Potentialflächen einzelner Wassermoleküle kartiert
Detaillierte Messungen mit resonanter inelastischer Röntgenstreuung.
Wasser spielt In allen biologischen und vielen chemischen Prozessen eine entscheidende Rolle. Die Wassermoleküle selbst bergen kaum noch ein Geheimnis. Aber zwischen der Kenntnis des einzelnen Moleküls und dem Wissen über die makroskopischen Phänomene klafft ein weiter Bereich des Ungefähren: Ausgerechtet über das Verhalten der einzelnen Moleküle in ganz normalem flüssigem Wasser ist nur Statistisches bekannt, die Wassermoleküle bilden ein fluktuierendes Netz aus Wasserstoffbrücken, ungeordnet und dicht und ihre Wechselwirkungen sind überhaupt nicht so gut verstanden wie im gasförmigen Zustand.
Nun hat ein Team um die Annette Pietzsch am Helmholtz Zentrum Berlin hochreines, flüssiges Wasser bei Zimmertemperatur und normalem Druck unter die Lupe genommen. Mit Röntgenuntersuchungen an der Swiss Light Source des Paul Scherrer Instituts und statistischen Modellierungen ist es den Forschenden erstmals gelungen, die Potentialflächen der einzelnen Wassermoleküle im Grundzustand zu kartieren, die je nach Umgebung vielfältige Gestalt annehmen.
„Das Besondere ist hier die Methode: Wir haben die Wassermoleküle an der Adress-Beamline mit resonanter inelastischer Röntgenstreuung untersucht. Einfach ausgedrückt haben wir einzelne Moleküle nur ganz vorsichtig angeschubst und dann gemessen, wie sie in den Grundzustand zurückfallen“, sagt Pietzsch. Die niederenergetischen Anregungen führten zu Streckschwingungen und anderen Vibrationen, durch die sich – kombiniert mit Modellrechnungen – ein detailliertes Bild der Potentialoberflächen ergab. „Damit haben wir eine Methode, um experimentell die Energie eines Moleküls in Abhängigkeit von seiner Struktur zu ermitteln“, erläutert Pietzsch. „Das hilft, die Chemie im Wasser zu verstehen, also auch mehr zu durchblicken, wie sich Wasser als Lösungsmittel verhält.“
Die nächsten Experimente sind schon in Vorbereitung, und zwar an der Röntgenquelle Bessy II in Berlin. Dort hat Annette Pietzsch mit ihrem Team die Messstation „Metrixs“ aufgebaut, die genau dafür konzipiert ist, flüssige Proben mit RIXS-Experimenten zu untersuchen. „Nach den Wartungsarbeiten im Sommer starten wir mit ersten Tests der Messinstrumente.“
HZB / JOL
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
A. Pietzsch et al.: Cuts through the manifold of molecular H2O potential energy surfaces in liquid water at ambient conditions, Proc. Nat. Ac. Sc. 119, e2118101119 (2022); DOI: 10.1073/pnas.2118101119 - Methoden und Instrumentierung der Forschung mit Synchrotronstrahlung, Helmholtz Zentrum Berlin