15.07.2004

Planetarische Samenkörner

Ketten kosmischer Staubpartikel könnten die Grundlage für Planetenbildung sein.


Planetarische Samenkörner

Jena - Aus gigantischen Staubscheiben, die um eine Sonne rotieren, formieren sich Planeten. Auch unsere Erde fand in solchen protoplanetaren Strukturen vor rund 4,6 Milliarden Jahren ihren Ursprung. Den allerersten Anfang bilden dabei nicht - wie lange angenommen - kompakte kleine Dreckklumpen, sondern eher schlanke Ketten aus kosmischen Staubpartikeln. Zu diesem Ergebnis kommen deutsche Physiker, die das Verhalten von mikroskopisch kleinen Kugeln aus Siliziumdioxid in der Schwerelosigkeit eines Shuttle-Flugs und bei einem Forschungsflug einer unbemannten Rakete beobachten haben. Nach Veröffentlichung der ersten Ergebnisse bereits vor vier Jahren, präsentieren sie nun in der Fachzeitschrift "Physical Review Letters" weitere experimentelle Daten, die diese Theorie unterstützen,

"Die Mikrogravitation an Bord der Maser-Rakete hielt sechs Minuten vor, lang genug für die Entwicklung von Staubpartikeln beträchtlicher Größe", schreiben Maya Krause von der Universität Jena und ihr Kollege Jürgen Blum von der Technischen Universität Braunschweig. Um die Anfänge kosmischer Planetenbildung nachzustellen, verteilten sie in einem Gastank 500 Nanometer kleine Kugeln aus Quarz bei einer konstanten Temperatur. Bei der geringen Erdanziehungskraft an Bord der Rakete verteilten sich diese Partikel unter Einfluss einer thermalen Brownschen Bewegung. Während der zufälligen Kollisionen konnten sich diese - verbunden durch schwache van-der-Waals-Kräfte - zu komplexeren Strukturen zusammenfügen.


Staubpartikelketten könnten  die "Samenkörner" der Planetenbildung in der Umgebung eines Protosterns ein. (J. Blum/Braunschweig Technical Univ.)

Ein Mikroskop verfolgte die Bewegungen und die Agglomeration der Teilchen über mehrere Minuten. Die so gewonnenen Bilder zeigten unerwartet lockere Partikelstrukturen, die aus langen Ketten statt aus kompakteren Klumpen bestanden. Die Masse dieser Konglomerate konnten die Forscher über das von ihnen absorbierte Licht abschätzen. Die kettenförmigen Strukturen jedoch offenbarten sich in ausgedehnten Flecken. Kompakte Klumpen hätte das Mikroskop als kleine schwarze Punkte aufgenommen. Damit widersprechen diese experimentellen Daten zahlreichen Computermodellen, die von dicht gepackten Staubhaufen bei der Geburt eines neuen Planeten ausgingen.

Blum vermutet, dass die Brownsche Bewegung die wachsenden Partikelketten sehr schnell innerhalb von wenigen Mikrosekunden rotieren lässt. Vergleichbar mit den Drehungen eines Rotorblattes hätten dadurch neue Teilchen kaum eine Chance, sich in der Mitte der Kette anzulagern und blieben eher an den jeweiligen Enden hängen. Erst wenn sich einzelne Verzweigungen ausbilden, könnten sich nach und nach durch eine zunehmende Vernetzung kompaktere Brocken bilden. Aus ihren Daten konnten die Physiker auch die Wachstumsgeschwindigkeit abschätzen. Die Masse der Komplexe nimmt dabei leicht exponentiell (Faktor 1,7) zu.


Innerhalb der hellen Staubwolke im Zentrum dieser Infrarot-Aufnahme, könnten Staubpartikelketten die Grundlage der Planetenbildung sein. (NASA/JPL-Caltech/G. Melnick (Harvard-Smithsonian Ctr. for Astrophys.))


Diese neuen Erkenntnisse könnten nun Astronomen helfen, aktuelle Daten aus Regionen, in denen sich Planeten bilden, besser zu interpretieren. Doch bleibt noch zu überprüfen, wie sich diese Kettenstrukturen tatsächlich zu planetenbildende Klumpen mit Durchmessern von über einem Meter weiter entwickeln könnten.


Jan Oliver Löfken

Weitere Infos:



Weitere Literatur:

  • J. Blum et al., "Growth and Form of Planetary Seedlings: Results from a Microgravity Aggregation Experiment," Phys. Rev. Lett. 85, 2426 (2000).


  • J. Blum, in Astrophysics of Dust, edited by A. Witt, G. Clayton, and B. Draine, ASP Conference Series Vol. 309 (The Astronomical Society of the Pacific, San Francisco, 2004), p. 369.


  • S. J. Weidenschilling and J. N. Cuzzi, in Protostars and Planets III, edited by E. Levy and J. I. Lunine (University of Arizona Press, Tucson, 1993), p. 1031.


  • R. H. Huijser, E.G. van der Sar, R. Schelling, and C. Rens, in Proceedings of the ESA Symposium on European Rocket and Balloon Programmes and Related Research, Potsdam, Germany, 1999, edited by B. Kaldeich-Schürmann (ESA Publications, Noordwijk, 1999), p. 511.


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