23.04.2018

Plasmafäden machen Gammablitze

Starker Elektronenstrahl kann intensive und sehr effiziente Gammastrahlungsblitze erzeugen.

Anhand von Modellrechnungen haben Physiker des Heidel­berger MPI für Kern­physik (MPIK) eine neue Methode für eine effiziente und brillante Gamma­strahlungs­quelle vorgeschlagen. Ein gigantischer Gamma­strahlungs­blitz entsteht hier durch die Wechsel­wirkung eines dichten ultra-relativistischen Elektronen­strahls mit einem dünnen leitenden Fest­körper. Die reichliche Produktion energetischer Gamma­strahlen beruht auf der Aufspaltung des Elektronen­strahls in einzelne Filamente, während dieser den Fest­körper durchquert. Die erreichbare Energie und Intensität der Gamma­strahlung eröffnet neue und fundamentale Experimente in der Kern­physik.

Abb.: Illustration zur effizienten Erzeugung von Gamma­strahlung (blau) durch einen ultra­relativistischen Elektronen­strahl (grün) hoher Dichte, der in einer dünnen Metall­folie in Filamente zerfällt. (Bild: MPIK)

Die typische Wellenlänge des Lichtes, die mit einem Objekt des Mikro­kosmos wechselwirkt, ist umso kürzer, je kleiner dieses Objekt ist. Für Atome reicht dies typischer­weise vom sichtbaren Licht bis zu Ultra­violett- (UV) und Röntgen­strahlung. Für die Wechsel­wirkung mit Atom­kernen, die zehn- bis hundert­tausend Mal kleiner sind als Atome, braucht es die noch kurz­welligere und energie­reichere Gammastrahlung. Bis heute existieren keine effizienten Gamma­quellen. Das Interesse der Forscher daran ist aber sehr groß, denn diese würden ganz neue, bisher unerreichte Möglich­keiten bieten: von der Untersuchung der Struktur von Atom­kernen über exotische Prozesse in Kern­materie bis hin zu kern­technischen und medizinischen Anwendungen.

Es wurden verschiedene Methoden vorgeschlagen, intensive Gamma­strahlung mit Photon-Energien von mehreren Millionen Elektronen­volt (eV) zu erzeugen. In allen Fällen wird versucht, mit einem extrem leistungs­starken Laser Elektronen zu beschleunigen und deren Energie in Gamma­strahlung umzuwandeln. Eine Möglichkeit wurde kürzlich an der „Extreme Light Infrastructure“ (ELI) in Rumänien betrachtet: Hier kollidieren optischen Photonen eines Laser­strahls mit relativistischen Elektronen werden dabei per Compton-Effekt auf Gamma-Energien „hoch­gestreut“. Die Effizienz der Energie­übertragung ist aber – wie auch bei allen anderen bisher diskutierten Mechanismen – gering: ungefähr zehn Prozent bei Einsatz eines Lasers der Zehn-Petawatt-Klasse.

Physiker um Teamleiter Matteo Tamburini in der Abteilung „Theoretische Quanten­dynamik und Quanten­elektro­dynamik“ unter Direktor Christoph Keitel am MPIK haben nun einen neu­artigen Mechanismus vorgeschlagen: Ihre Simulations­rechnungen zeigen, dass bis zu sechzig Prozent Konversions­effizienz erreichbar sind, wenn ein hoch­energetischer (2 GeV), gut fokussierter Elektronen­strahl extrem hoher Dichte auf eine dünnes (0,5 mm) elektrisch leitendes Fest­körper­plättchen als Target geschossen wird. Unter „normalen“ Umständen würde ein solcher Elektronen­strahl wie in einer Röntgen­röhre Brems­strahlung erzeugen. Deren Energie erstreckt sich über ein breites Spektrum bis zur maximal umwandel­baren kinetischen Energie der Elektronen als obere Grenze.

Bei sehr hoher Dichte des Elektronen­strahls (vergleichbar mit der Dichte von Molekülen in der Luft) wird das Target­material verändert und dies hat Rück­wirkungen auf den Elektronen­strahl selbst. Hierzu tragen in erster Linie die im leit­fähigen Material frei beweglichen Elektronen bei, welche in einer Art „Gegen­strom“ den eindringenden Elektronen­strahl kompensieren. Beide sich über­lappenden Ströme erzeugen starke elektro­magnetische Felder und Instabilitäten, wodurch der einfallende Elektronen­strahl in einzelne Filamente zerfällt. Dies wiederum verstärkt nochmals die selbst­erzeugten Felder, welche heftige Beschleunigungen der ultra-relativistischen Elektronen bewirken, was letzt­endlich zu einer gigantischen Emission von Synchrotron­strahlung führt. Diese übertrifft die gewöhnliche Brems­strahlung um bis zu einen Faktor 1000 an Brillanz.

Im Vergleich mit ELI ist eine jeweils um mehr als zwei Größen­ordnungen höhere Brillanz und höhere Gamma-Energien zu erwarten. Darüber hinaus ist die neue Methode sehr effizient. Die Dauer der Gamma­strahlungs­blitze ist durch die Länge der Elektronen­pakte bestimmt und liegt unter dreißig Femtosekunden.

Die für den Mechanismus selbst­verstärkender Felder erforderliche Elektronen­dichte ist eine technische Herausforderung. Herkömmliche Laser mit 200 Tera­watt Leistung und einer Wieder­hol­rate von einem bis zehn Hertz, also einigen Blitzen pro Sekunde, stehen zur routine­mäßigen Erzeugung und Beschleunigung ultra-relativistischer Elektronen­strahlen zur Verfügung. Allerdings liegt die bisher erreichte Elektronen­dichte noch einen Faktor zehn bis 100 zu niedrig. Der erreichbare gesamte Elektronen­fluss wäre aber ausreichend, wenn es gelänge, den Strahl stärker auf das Target zur Erzeugung von Gamma­strahlung zu fokussieren. Ein typisches Target wäre eine Metall­folie von 0,5 Millimeter Stärke. In der Simulation wurde Strontium untersucht, die Art des Metalls ist aber unkritisch – auch herkömmliches Aluminium sollte sich eignen.

MPIK / DE

Anbieter des Monats

Quantum Design GmbH

Quantum Design GmbH

Forschung lebt von Präzision. Seit über 40 Jahren steht Quantum Design für innovative Messtechnik auf höchstem Niveau – entwickelt in Kalifornien, betreut weltweit. Unsere Systeme sind der Goldstandard in der Materialcharakterisierung und ermöglichen tiefe Einblicke in die magnetischen, thermischen und optischen Eigenschaften von neuen Materialien.

Sonderhefte

Physics' Best und Best of
Sonderausgaben

Physics' Best und Best of

Die Sonder­ausgaben präsentieren kompakt und übersichtlich neue Produkt­informationen und ihre Anwendungen und bieten für Nutzer wie Unternehmen ein zusätzliches Forum.

Meist gelesen

Themen