Plasmonen eröffnen verbotene Übergänge
Nach einem neuen theoretischen Modell können Ladungswellen auf zweidimensionalen Materialien die Lichtemission maßgeblich beeinflussen.
Fallen Elektronen von höheren Energieniveaus auf niedrigere zurück, kann es zur Emission von Photonen kommen. Viele diese Übergänge sind allerdings nach konventionellen Regeln verboten. Allerdings können zweidimensionale Materialien wie etwa Graphen helfen, diese Regeln zu umgehen. Das dazu passende theoretische Modell arbeiteten nun Nick Rivera und seine Kollegen vom Massachusetts Institute of Technology in Cambridge aus. Damit eröffnen sich viele Möglichkeiten, um neue Lichtquellen, Sensorsysteme und sogar Emitter für verschränkte Photonenpaare zu entwickeln.
Abb.: Verbotenes Licht: In der Nähe von zweidimensionalen Materialien wie Graphen können angeregte Atome Photonen über konventionell verbotene elektronische Übergänge aussenden. (Bild: N. Rivera et al., MIT)
„Wenn ein Material in die Nähe von Graphen gebracht wird, können die Elektronen in diesem Material zu einer nach konventionellen Regeln verbotenen Lichtemission führen“, sagt Nick Rivera. Zu diesen verbotenen Übergängen zählte er im wesentlichen drei verschiedene Prozesse: Multipolare Übergänge höherer Ordnungen, die spontane Emission von Photonenpaaren und Singlett-Triplett-Phosphoreszenz. Alle drei konventionell verbotenen Emissionen sind wegen der geringen Größe der Atome im Vergleich zu emittierten Wellenlänge und durch die Feinstrukturkonstante, die die Stärke der Wechselwirkung zwischen Elektron und Photon beschreibt, limitiert.
Doch diese Hürden ließen sich nun – vorerst rein theoretisch – durch Plasmonen, den Ladungswellen auf einer Oberfläche, überwinden. Dazu betrachteten Rivera und Kollegen den Einfluss von Plasmonen auf die Licht-Materie-Wechelwirkung genauer. Für ihre Berechnungen zogen sie das zweidimensionale Kohlenstoffmaterial Graphen heran, in dem sich alle Atome in einer einzigen Schicht anordnen. Wurde nun ein Emitter-Atom in die Nähe dieser Schichten gebracht, bildeten sich nach einer Anregung der Elektronen Plasmonen auf dem Graphen aus.
Diese wirkten als Vermittler, um konventionell verbotene elektronische Übergänge in dem angeregten Atom zu ermöglichen. Dabei erreichten die Lebensdauern dieser verbotenen Übergänge Werte zwischen einer Nanosekunde und einer Mikrosekunde. Sonst dauern verbotene Übergänge teils sogar mehrere Millionen Jahre. Multipolare Prozesse höherer Ordnung, Spin-Flip-Strahlung als auch die Erzeugung von zwei Photonen nach einem einzigen Elektronenübergang traten damit zu den schnellsten konventionellen Übergängen in Konkurrenz. Die Folge: Das Emitter-Atom konnte Lichtteilchen aussenden, zu denen es vorher nicht in der Lage gewesen wäre.
Obwohl es sich um eine rein theoretische Arbeit handelt, könnte sie großen Einfluss auf zukünftige Experimente haben. Zweidimensionale Schichten lassen sich nicht nur aus Kohlenstoff, sondern auch aus Metallen wie Silber oder Beryllium herstellen. Über das neue Modell der 2D-Plasmonik wäre es dann beispielsweise vorstellbar, dass mit einem Atom mit großem Oktupol-Moment der Oktupol-Übergang sogar dominanter wird als der sonst favorisierte Dipol-Übergang.
In weiteren Experimente müsste nun überprüft werden, ob sich der Einfluss der Plasmonen in zweidimensionalen Schichten auf die Anregungszustände einzelner Atomen in der Nähe kontrolliert steuern ließe. Sollte dieser Schritt gelingen, locken viele neuartige Lichtquellen. So könnten Leuchtdioden etwa aus Halbleiter wie Silizium, das keine geeigneten Strahlungsübergänge für sichtbares Licht aufweist, konstruiert werden. Rivera ergänzt, dass die 2D-Plasmonik auch zu neuen photonischen Sensoren oder Spektroskopie-Methoden führen könnte. Nicht zuletzt wären für Quantenphysiker neue Lichtquellen besonders interessant, die zeitgleich miteinander verschränkte Photonen aussenden könnten, um weitere Fortschritte in der Quantenkryptologie und Quanteninformation zu erzielen.
Jan Oliver Löfken
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