30.03.2011

Präzisionsmassenmessung exotischer Kerne für die Astrophysik

Kernphysiker liefern Astronomen neue Informationen über die Nukleosynthese in Röntgenstrahlungsausbrüchen.

Kernphysiker liefern Astronomen neue Informationen über die Nukleosynthese in Röntgenstrahlungsausbrüchen.

Eine der Grundfragen der modernen Astrophysik betrifft die Synthese der chemischen Elemente, aus denen die Welt besteht: wann, wo und wie wurden sie gebildet? Einer internationalen Arbeitsgruppe unter Führung von Kernphysikern der Justus-Liebig-Universität Gießen gelang nun erstmalig die direkte Massenmessung von besonderen exotischen Kernen auf dem sogenannten rp-Prozess-Pfad. Die Messergebnisse, die mit dem Massenspektrometer SHIPTRAP am GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung in Darmstadt aufgenommen wurden, zeigen ungewöhnlich große Abweichungen von den bisher angenommenen Werten: Es wurden Abweichungen gefunden, die bis zu sechs Mal größer als die vorher angenommenen Unsicherheiten sind.

Nukleosynthese findet im Innern von Sternen oder bei Sternexplosionen stattfindet. Leichtere Elemente bis zum Eisen entstehen durch die Verschmelzung leichterer Atomkerne, während die schweren Elemente jenseits von Eisen hauptsächlich durch Neutroneneinfangreaktionen erzeugt werden. Ein kleiner Teil (etwa ein Prozent) dieser Atomkerne wird allerdings durch Protoneneinfangreaktionen beziehungsweise die Abspaltung von Neutronen erzeugt (p-Nuklide). Diese Prozesse finden in besonders heißen Regionen statt, beispielsweise auf der Oberfläche von Neutronensternen, auf die aufgrund der Gravitationskraft Materie von benachbarten roten Riesen überströmt. Wurde genügend Material gesammelt und verdichtet, kann es zu einer thermonuklearen Explosion kommen, in der der rp-Nukleosyntheseprozess zündet und die p-Nuklide entstehen. Da bei diesen Explosionen intensives Röntgenlicht ausgesandt wird, spricht man auch von einem Röntgenstrahlungsausbruch.

  

Die Frage, welchen Einfluss die neuen Daten auf das Verständnis der Nukleosynthese im rp-Prozess haben, wurde in einer internationalen Zusammenarbeit mit Astrophysikern untersucht. Zurzeit nimmt man an, dass der rp-Prozess, ausgehend von leichten Atomkernen in dem Bereich von sehr protonenreichen Kernen bis etwa zum Element Zinn verläuft. Hier könnte der Prozess zu einem Ende kommen, da die gebildeten Kerne durch alpha-Zerfall zu leichteren Elementen zerfallen und auf diese Weise ein nicht zu durchbrechender Kreislauf entsteht, ein sogenannter alpha-Zyklus, wodurch keine schwereren Elemente gebildet werden können. Die neuen Massenwerte zeigen, dass solch ein alpha-Zyklus energetisch tatsächlich möglich ist. Damit lassen sich die Ausbeuten der chemischen Elemente im rp-Prozess berechnen und mit den beobachteten Häufigkeiten vergleichen. Weiterhin gewinnen die Astrophysiker mit solchen Daten Einblick in die physikalischen Bedingungen, die bei diesem Prozess der Nukleosynthese vorherrschen: vermutlich handelt es sich um Temperaturen von mindestens einer Milliarde Grad Celsius.

Justus-Liebig-Universität Gießen / AL


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