Planetenentstehung bei Zwergsternen
Ringstrukturen in protoplanetaren Scheiben von jungen, massearmen Sternen entdeckt.
Astronomen haben bislang etwa 4400 Planeten in mehr als 3200 Planetensystemen um andere Sterne gefunden. Doch nur etwa zehn Prozent der bekannten Exoplaneten umkreisen rote Zwerge, obwohl diese Sterne etwa drei Viertel der Sternenpopulation in der Milchstraße ausmachen. Rote Zwerge leuchten extrem schwach, was es schwierig macht, sie abzubilden und zu untersuchen. Aus den gleichen Gründen wissen Astronomen bislang nur wenig über die Prozesse, mit denen in den Scheiben aus Gas und Staub um junge Zwergsterne Planeten entstehen. Um mehr darüber zu erfahren, hat ein Team um Nicolas Kurtovic vom MPI für Astronomie in Heidelberg sechs solcher Scheiben um junge Sterne mit sehr geringer Masse mit hoher Auflösung abgebildet und analysiert.
„Trotz der enormen Fortschritte, die im Verständnis der Planetenbildung in den letzten Jahrzehnten erzielt wurden, wissen wir nicht viel darüber, wie die Planeten der häufigsten Sterne entstehen“, sagt Kurtovic. Insbesondere die Entdeckung von jupiterähnlichen Planeten in der Umlaufbahn von Zwergsternen wie GJ 3512 ist überraschend und widerspricht dem allgemein akzeptierten Modell der Planetenentstehung. Die zirkumstellaren Scheiben von Zwergsternen, aus denen die Planeten hervorgehen, haben vergleichsweise geringe Mengen an Material, was das Entstehen von massereichen Planeten erschweren sollte.
Kurtovic und seine Kollegen beobachteten die Objekte mit dem Atacama Large Millimeter/Submillimeter Array ALMA bei einer Wellenlänge von 0,87 Millimetern, um Staub und Gas mit einer Winkelauflösung von 0,1 Bogensekunden aufzuspüren. Veröffentlichte Daten ergänzen die Untersuchung. Unter Berücksichtigung der optischen Eigenschaften des Teleskops modellierten sie die wahrscheinliche wahre Form der Scheiben. Die Hälfte der untersuchten Scheiben zeigen ringförmige Strukturen aus Staub, die sich zwischen 50 und 90 Astronomischen Einheiten vom Stern entfernt erstrecken.
Ihre Formen ähneln denen größerer Scheiben massereicherer junger Sterne. Astronomen erklären solche Ringe mit Riesenplaneten, die während ihres Umlaufs um den Zentralstern Staub und Gas aufsammeln. „Wir untersuchten mehrere alternative physikalische Prozesse, um die Muster zu erklären“, so Kurtovic. Doch die Wechselwirkung mit großen Planeten blieb auch hier die plausibelste Erklärung. Die Größe der Lücken würde Planetenmassen ähnlich wie die des Saturn erfordern.
Die Scheiben um die Zwergsterne enthalten sicherlich genug Material, um neugeborene Planeten zu versorgen. Das ist jedoch nicht die größte Herausforderung. Noch schwieriger ist es, den Staub schnell genug zu verdichten, um Planetenembryos zu bilden, auf denen sich das Gas zu Planeten anreichert. Zeit ist von entscheidender Bedeutung, da sich der Staub allmählich nach innen bewegt und schließlich in der Nähe des Sterns verdampft. Diese radiale Wanderung ist etwa doppelt so schnell wie bei den massereicheren Sternen, sodass den Gesteinsembryos wenig Zeit zum Wachsen bleibt.
„Wir schätzen, dass sich die ringförmigen Strukturen innerhalb von nur 200.000 Jahren gebildet haben müssen, bevor der Staub zum Zentralgestirn gewandert wäre“, erklärt Paola Pinilla vom MPI für Astronomie. Wenn die Planeten-Embryos einmal vorhanden sind, fungieren die Lücken, die sie während des Umlaufs um den Stern schaffen, als Grenze, die vom Staub nicht überquert werden kann. In diesem Stadium kann der Planet durch die Anlagerung von Gas und Staub stetig wachsen. Kurtovic und seine Kollegen zeigen, dass die Staubscheiben in viermal so große Gasscheiben eingebettet sind. Anfangs müssen sie beide die gleiche Ausdehnung gehabt haben. Das zeigt, wie weit der Staub gewandert war, bevor er die aktuelle Position einnahm.
Die Untersuchung hat gezeigt, dass Astronomen bei entsprechender Instrumentierung selbst in den Scheiben der Zwergsterne in die Geburtsstätten der Planeten hineinschauen können. Das öffnet neue Möglichkeiten, ein adäquates Modell der Planetenentstehung auch für die kleinsten Sterne zu entwickeln. „Wir wissen immer noch nicht, wie verbreitet Planeten um rote Zwergsterne sind“, so Kurtovic. Die Langlebigkeit von Planetensystemen bei roten Zwergen mache solche Systeme jedoch auch für die Suche nach außerirdischem Leben besonders interessant. Daher könnten die schwachen roten Sterne die interessantesten der Galaxis sein.
MPIA / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
N. T. Kurtovic et al.: Size and structures of disks around very low mass stars in the Taurus star-forming region, Astron. Astroph. 645, A139 (2021); DOI: 10.1051/0004-6361/202038983 - Abt. Planeten- und Sternentstehung, Max-Planck-Institut für Astronomie, Heidelberg
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