15.05.2008

Polwanderung auf Jupitermond Europa

Ein Team amerikanischer Planetenforscher sieht Hinweise auf eine echte Polwanderung des Jupitermondes Europa.



Auf der Oberfläche des Jupitermonds Europa gibt es eine Reihe großer bogenförmiger Vertiefungen, für die es keine vergleichbaren Strukturen auf anderen Himmelskörpern gibt. Ein Team amerikanischer Planetenforscher berichtet in der aktuellen Ausgabe von "Nature" über die Entdeckung der Mulden auf Bildern der Raumsonden Voyager, Galileo und New Horizons. Die Wissenschaftler sehen in den Strukturen ein Indiz für eine Verschiebung der Polachse Europas um etwa 80 Grad.

"Echte Polwanderung wurde bereits in der Vergangenheit als Ursache von einigen Strukturen auf der Oberfläche von Europa vorgeschlagen", erklären Paul Schenk vom Lunar and Planetary Institute in Houston, Isamu Matsuyama von der Carnegie Institution of Washington und Francis Nimmo von der University of California in Santa Cruz. "Doch bislang wurden keine globalen Strukturen gefunden, die befriedigend zum Belastungsmuster einer Polwanderung passen." Das habe sich nun geändert: Die von den drei Forschern aufgespürten Vertiefungen "passen zu keinem anderen Belastungsmechanismus."



Abb.: Die bogenförmigen Vertiefungen im Eispanzer von Europa erstrecken sich über hunderte von Kilometern. (Quelle: P.Schenk/NASA/LPI)

Die von Schenk, Matsuyama und Nimmo entdeckten Strukturen sind jeweils 25 bis 40 Kilometer breit, über 500 Kilometer lang und 300 Meter bis 1,5 Kilometer tief. Sie treten in zwei Gruppen auf, die sich auf der Oberfläche des rund 3000 Kilometer großen Jupitermonds exakt gegenüber liegen. Die Form der einzelnen Mulden entspricht nahezu exakten Kreisbögen. Aus der globalen Natur der Strukturen und aus ihrer ungewöhnlichen Symmetrie ziehen die drei Planetenforscher den Schluss, dass nur eine echte Polwanderung als Ursache für die Bildung der Vertiefungen infrage kommt.

Aus der Lage der Vertiefungen ergibt sich eine Verschiebung der Polachse um rund 80 Grad: Die frühere Rotationsachse des Mondes hätte damit etwa zehn Grad vom heutigen Äquator des Himmelskörpers entfernt gelegen.

Zu dieser dramatischen Verschiebung der Rotationsachse könnte es durch die Verdickung des Eispanzers auf Europa in den polaren Regionen gekommen sein. "Ein rotierender Körper ist am stabilsten, wenn sich seine Masse möglichst weit entfernt von der Rotationsachse befindet", erläutert Matsuyama. "Auf Europa hat die Änderung der Dicke der Eisschicht zu einem Ungleichgewicht geführt, deshalb hat ist die Rotationsachse gekippt."

Geologen und Planetenforscher sprechen in einem solchen Fall von einer "echten Polwanderung", während eine "scheinbaren Polwanderung" lediglich durch Plattentektonik verursacht wird. Nach Erde, Mars und dem Saturnmond Enceladus wäre Europa damit der vierte Körper im Sonnensystem, für den es Hinweise auf eine echte Polwanderung gibt.

Schenk, Matsuyama und Nimmo sehen in ihrer Entdeckung zugleich auch einen unabhängigen Beweis für die Existenz eines unter dem dicken Eispanzer von Europa verborgenen Ozeans. Zumindest, so die Forscher, müsse die Eiskruste während der Polwanderung frei auf einem Ozean geschwommen sein.

Rainer Kayser



Weitere Infos:

  • Originalarbeit: "True polar wander on Europa from global-scale small-circle depressions", P. Schenk, I. Matsuyama und F. Nimmo, Nature 453, 368 (2008)
  • weitere Arbeiten:
    "Polar wander of an ice shell on Europa", G. Ojakangas und D. Stevenson, Icarus 81, 242 (1989)
    "Is there evidence for polar wander on Europa?" A. Leith und W. McKinnon, Icarus 120, 387 (1996)

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