22.08.2024

Planeten enthalten mehr Wasser als gedacht

Neues Modell zeigt, dass sich das meiste Wasser im Innern der Exoplaneten befindet.

Von der Erde weiß man, dass sie einen Kern aus Eisen, darüber einen Mantel aus Silikat­gestein und an der Oberfläche zusammen­hängende Wasser­massen der Ozeane hat. Dieses einfache Planeten­modell wurde in der Wissenschaft bisher auch verwendet, wenn es um die Erforschung von Exoplaneten ging, die außerhalb unseres Sonnen­systems um einen anderen Stern kreisen. „Erst in den letzten Jahren hat man angefangen zu berück­sichtigen, dass Planeten komplexer sind“, sagt Caroline Dorn von der ETH Zürich.

Abb.: Magma-Ozean-Planeten, die Wasser enthalten – wie der erdähnliche...
Abb.: Magma-Ozean-Planeten, die Wasser enthalten – wie der erdähnliche Exoplanet GJ 1214 b in dieser künstlerischen Darstellung –, beherbergen nur einen winzigen Bruchteil Wasser an ihrer Oberfläche. Der Großteil davon ist tief im Innern gespeichert.
Quelle: R. Hurt, NASA / JPL-Caltech

Die meisten der Exoplaneten, die man heute kennt, befinden sich nahe bei ihrem Stern. Es sind deshalb vor allem heiße Welten, die noch keinen ausgekühlten Mantel aus Silikat­gestein haben wie die Erde, sondern Ozeane aus geschmolzenem Magma. Wasser löst sich sehr gut in diesen Magma-Ozeanen – im Gegensatz beispiels­weise zu Kohlendioxid, das schnell ausgast und in die Atmosphäre aufsteigt. Unter dem geschmolzenen Silikat­mantel befindet sich der Eisenkern. Wie steht es nun mit der Verteilung des Wassers zwischen den Silikaten und dem Eisen? Genau dies untersuchte Dorn zusammen mit Haiyang Luo und Jie Deng von der amerikanischen Princeton University mit Hilfe von Modell­rechnungen auf der Basis der grundlegenden physika­lischen Gesetze. 

„Der Eisenkern bildet sich erst mit der Zeit. Anfänglich ist noch ein großer Anteil Eisen in Form von Tröpfchen in der heißen Magma­suppe vorhanden“, sagt Dorn. Das in der Magmasuppe gelöste Wasser verbindet sich gerne mit diesen Eisen-Tröpfchen und sinkt mit ihnen zum Kern. „Die Eisen-Tröpfchen verhalten sich wie ein Fahrstuhl, der das Wasser nach unten bringt“, so Dorn. Bisher kannte man dieses Verhalten nur für gemäßigte Drücke, wie sie auch in der Erde herrschen. Für größere Planeten mit höheren Drücken im Innern wusste man nicht, was geschieht. 

„Je größer der Planet und je mehr Masse damit vorhanden ist, umso mehr ist das Wasser geneigt, mit den Eisen-Tröpfchen zum Kern zu sinken“, sagt Dorn. Eisen kann unter bestimmten Bedingungen bis zu siebzigmal mehr Wasser aufnehmen als die Silikate. Das Wasser kommt unter dem enormen Druck im Kern dann aber nicht mehr in Form von Wasser­molekülen vor, sondern als Wasserstoff und Sauerstoff.

Auslöser für diese Studie waren Untersuchungen zum Wassergehalt der Erde, die vor vier Jahren zu einem überraschenden Resultat kamen: Die Ozeane an der Erdober­fläche enthalten nur einen kleinen Teil der gesamten Wassermenge unseres Planeten. Der Inhalt von mehr als achtzig Erdozeanen könnte im Erdinnern versteckt sein. Dies zeigen Simulationen, die berechneten, wie sich das Wasser bei Bedingungen verhält, die auf der jungen Erde geherrscht hatten. Experimente und seismo­logische Messungen sind damit vereinbar.

Die neuen Erkenntnisse über die Wasser­verteilung in Planeten haben drastische Auswirkung auf die Inter­pretation astro­nomischer Beobachtungs­daten. Mit ihren Teleskopen im All und auf der Erde können die Astro­nominnen und Astronomen unter bestimmten Umständen messen, wie schwer und wie groß ein Exoplanet ist. Daraus erstellen sie Masse-Radien-Diagramme, aus denen sich Rückschlüsse auf die Zusammen­setzung des Planeten ziehen lassen. Ignoriert man dabei – wie bisher – die Löslichkeit und Verteilung des Wassers, so unterschätzt man die Wassermenge drastisch, bis zum Zehnfachen. „Planeten sind viel wasser­reicher als bisher gedacht“, sagt Dorn.

Die Wasserverteilung ist auch wichtig, wenn man verstehen will, wie Planeten entstehen und sich entwickeln. Das Wasser, das in den Kern gesunken ist, bleibt für immer dort einge­schlossen. Das im Magma-Ozean des Mantels gelöste Wasser hingegen kann während der Abkühlung des Erdmantels ausgasen und an die Oberfläche gelangen. „Wenn man also Wasser in der Atmosphäre eines Planeten findet, dann gibt es wahr­scheinlich sehr viel mehr davon im Innern“, erklärt Dorn.

Danach sucht das James-Webb-Weltraum­teleskop, das seit zwei Jahren Daten aus dem All zur Erde sendet. Es kann Moleküle in der Atmo­sphäre von Exoplaneten aufspüren. „Nur die Zusammensetzung der oberen Atmosphäre von Exoplaneten kann man direkt messen“, erklärt die Forscherin: „Wir wollen in unserer Gruppe die Verbindung von der Atmosphäre zum tiefen Inneren der Himmels­körper machen.“ Besonders interessant sind neue Daten des Exoplaneten namens TOI-270d. „Dort hat man Hinweise gesammelt, dass es solche Inter­aktionen zwischen dem Magma-Ozean im Innern und der Atmo­sphäre tatsächlich gibt“, sagt Dorn. Auf ihrer Liste von spannenden Objekten, die sie näher untersuchen will, befindet sich auch der Planet K2-18b, der Schlag­zeilen machte, weil es darauf vielleicht Leben geben könnte.

Wasser gilt als eine der Voraus­setzungen, dass sich Leben entwickeln kann. Lange wurde über eine mögliche Bewohnbarkeit von wasserreichen Supererden spekuliert, also von Planeten von der Größe einiger Erdmassen, deren Oberfläche von einem tiefen, globalen Ozean bedeckt ist. Dann legten Berechnungen nahe, dass zu viel Wasser lebens­feindlich sein könnte. Denn auf diesen Wasserwelten würde am Übergang zwischen Ozean und Planeten­mantel eine Schicht von exotischem Hochdruckeis den Austausch lebenswichtiger Stoffe verhindern, so die Argumentation.

Die neue Studie kommt nun zu einem anderen Schluss: Welten mit tiefen Wasser­schichten kommen wahrscheinlich nicht häufig vor, da sich der Großteil des Wassers auf Supererden nicht wie bisher angenommen auf der Ober­fläche befindet, sondern im Kern einge­schlossen ist. Daher könnten sogar Planeten mit einem relativ hohen Wasser­anteil das Potenzial haben, erdähnliche, lebens­freundliche Bedingungen zu entwickeln, vermuten die Forschenden. Ihre Studie werfe damit ein neues Licht auf die mögliche Existenz von wasser­reichen Welten, die Leben beherbergen könnten, so das Fazit von Dorn und ihren Kollegen.

ETHZ / JOL

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