02.08.2022

Poröse Kristalle binden Treibhausgase

Neue Materialien binden polyfluorierte Kohlenwasserstoffe an ihrer Oberfläche.

Nicht nur Kohlendioxid, sondern auch fluorhaltige Gase – darunter per- oder poly­fluorierte Kohlenwasser­stoffe, kurz PFC – haben einen signifikanten Anteil an der Erderwärmung. Wissenschaftler am Organisch-Chemischen Institut der Universität Heidelberg unter der Leitung von Michael Mastalerz haben nun neue kristalline Materialien entwickelt, mit denen die Moleküle solcher Fluor-Kohlenstoff-Verbin­dungen selektiv adsorbiert werden können. Diese porösen Kristalle lassen sich möglicher­weise für eine gezielte Bindung und Rückgewinnung von PFC nutzen.

Abb.: Illustration des ein­kristallinen Materials der formstabilen...
Abb.: Illustration des ein­kristallinen Materials der formstabilen Käfig­verbindung. (M. Mastalerz)

Polyfluorierte Kohlenwasser­stoffe sind organische Verbindungen verschiedener Längen, bei denen die Wasserstoff­atome von Alkanen teilweise oder vollständig durch Fluoratome ersetzt sind. Diese zeichnen sich durch ihre hohe chemische Stabilität aus. Sie kommen nicht natürlich vor und werden vor allem für Ätzprozesse in der Halbleiterindustrie, in der Augen­chirurgie oder in der medizinischen Diagnostik als Kontrast­verstärker für bestimmte Ultraschall­untersuchungen verwendet. „Im Gegensatz zu CO2, das in natürliche Stoffkreisläufe integriert ist, sammeln sich PFC in der Atmosphäre an und verbleiben dort für mehrere tausend Jahre, ehe sie abgebaut werden“, sagt Mastalerz. Entsprechend haben PFC im Vergleich zu Kohlen­dioxid ein vielfach größeres globales Wärmepotential – ein einzelnes PFC-Molekül entspricht dabei in seiner Wirkung etwa 5.000 bis 10.000 CO2-Molekülen. Das macht polyfluorierte Kohlenwasser­stoffe zu einem permanenten Problem, das nicht nur bereits jetzt zur Klima­erwärmung beiträgt, sondern diese perspektivisch beschleunigen wird.

Nun haben die Forschenden ein neuartiges kristallines Material entwickelt, das poly­fluorierte Kohlenwasser­stoffe mit hoher Selektivität adsorbieren kann. Die porösen Kristalle basieren auf formstabilen organischen Hohlraum­verbindungen, die an den miteinander verbundenen Streben fluor­haltige Seitenketten tragen. Diese Seitenketten interagieren nach dem Prinzip „Gleiches sucht Gleiches“ über Fluor-Fluor-Wechselwirkungen mit den PFC-Molekülen und sorgen dafür, dass sie sich an der inneren Oberfläche des Materials ablagern. In ihren Versuchen konnten die Wissenschaftler nachweisen, dass die von ihnen entwickelten Kristalle bestimmte fluorhaltige Gase wie Octafluorpropan oder Octafluor­cyclobutan etwa 1.500 bis 4.000 Mal stärker binden als zum Beispiel Distickstoff, den Haupt­bestandteil der Luft. Diese Zahlen spiegeln nach Angaben von Mastalerz im Hinblick auf die Bindung von PFC eine sehr hohe Selektivität wider.

Zurzeit arbeiten die Forschenden daran, die Selek­tivität der Kristalle weiter zu erhöhen und das Verfahren auch auf andere fluorierte Gase zu übertragen – zum Beispiel solche, die in der medi­zinischen Anästhesie verwendet werden. „Ich sehe auf diesem Gebiet ein enormes Entwicklungs­potential“, sagt Mastelerz. Er hofft, dass sich das Adsorptions­mittel für eine Rückgewinnung der poly­fluorierten Kohlenwasser­stoffe an ihrem Einsatzort nutzen lässt. 

U. Heidelberg / JOL

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