04.06.2018

Positiver Null-Test

Atomuhren in USA und Europa bestätigen Prinzip der lokalen Positionsinvarianz.

Die Entwickler von immer genaueren Atom­uhren haben nicht nur eine exakte Zeit­messung im Sinn. Mit ihren Uhren lassen sich auch grund­legende physikalische Prinzipien, die sich aus Einsteins Allgemeiner Relativitäts­theorie ergeben, über­prüfen. Physiker am National Institute of Standards NIST in Boulder lieferten nun eine der genauesten Bestätigungen solcher Prinzipien am Beispiel der lokalen Positions­invarianz. Dieser Aspekt des Äquivalenz­prinzips besagt, dass es für ein nicht der Schwer­kraft unter­worfenes Experiment keine Rolle spielt, wo und wann es aus­geführt wird.

Abb.: Einsteins Gedankenexperiment: Die Erde fällt wie ein frei fallender Fahrstuhl im Gravitationsfeld der Sonne. Alle nicht der Schwerkraft unterworfenes Experimente müssen unabhängig vom Ort auf der Erde identisch ablaufen. (Bild: K. Rechin, NIST)

Bijunath Patla und seine Kollegen von der NIST-Atomic Standards Group nutzten für ihre Untersuchung die Frequenz­schwankungen von insgesamt zwölf Atomuhren in den USA und Europa – darunter eine Cäsium-Fontänen­uhr an der Physikalisch Technischen Bundes­anstalt PTB in Braun­schweig. Als gemeinsames Bezugs­system betrachteten sie die gesamte Erde, die sich im Schwere­feld der Sonne bewegt. Daher sollten die Frequenz­schwankungen zwischen Atom­uhren trotz unter­schiedlicher Stand­orte auf der Erd­oberfläche keine Abweichungen von­einander ergeben.

Abb.: Am National Institute of Standards in Boulder steht diese Atomuhr, die zum Vergleich mit elf weiteren Atomuhren in den USA und Europa genutzt wurde. (Bild: G. Wheeler, NIST)

Für diesen „Null-Test“ für die Abweichungen nutzten Patla und Kollegen Atom­uhren unter­schiedlicher Bau­art über einen langen Zeitraum zwischen 1999 und 2014. Am NIST untersuchten sie den Frequenz­verlauf von vier Wasser­stoff-Masern und vier Cäsium-Fontänen­uhren. Aus Europa ergänzten sie die Frequenz­verläufe von vier weiteren Cäsium-Uhren in Groß­britannien, Frank­reich, Italien und Deutsch­land. In allen Uhren werden die Über­gänge zwischen Hyper­fein­struktur­zuständen als Takt­geber genutzt. Der Über­gäng zwischen den beiden Hyper­fein­struktur­niveaus des Grund­zustands des Cäsiums wird seit 1967 auch für die Fest­legung der physikalischen Einheit Sekunde genutzt.

Die Wissenschaftler verglichen die über 14 Jahre aufgezeichneten Frequenz­schwankungen. Ihre Analysen ergaben, dass die Frequenz­verläufe mit­eiander sogar unter winzigen Schwankungen der auf sie wirkenden Gravitation synchronisiert waren. Der Standort – Europa oder USA – führte also in keiner Weise zu über­raschenden Abweichungen der Frequenz. So konnten die Patla und Kollegen die Unabhängig­keit von der Art der Atom­uhr und von der Position auf der Erde über einen langen Zeit­raum mit einer fünf­fach höheren Genauig­keit bestimmen als in früheren Vergleichs­versuchen. Laut der Allgemeinen Relativitätstheorie beträgt die Abweichung der Takt­frequenzen theoretisch Null. Diesem Wert kam nun das Vergleichs­experiment mit β = (2,2±2,5) × 10-7 so nahe wie kein Versuch zuvor.

In ihrer Analyse betrachteten die Physiker auch den Einfluss des Jupiters auf das auf der Erde wirkende Gravitations­feld. Der Effekt erwies sich jedoch als ver­nachlässig­bar klein im Vergleich zu der experimentell minimalen Unsicher­heit. Das könnte sich jedoch mit weiteren Vergleichen noch genaueren Atom­uhren, die etwa auf optischen Über­gängen in Ytterbium- oder Strontium­atomen beruhen, ändern. „Diese Tests fundamentaler Physik sind ein Vorteil von immer präziseren Atom­uhren“, sagt Bijunath Patla.

Diese Studie belegt, dass präzise Atomuhren geeignet sind, die Aussagen der Relativitäts­theorie am Beispiel der lokalen Positions­invarianz zu überprüfen. Damit gesellen sich die Vergleiche von Frequenz­verläufen von Atom­uhren ein in die lange Reihe von Tests der Allgemeinen Relativitätstheorie und der darauf basierenden Prinzipien wie etwa die direkte Messung von Gravitations­wellen, der Gravitations­rot­verschiebung oder der exakten Vermessung der Umlauf­bahnen von Planeten.

Jan Oliver Löfken

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