15.07.2016

Plasmonen eröffnen verbotene Übergänge

Nach einem neuen theoretischen Modell können Ladungswellen auf zweidimensionalen Materialien die Lichtemission maßgeblich beeinflussen.

Fallen Elektronen von höheren Energie­niveaus auf niedrigere zurück, kann es zur Emission von Photonen kommen. Viele diese Übergänge sind allerdings nach konven­tionellen Regeln verboten. Allerdings können zwei­dimensionale Materialien wie etwa Graphen helfen, diese Regeln zu umgehen. Das dazu passende theore­tische Modell arbeiteten nun Nick Rivera und seine Kollegen vom Massa­chusetts Institute of Technology in Cambridge aus. Damit eröffnen sich viele Möglichkeiten, um neue Licht­quellen, Sensor­systeme und sogar Emitter für verschränkte Photonen­paare zu entwickeln.

Abb.: Verbotenes Licht: In der Nähe von zweidimensionalen Materialien wie Graphen können angeregte Atome Photonen über konventionell verbotene elektronische Übergänge aussenden. (Bild: N. Rivera et al., MIT)

„Wenn ein Material in die Nähe von Graphen gebracht wird, können die Elektronen in diesem Material zu einer nach konven­tionellen Regeln verbotenen Licht­emission führen“, sagt Nick Rivera. Zu diesen verbotenen Über­gängen zählte er im wesent­lichen drei verschie­dene Prozesse: Multi­polare Übergänge höherer Ordnungen, die spontane Emission von Photonen­paaren und Singlett-Triplett-Phos­phoreszenz. Alle drei konven­tionell verbotenen Emissionen sind wegen der geringen Größe der Atome im Vergleich zu emittierten Wellenlänge und durch die Feinstruktur­konstante, die die Stärke der Wechsel­wirkung zwischen Elektron und Photon beschreibt, limitiert.

Doch diese Hürden ließen sich nun – vorerst rein theoretisch – durch Plasmonen, den Ladungs­wellen auf einer Oberfläche, überwinden. Dazu betrach­teten Rivera und Kollegen den Einfluss von Plasmonen auf die Licht-Materie-Wechel­wirkung genauer. Für ihre Berechnungen zogen sie das zwei­dimensionale Kohlenstoff­material Graphen heran, in dem sich alle Atome in einer einzigen Schicht anordnen. Wurde nun ein Emitter-Atom in die Nähe dieser Schichten gebracht, bildeten sich nach einer Anregung der Elektronen Plasmonen auf dem Graphen aus.

Diese wirkten als Vermittler, um konven­tionell verbotene elek­tronische Übergänge in dem angeregten Atom zu ermöglichen. Dabei erreichten die Lebens­dauern dieser verbotenen Übergänge Werte zwischen einer Nanosekunde und einer Mikrosekunde. Sonst dauern verbotene Übergänge teils sogar mehrere Millionen Jahre. Multi­polare Prozesse höherer Ordnung, Spin-Flip-Strahlung als auch die Erzeugung von zwei Photonen nach einem einzigen Elektronen­übergang traten damit zu den schnellsten konven­tionellen Übergängen in Konkurrenz. Die Folge: Das Emitter-Atom konnte Licht­teilchen aussenden, zu denen es vorher nicht in der Lage gewesen wäre.

Obwohl es sich um eine rein theore­tische Arbeit handelt, könnte sie großen Einfluss auf zukünftige Expe­rimente haben. Zwei­dimensionale Schichten lassen sich nicht nur aus Kohlenstoff, sondern auch aus Metallen wie Silber oder Beryllium herstellen. Über das neue Modell der 2D-Plasmonik wäre es dann beispiels­weise vorstellbar, dass mit einem Atom mit großem Oktupol-Moment der Oktupol-Übergang sogar domi­nanter wird als der sonst favo­risierte Dipol-Übergang.

In weiteren Expe­rimente müsste nun überprüft werden, ob sich der Einfluss der Plasmonen in zwei­dimensionalen Schichten auf die Anregungs­zustände einzelner Atomen in der Nähe kontrolliert steuern ließe. Sollte dieser Schritt gelingen, locken viele neuartige Lichtquellen. So könnten Leucht­dioden etwa aus Halbleiter wie Silizium, das keine geeigneten Strahlungs­übergänge für sichtbares Licht aufweist, konstruiert werden. Rivera ergänzt, dass die 2D-Plasmonik auch zu neuen photo­nischen Sensoren oder Spektro­skopie-Methoden führen könnte. Nicht zuletzt wären für Quanten­physiker neue Licht­quellen besonders interessant, die zeitgleich miteinander verschränkte Photonen aussenden könnten, um weitere Fortschritte in der Quanten­kryptologie und Quanten­information zu erzielen.

Jan Oliver Löfken

JOL

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