Planeten sind die Regel, nicht die Ausnahme
Statistische Analysen zeigen: Jeder Einzelstern besitzt mindestens einen Planeten – und ein Prozent der engen Doppelsterne wird von einem Riesenplaneten umkreist.
In den vergangenen 16 Jahren haben Astronomen über 700 Planeten bei anderen Sternen – kurz Exoplaneten genannt – aufgespürt. Doch bislang blieb ein wichtige Frage offen: Wie groß ist der Anteil der Sterne, die von Planeten umkreist werden? Die statistische Analyse der über sechs Jahre gesammelten Daten aus der Überwachung von Millionen von Sternen liefert nun eine Antwort: Im Mittel besitzt jeder Einzelstern in der Milchstraße mindestens einen Planeten.
Abb.: Der Exoplanet Kepler-35b hat etwa die Größe des Saturn und umläuft ein enges Paar sonnenähnlicher Sterne, die sich in nur 21 Tagen umkreisen. (Bild: Lior Taylor)
„Unsere Daten zeigen, dass es in der Milchstraße mehr Planeten gibt als Sterne“, erläutert Arnaud Cassan vom Institut d’Astrophysique de Paris, der Erstautor der Studie. „Außerdem haben wir herausgefunden, dass leichtere Planeten, wie Super-Erden oder kühle Neptuns, häufiger vorkommen als schwere.“ Die Analyse von Cassan und seinen Kollegen basiert auf der Suche nach durch den so genannten Mikro-Gravitationslinseneffekt ausgelösten Helligkeitsschwankungen bei Hintergrundsternen. Projekte wie das „Optical Gravitational Lensing Experiment“ Ogle und „Microlensing Observations in Astrophysics“ Moa überwachen ständig Millionen von Sternen auf verräterische Helligkeitsänderungen. Sofortige Nachfolgebeobachtungen im Rahmen des “Probing Lensing Anomalies Networks“ Planet sowie des „Microlensing Follow-Up Networks“ µFun suchen in den Lichtkurven nach Spuren zusätzlicher Effekte durch Planeten.
Zieht ein Stern von der Erde aus gesehen nahe vor einem anderen Stern vorüber, so führt die Lichtablenkung in seinem Gravitationsfeld zu charakteristischen Helligkeitsänderungen bei dem Hintergrundstern. Planeten, die den Vordergrundstern umkreisen, führen zu kleinen zusätzlichen Helligkeitsänderungen bei diesem Mikro-Gravitationslinseneffekt.
Die meisten der Exoplaneten sind entweder mit der Radialgeschwindigkeitsmethode oder der Transitmethode aufgespürt worden. Beide Verfahren präferieren massereiche Planeten auf engen Umlaufbahnen. Das Mikro-Gravitationslinsen-Verfahren besitzt im Vergleich dazu eine höhere Empfindlichkeit für Planeten mit größeren Bahnradien und geringeren Massen. Die Analyse von Cassan und seinen Kollegen liefert daher Aussagen über Planeten mit Bahnradien von 0,5 bis 10 astronomischen Einheiten und Massen von zehn Jupiter- bis hinab zu fünf Erdmassen.
Die Forscher kommen auf Basis ihrer Daten zu dem Schluss, dass 62 Prozent der Sterne in der Milchstraße eine Super-Erde mit der fünf- bis zehnfachen Masse der Erde und 52 Prozent der Sterne einen kühlen neptunähnlichen Planeten mit der 10- bis 30-fachen Erdmasse besitzen. Jupiterähnliche Planeten kommen mit 17 Prozent deutlich seltener vor. Die Daten lassen vermuten, so die Forscher, dass erdähnliche Planeten sogar noch häufiger sind als Super-Erden. „Früher haben wir gedacht, die Erde sei einzigartig in der Milchstraße“, so Daniel Kubas, ein weiteres Mitglied des Teams. „Doch es scheint Milliarden von Planeten mit Massen ähnlich der Erde zu geben, die Sterne in der Galaxis umkreisen.“
Allerdings gilt die Analyse von Cassan und seinen Kollegen nur für Einzelsterne – bei Mehrfachsternen sind die Lichtkurven durch den Mikro-Gravitationslinseneffekt zu komplex, um eine verlässliche Aussage zu ermöglichen. Da jedoch etwa die Hälfte aller Sterne Mitglied in einem Doppel- oder Mehrfachsystem ist, klafft hier noch eine große Lücke in der Statistik. William Welsh von der San Diego University und seine Kollegen haben einen ersten Schritt unternommen, um auch diese Lücke zu schließen.
Erst im Herbst vergangenen Jahres hatte ein internationales Forscherteam erstmals einen direkten Beweis für die Existenz eines Planeten gefunden, der um zwei Sonnen kreist. Welsh und sein Team melden nun die Entdeckung zweier weiterer Planeten in engen Doppelsternsystemen. Die mit der Transitmethode vom Satelliten-Observatorium Kepler aufgespürten Exoplaneten haben eine Masse von 0,22 bzw. 0,13 Jupitermassen und umkreisen ihre sonnenähnlichen Zentralsterne in Entfernungen von 1,1 bzw. 0,6 Astronomischen Einheiten.
Kepler überwacht die Helligkeit von 155.000 Sternen. Darunter befinden sich über 2000 Bedeckungsveränderliche – Doppelsterne, deren Umlaufbahnen gerade so liegen, dass sie sich von der Erde aus gesehen periodisch bedecken. Auf Basis dieser Zahlen und den jetzt drei entdeckten großen Planeten bei solchen Doppelsternen schließen Welsh und seine Kollegen, dass mehr als ein Prozent der engen Doppelsterne einen Riesenplaneten in der Bahnebene der Sterne besitzt.
Doch diese Schätzung ist äußerst konservativ. Alle drei Planeten kreisen auf relativ engen Bahnen – nahe an der Stabilitätsgrenze für solche Systeme. Je länger Kepler beobachtet, desto größer wird die Chance, auch Planeten mit größeren Umlaufbahnen um Doppelsterne aufzuspüren. Es ist durchaus wahrscheinlich, dass die Zahl der Planeten bei Doppelsternen dann rasant zunimmt.
Rainer Kayser
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