­technik weltweit führend. Die Erkenntnisse, die aus der Entwicklung eines 1-kg-Prototyp­komparators gewonnen wurden, flossen direkt in die Forschung zur Planck-Waage ein. Dieser hoch­genaue Masse­komparator wird bereits in metro­logischen Staats­instituten auf der ganzen Welt für den Vergleich von Kilo­gramm-Prototypen eingesetzt.

Die Physi­kalisch-Technische Bundes­anstalt ist als weltweit führendes Metrologie­institut maß­geblich an der Neude­finition des Kilogramms beteiligt und trägt dazu bei, das gesamte inter­nationale Einheiten­system mit all seinen physika­lischen Größen auf eine Basis von unveränder­lichen Naturk­onstanten zu stellen. Um das Kilogramm auf der Basis von Natur­konstanten neu zu definieren, werden weltweit zwei Wege verfolgt: das Avogadro-Experi­ment, in dem in einem nahezu perfekten Kristall, einer Kugel aus isotopen­reinem Silizium, die Zahl der Atome bestimmt wird. Und die Watt-Waage, die ähnlich wie die Planck-Waage die Gewichts­kraft einer Masse im Schwere­feld der Erde durch eine elektro­magnetische Kraft kompen­siert. Für beide Expe­rimente wird der Wert der Planck-Konstante ermittelt, sodass sich beide Ansätze auf der Ziellinie treffen. Während die PTB vor allem den Weg über die Silizium­kugel beschreitet, favo­risieren andere Metrologie­institute wie das US-ameri­kanische National Institute of Standards and Techno­logy (NIST) und das kana­dische National Research Council (NRC) die Watt-Waage.

TU Ilmenau / JOL

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